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Wiesbadener Privat-Post

Das Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reiches vom 28. Oktober 1871 bestimmte: "Die Beförderung 1) aller versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Briefe, 2) aller Zeitungen politischen Inhalts, welche öfter als einmal wöchentlich erscheinen, gegen Bezahlung von Orten mit einer Postanstalt nach anderen Orten mit einer Postanstalt des In- oder Auslandes auf andere Weise, als durch die Post, ist verboten." Das damit festgeschriebene Postmonopol erfasste somit nicht den innerörtlichen Postverkehr. Diese Gesetzeslücke führte dazu, dass in vielen größeren deutschen Städten private Anstalten gegründet wurden, die - zu einem günstigeren Preis als die Reichspost - die Beförderung von Briefen, Drucksachen und Paketen innerhalb des jeweiligen Ortes übernahmen. Erst durch Gesetz vom 28. Oktober 1899 wurden mit Wirkung zum 31. März 1900 das Postmonopol auch auf den innerstädtischen Bereich ausgedehnt und somit die Stadtpostanstalten aufgehoben; die Reichspost übernahm meist das jeweilige Personal und führte im übrigen ein verbilligtes Ortsporto für bestimmte Versandarten ein.

In Wiesbaden gründete Alexander Ludwig eine "Transport-Anstalt" für den "Local-Verkehr", die im September 1886 ihren Betrieb aufnahm und seit 1887 als "Privat-Post" firmierte, letzteres bestätigt durch höchstrichterliches Urteil vom 14. November 1887, wonach die Bezeichnung "Post" auch von solchen Privatanstalten geführt werden durfte.

Im Laufe ihres Bestehens gab die Wiesbadener Privat-Stadtpost über 100 verschiedene Wertzeichen, Paket- und Quittungsmarken heraus; die letzte Ausgabe von 1898 zeigte das Kaiser-Friedrich-Denkmal.

Seit der Einführung entsprechender Postwertzeichen 1852 wurde im übrigen in Wiesbaden mit Briefmarken der Thurn und Taxisschen Post frankiert (und zwar mit jenen der Gulden-Währung deren südlichen Bezirks), nach der Annexion Nassaus durch Preußen gab es dann kurzfristig eine eigene Ausgabe mit dem preußischen Wappenadler für die von Thurn und Taxis erworbenen Postgebiete, die gegen eine Entschädigungszahlung von drei Millionen Talern zum 1. Juli 1867 übernommen worden waren. Aber bereits zum 1. Januar 1868 verzichtete Preußen zugunsten des Norddeutschen Bundes auf die Ausübung seines Postregals; auch in Wiesbaden waren nun die Marken des Norddeutschen Postbezirks Frankaturmittel, bis diese durch die erste Briefmarkenausgabe des Deutschen Reichs am 1. Januar 1872 abgelöst wurden.

Am 6. Januar 1890 hatte Albert Kahleis, zuvor Briefträger der Anstalt, die Wiesbadener Privat-Stadtpost übernommen und führte sie bis zur zwangsweisen Aufhebung am 31. März 1900 als "Privatpostmeister". Die Beförderung eines Briefes kostete drei Pfennige (bei der Reichspost hingegen je nach Gewicht zehn oder 20 Pfennige), eines Pakets bis fünf Kilogramm zehn Pfennige (bei der Reichspost bis zu einer Entfernung von zehn Meilen 25 Pfennige). Bereits 1890 befanden sich über das Stadtgebiet verteilt 34 Briefkästen der Privatpost, die dreimal täglich geleert wurden (die Reichspost verfügte über 66 Briefkästen). Die Zustellung der Sendungen übernahmen eigene Briefträger.

Trotz der vergleichsweise hohen Auflagen der Briefmarken finden sich Ausgaben dieser Privat-Post relativ selten im Handel. Eine kleine Sammlung von Beispielen besitzt das Stadtarchiv Wiesbaden aus dem Nachlass des Heimatforschers Ludwig Gärtner, inzwischen durch einige Neuerwerbungen erweitert.

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