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Gräselberg

Der Bau der neuen Großsiedlung Gräselberg Ende der 1950er-Jahre sollte helfen, die Wohnungsnot in Wiesbaden zu lindern. 1960 konnten hier die ersten Mieter in ihre Neubauwohnungen einziehen.

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Die Siedlung Gräselberg gehört zum Stadtbezirk Wiesbaden-Biebrich. Sie ist Wiesbadens älteste und größte „Satellitenstadt". Fast 6.000 Menschen leben auf der ca. 150 Meter hohen Erhebung im Dreieck von Erich-Ollenhauer-Straße, der Autobahn A 66, vormals „Rhein-Main-Schnellweg“, und der A 643 (Verlängerung der Schiersteiner Straße) auf dem Weg über den Rhein nach Mainz.

Obwohl die Großsiedlung „Gräselberg“ erst seit einem halben Jahrhundert besteht, zeigen Funde, dass auf dem fruchtbaren Ackerland schon in der Jungsteinzeit Menschen gesiedelt haben. Reste einer „villa rustica“ aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nach Christus weisen darauf hin, dass auch die Römer das Land zu nutzen wussten.

Urkundlich erwähnt wird die Lage „Gresel, Kreßel, Cressel, Größel“, was so viel wie „sandige Stelle auf einer Berghöhe“ bedeutet, in einem Lagerbuch des Klosters Tiefenthal aus dem 15. Jahrhundert. Auch die Klöster Eberbach und Klarenthal (Kloster Klarenthal) hatten hier Eigentum. Die Klöster nutzten das nach Süden abfallende Gelände vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert zum Weinbau. Eine weitere Nutzung des Geländes erfolgte durch Sandgruben sowie durch Ziegeleien. Am Zusammenfluss von Ur-Rhein und Ur-Main hatte sich gelber Mainsand mit weißem Rheinsand vermischt und konnte so für die Bauwirtschaft in Wiesbaden genutzt werden.

In den 1920er-Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden auf dem Gräselberg die ersten beiden Ansiedlungen: die Gräselberg-Siedlung, die vorwiegend von Straßenbahnern in Selbsthilfe errichtet wurde, und die Kurt-Albert-Siedlung für Mitarbeiter des Chemiewerks (Chemische Werke Albert). Entsprechend der damaligen politischen Stimmung, hervorgerufen durch die französische Besatzung, nannte man die Straßen nach bekannten „Freiheitskämpfern“ wie Andreas Hofer, Lützow, von der Tann, Schill und Sickingen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Anhöhe als Flakstellung zum Schutz der Stadt Wiesbaden gegen angreifende alliierte Bomberflugzeuge genutzt.

Erst in den 1950er-Jahren des vorigen Jahrhunderts kam es zu einem völligen Neubeginn. Auf dem noch freien Acker- Wiesen- und Gartengelände sollte Wiesbadens erste Großsiedlung entstehen. Der Bau war notwendig geworden, weil nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr Menschen - Vertriebene und Flüchtlinge - nach Wiesbaden gekommen waren und dadurch in der Stadt eine große Wohnungsnot herrschte. Die ersten Planungen für die neue Wohnsiedlung wurden in den Jahren 1953/54 vorgenommen. 1955 begann man mit dem Ankauf des Geländes. Im Juni 1957 kündigte die Stadt das Bauvorhaben offiziell an. Nach Abschluss der Vorplanungen konnte am 26. November 1959 der erste (motorisierte) Spatenstich durch den hessischen Innenminister Heinrich Schneider und den Wiesbadener Bürgermeister Georg Buch erfolgen. Mit diesem Spatenstich startete auf einer Fläche von 170.000 Quadratmetern ein 30-Millionen-DM-Projekt.

Bereits im Herbst 1960 konnten die ersten 1200 Wohnungen bezogen werden. Eine „Wohnstadt im Grünen“ hatten die Wohnungsbaugesellschaften Nassauische Heimstätte in Frankfurt und die Wiesbadener Geno50 aus dem Boden gestampft. Es war eine Mischung aus Geschosswohnungsbau, Einfamilienhäusern und zwei Hochhäusern (1961 und 1962).

