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EVIM

Das 1853 von der EVIM gegründete Kinderrettungshaus auf dem Geisberg war die erste Einrichtung der Inneren Mission Nassau in Wiesbaden. Heute ist sie Träger einer Vielzahl von sozialen Projekten.

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Der Evangelische Verein für Innere Mission Nassau (EVIM) ist eine am 11. November 1850 gegründete Vereinigung jüngerer Pfarrer in Nassau, die einen Neubeginn und eine Belebung des kirchlichen Lebens anstrebten.

Nach internen Kämpfen wurde Ludwig Eibach 1851 zum Vorsitzenden gewählt und nahm dieses Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1868 wahr. Der Verein handelte im Sinne des Augsburger Bekenntnisses von 1530 und sah seine Aufgabe darin, „für leiblich und seelisch Bedrängte zu sorgen und diese zu stärken.“ Die Mitglieder sollten nicht nur mit Gaben, sondern auch mit „persönlicher Bethätigung“ im sozialen und karitativen Bereich aktiv werden und sich vor allem „der Armen, Kranken, Verwahrlosten, Verlassenen und Ausgestoßenen“ annehmen.

Die Gründung des Vereins leistete auf geistigem und sozialem Gebiet einen Beitrag zur Bekämpfung der negativen Folgen des Industrialisierungsprozesses, der Verarmung des Proletariats und der Ausbeutung der Kinderarbeit. Die soziale Frage war zu einem wesentlichen Problem in Deutschland geworden, ein Problem, auf das die herrschenden Gesellschaftsklassen keine Antwort wussten. Unter den unzähligen Menschen, die im Bewusstsein ihres christlichen Glaubens die Verantwortung zum Handeln spürten, war es der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern, der 1833 in Hamburg als einer der ersten das bekannte Rettungshaus für Kinder, das „Rauhe Haus“ mitgründete, und dessen Leitung übernahm. Dieses Haus war das Vorbild für das Entstehen von über 100 Rettungshäusern in ganz Deutschland in dem kurzen Zeitraum bis 1855. Die Rettungshäuser hatten die Aufgabe, verwahrloste Kinder und Waisen durch eine christliche Erziehung in einem geordneten Heimleben vor dem leiblichen und geistigen Verderben zu retten.

Das Verdienst von Ludwig Eibach ist es, in Wiesbaden, östlich der Idsteiner Straße, ein solches Rettungshaus zusammen mit seinen Vereinsmitgliedern geschaffen zu haben. Es wurde am 10. November 1853 eingeweiht und konnte lange Zeit nur durch Spenden und Kollekten unterhalten werden.

Von erheblicher Bedeutung war die Tatsache, dass Ludwig Eibach als Lehrer des Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Hilda von Nassau das Vertrauen und Wohlwollen der herzoglichen Familie in Wiesbaden genoss. Durch ihre Vermittlung kamen zwei Kaiserswerther Schwestern nach Wiesbaden, mit deren Hilfe eine gemeindliche Diakonie aufgebaut werden konnte. Nicht weniger wichtig war die dadurch gewachsene Verbindung zu Theodor Fliedner, der 1836 das Diakonissenmutterhaus in Kaiserswerth eröffnet hatte, in dem junge Mädchen auf einen Beruf in der Krankenpflege und im Dienst an der Gemeinde ausgebildet wurden. Seine Schwester Karoline Fliedner war Eibachs erste freiwillige Gemeindeschwester in Wiesbaden. Für die evangelische Schriftenarbeit in ganz Nassau wurde 1865 in Herborn der später so bezeichnete „Oranien – Verlag“ ins Leben gerufen.

Mit der Annexion Nassaus durch Preußen 1866 begann eine neue Epoche. Das preußische Zwangserziehungsgesetz von 1878 regelte die Unterbringung verwahrloster Kinder und führte zu einer Minimalfinanzierung durch die kommunalen Behörden.

Am 26. Oktober 1879 gründete der Verein die „Herberge zur Heimat“ in der Platter Straße in Wiesbaden, ein christliches Hospiz für wandernde Handwerker, Arbeiter und Angestellte, ein Haus, das heute noch als das Hotel Oranien existiert. In der Folgezeit konnte der Verein seine Tätigkeiten im Bereich des alten Nassauer Landes verstärkt ausbauen. Schwerpunkte waren neben Wiesbaden u. a. Biebrich, Herborn, Haiger, Dillenburg, Diez, Bad Ems, Kaub, Bad Homburg, Bad Schwalbach, Usingen und Westerburg.

Nach der Zeit des Nationalsozialismus, der auch die Einrichtungen des Vereins in schwere Mitleidenschaft zog, konnte die Finanzierung unter der Gesetzgebung des Bundes auf neue und feste Grundlagen gestellt werden. Heute steht die Arbeit des Vereins unter dem Motto „Wir sind da, wo Menschen uns brauchen“.

EVIM ist Träger einer Vielzahl von Einrichtungen, die zwar zum Teil in den letzten Jahren einzeln oder im Verbund rechtlich verselbständigt wurden, die aber alle von dem Verein in Form einer Holdinggesellschaft mit ihren Töchtern zusammen betrieben werden. Schwerpunkte sind die Altenhilfe, die Behindertenhilfe, die Jugendhilfe und die Bildung.

Zur Altenhilfe gehören in Wiesbaden das Ludwig–Eibach–Haus, das Johann–Hinrich–Wichern–Stift, das Alzheimer Tageszentrum, das Katharinenstift in Biebrich und das Jan–Niemöller–Haus in Schierstein. Weitere Altenhilfeeinrichtungen sind das Gertrud–Bucher–Haus in Westerburg, die Flersheim-Stiftung in Bad Homburg und das Kortheuer Haus in Usingen. Seniorenzentren des Vereins gibt es in Hattersheim, Hochheim, Kostheim, Schwalbach a. T. und Walluf. Hinzu kommen Einrichtungen des betreuten Wohnens in der gesamten Region sowie eine ambulante Altenpflege.

Zur Behindertenhilfe zählen insbesondere die Reha–Werkstatt in Wiesbaden und die Schlocker–Stiftung in Hattersheim. Verbunden damit gibt es eine Reihe von Wohnheimen für Behinderte ebenfalls in Wiesbaden und Hattersheim. Das Programm in diesem Sektor wird ergänzt durch verschiedene gemeindepsychiatrische Einrichtungen in Wiesbaden und Hofheim.

Die Jugendhilfe unterhält unterschiedliche Wohngruppen, erteilt individuelle Erziehungshilfe und stationäre Betreuungen im Rhein-Main-Gebiet. Mit dem Projekt „Upstairs“ soll obdachlosen Kindern und Jugendlichen eine Wiedereingliederung in Familie und Gesellschaft ermöglichst werden. Eng verbunden mit der Jugendhilfe ist der Bereich Bildung, der seine Schwerpunkt in der Arbeit der staatlich anerkannten Sonderschule für Erziehungshilfe auf dem #Geisberg in Wiesbaden, der Schule für Kinder beruflich Reisender sowie einem Campus-Projekt (Campus Klarenthal) hat.

In dem Aufbau einer christlich geprägten, reformorientierten Jugenderziehung vom Kinderhort über Kindergarten und Grundschule sowie die Sekundarstufen 1 und 2 bis zum Abitur (Campus Klarenthal) sieht EVIM die notwenige Ergänzung zu einer christlich fundierten Sozialarbeit.

Literatur


Verweise