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Geschwister Stock – Geschwister-Stock-Platz

Dieser Platz, der früher Cecilienplatz hieß, ist seit 1995 der Erinnerung an zwei während der NS-Gewaltherrschaft ermordete jüdische Kinder gewidmet. Sie stehen stellvertretend für viele andere Opfer des Nationalsozialismus aus Wiesbaden. Die Geschwister Stock wurden beide in unserer Stadt geboren, Josef am 28. Oktober 1934, seine Schwester Rosel am 14. Juli 1937. Auch die Kindertagesstätte und die beiden Bushaltestellen tragen ihren Namen.

Die Eltern Johanna und James Stock lebten mit ihren Kindern hier in recht ärmlichen Verhältnissen, zunächst in der Jahnstraße 24, dann in einer engen Hinterhofwohnung in der Walramstraße 31. Im Herbst 1939 wurde die Familie Stock von den Behörden zwangsweise in eine Baracke der Obdachlosensiedlung Mühltal eingewiesen. 1940 wurde sie genötigt, in das "Judenhaus" in der Ludwigstraße 3 zu ziehen. Dort war es so beengt, dass eine der jüdischen Familien sogar in einem Geräteschuppen im Hof hausen musste. Den Eltern Stock gelang es allerdings noch, Josef vorübergehend im jüdischen Kinderheim von Bertha Pappenheim in Neu-Isenburg unterzubringen.

Als Rosel vier und Josef sieben Jahre alt waren, wurden sie zusammen mit ihren Eltern deportiert, nur weil sie jüdischer "Abstammung" waren. Am 23. Mai und am 10. Juni 1942 wurden über 400 der in Wiesbaden bis dahin noch zurückgebliebenen jüdischen Bürgerinnen und Bürger, zumeist Familien mit Kindern, nach Ostpolen verschleppt.

James Stock wurde in Majdanek, seine Frau und ihre Kinder wurden in Sobibor ermordet. Sie haben in Wiesbaden fast keine Spuren hinterlassen. Deshalb können hier auch keine Fotos von ihnen gezeigt werden. Den jüdischen Kindergarten in der Faulbrunnenstraße gab es zum Zeitpunkt der Deportationen nicht mehr. Öffentliche Kindergärten und Schulen durften jüdische Kinder und Jugendliche damals längst nicht mehr aufnehmen.

Der NS-Staat machte seit 1933 alle jüdischen Menschen in Deutschland zunehmend rechtlos. Viele versuchten daher schon bald auszuwandern oder illegal über die Grenzen zu entkommen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde dies fast unmöglich, bis ihnen schließlich sogar das Recht auf ihr Leben genommen wurde. Zumeist in den von ihnen besetzten Gebieten Polens errichteten die Nationalsozialisten Ghettos und Todeslager, in denen Millionen von Menschen grausam gequält und ums Leben gebracht wurden. Wiesbadener Juden hatten zwar auch in den Niederlanden, in Belgien oder Frankreich Zuflucht gesucht, wurden dann aber von den NS-Fahndern im Exil trotzdem gefasst. Allein für Wiesbaden lässt sich die Ermordung von mindestens 40 jüdischen Mädchen und Jungen unter 14 Jahren nachweisen. Ähnlich groß war die Opferzahl Wiesbadener Sinti-Kinder, von denen die meisten am 8. März 1943 zusammen mit ihren Familienangehörigen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. An ihr Schicksal erinnert das nur wenige Meter von hier in Richtung des Hauptbahnhofs errichtete Mahnmal. Es wird geschätzt, dass mindestens anderthalb Millionen jüdische Kinder und Jugendliche, außerdem Zehntausende Sinti- und Roma-Kinder dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer fielen.

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