In den frühen 1960er-Jahren errichteten die Südwestdeutsche Gemeinnützige Wohnungsbau AG für Postbedienstete und die Dyckerhoff-Zementwerke (Dyckerhoff GmbH) für ihre Mitarbeiter noch Werkswohnungen. Der Anteil der Eigentumswohnungen, insbesondere in den seit 1972 errichteten Wohnanlagen an der Erich-Ollenhauer-Straße (hier entstanden in vier bis 17 Stockwerke hohen Häusern nochmals rund 1000 Wohneinheiten), macht etwa zehn Prozent aus. 1964 lebten bereits 5000 Menschen auf dem Gräselberg.

1970 wurden zwei Ziegeleien stillgelegt für die Erweiterung um weitere 1100 Wohneinheiten; 2007 wurde ein neues Baugebiet für 150 bis 250 Wohneinheiten in der Gemarkung „Eichen“ zwischen Karawankenstraße und der A 643 ausgewiesen. Die Straßen wurden nach der Wiesbadener Partnerstadt Klagenfurt und ihrer alpinen Umgebung benannt.

Während in den Anfangsjahren vor allem Angehörige der Mittelschicht auf den Gräselberg gezogen waren, trat im Laufe der Zeit ein Wandel in der Zusammensetzung der Bewohner ein.

Migranten aus aller Welt zogen auf den Gräselberg. Ihr Anteil liegt mit über 40% über dem Durchschnitt von Wiesbaden (rd. 30%), auch wenn die Zugewanderten nicht, wie im Inneren Westend, das Stadtbild prägen. Dass es gewisse soziale Spannungen gibt, haben die Auseinandersetzungen um die Errichtung einer Moschee (Moscheen) in den Jahren 2006 und 2007 gezeigt. Dennoch ist der Gräselberg aus sozialer Sicht viel besser als in der Wahrnehmung seiner Bewohner.

In den ersten Jahren der neuen Siedlung wurde das Fehlen von Versorgungseinrichtungen, insbesondere einer Schule und von Kindergärten, bemängelt. Die Schulkinder mussten die Schulen in den benachbarten Stadtteilen besuchen. In mehreren Bürgerversammlungen wurde erreicht, dass Busanschlüsse geschaffen und ein Versorgungszentrum mit Apotheke, Friseur und „Konsum“ eingerichtet wurden. 1964 wurde dann endlich die Ludwig-Beck-Schule fertiggestellt. Hinzu kam 1985 die Friedrich-Bodelschwingh-Schule für Köperbehinderte (Förderschulen).

Neben der evangelischen Lukas-Gemeinde, gegründet am 1. Mai 1963, und der katholischen St. Hedwigs-Kirchengemeinde, gegründet am 10. Juli 1964, sind auf dem Gräselberg die Freie Evangelische Gemeinde, die Mormonen und die muslimische Milli-Görus-Gemeinde beheimatet.

1963 wurde der Sport Club Gräselberg gegründet, der auf eigenem Sportplatz seine Spiele austragen kann. An der Erich-Ollenhauer-Straße befindet sich das Vereinsheim des Schützenvereins Biebrich 1864 e.V. mit einer Raumschießanlage. Das Kalle-Bad ist seit 1970 nicht nur ein Anziehungspunkt für die unmittelbaren Anwohner, sondern für ganz Wiesbaden. Im Stadtteilzentrum Gräselberg werden Kinder und Jugendliche über die Woche betreut. Der Stadtteilladen in der Neuen Mitte ist ein Begegnungszentrum mit Integrationsangeboten für die Bewohner. Das „Forum Gräselberg“, ein Zusammenschluss von engagierten Bürgern, versuchte, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gräselberger zu wecken und zu stärken. Sein Ziel, ein Bürgerhaus einzurichten, konnte allerdings bislang noch nicht verwirklicht werden.

Literatur

Blick über die Siedlung, um 1970 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-1648, Urheber: Joachim B. Weber
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