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Geheimnisvoller Jäger und feuriger Reiter

Kurier-Serie "Stadtteile sagenhaft" - 2. Folge: Allerlei Gespenstisches rund um Schloss Biebrich, vom 24. Juli 2004 - Von Kurier-Mitarbeiterin Eva Wodarz-Eichner

Es war an einem trüben Novemberabend. Dunkel hingen schwere Wolken über dem Biebricher Schloss, und Nebelfetzen jagten einander im scharfen Wind, der kalt und feucht gegen Bäume und Häuser schlug. Niemand verließ bei diesem Wetter gern sein Haus, und niemand erwartete Besuch.

Dennoch klopfte es plötzlich in einem der großen, stattlichen Häuser, die sich gleich neben dem Schloss erhoben. Ein Mann, ganz in Grün gekleidet wie ein Jäger, wollte den Bauern besuchen, der dort wohnte. Eine Magd öffnete misstrauisch - warum hatte ihr niemand gesagt, dass heute noch Besuch kommen sollte? Wortlos trat der grüne Jäger ein und ging in die Wohnstube, wo der Bauer saß.

Kurze Zeit später hörte die Magd laute Stimmen: Es war die Stimme des Bauern, zweifellos, und die eines Fremden - der Bauer stritt laut mit dem unbekannten Gast, und die Magd wunderte sich. Was hatte es mit diesem Jäger nur auf sich? Die streitenden Stimmen wurden immer lauter. Bis in die Nachbarhäuser drang der Lärm, und es war nicht nur die Magd, die die wütende Stimme des Bauern rufen hörte: "Wenn das stimmt, so soll mich der Teufel holen!" Der Sturm tobte immer lauter um das Haus, und die Magd verkroch sich ängstlich in ihrer Kammer. Bald darauf hörte sie, wie sich eilige Schritte entfernten und die Haustür polternd ins Schloss fiel.

Am nächsten Morgen fehlte der Bauer am Frühstückstisch. Er war auch nicht auf dem Feld, und voller Sorge wurde ein Knecht geschickt, ihn zu suchen. Er fand den Bauern in der Wohnstube, kalt und starr: Er war tot.

Grauen erfasste die Magd, die Nachbarn und alle im Haus: Hatte den Bauern tatsächlich der Teufel geholt, war der seltsame Jäger der Leibhaftige selbst gewesen? Keiner wollte länger in dem verfluchten Hause bleiben - das Gesinde zerstreute sich, und die Nachbarn verschlossen Türen und Fenster fester, wenn es dunkel wurde. Wer der geheimnisvolle Jäger gewesen ist, hat niemals jemand herausgefunden.
Nur wenige hundert Meter weiter, im Biebricher Schlosspark rund um die Mosburg, soll im späten Mittelalter Nacht für Nacht ein feuriger Reiter umgegangen sein. Jeder, der sich bei Einbruch der Dunkelheit in der Nähe der Burg aufhielt, beeilte sich weiterzukommen, bevor die unheimliche Gestalt des Feuerreiters auf der Mauer der Burg erschien. Es wird erzählt, dass es der Ritter Dudo von Bieburg sei, der im Grab keine Ruhe fände: Er soll Verrat begangen und die Stadt Mainz im Zuge der Streitigkeiten um das Bischofsamt im Jahre 1462 den Nassauern in die Hände gespielt haben. Aber als dies geglückt war, konnte er sich nicht so recht darüber freuen. Er beging Selbstmord und musste seitdem Nacht für Nacht seinen bitteren Frevel büßen ...

Die Mosburg, die damals noch keine (künstliche) Ruine, sondern ein gräfliches Burghaus gewesen war, wurde künftig von allen, die in Biebrich und in Mosbach wohnten, gemieden. Erst als nach dem Dreißigjährigen Krieg ein frommer Mann das gräfliche Haus bezog und Nacht für Nacht mit einem Geistlichen betete, soll der feurige Reiter erlöst worden sein ...

Die Kämpfe um das Mainzer Bischofsamt im Jahre 1462 waren schwer - Adolf II. von Nassau stand gegen den Domkustos Diether von Isenburg, den das Domkapitel zum Erzbischof gewählt hatte, der aber vom Papst abgesetzt wurde. An seiner Stelle wurde Adolf zum Erzbischof ernannt - Diether wollte nicht verzichten, sondern suchte den Kampf: Er unterlag, und es gelang Adolf, die Stadt Mainz einzunehmen. Als er 13 Jahre später im Sterben lag, hat Adolf Diether zu seinem Nachfolger empfohlen - ob wirklich Verrat im Spiel gewesen ist, erscheint aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich.

Die Sage vom grünen Jäger ist wesentlich jünger, sie ist aus dem 18. Jahrhundert überliefert und soll sich in einem der Häuser in der heutigen Straße Am Schlosspark zugetragen haben - in welchem, ist nicht bekannt. Und auch den Namen des Bauern, den der Teufel geholt haben soll, weiß heute niemand mehr ...

Quelle: Wiesbadener Kurier

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