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Kaiser, Hermann

Kaiser, Hermann

Pädagoge, Widerstandskämpfer

geboren: 31.05.1885 in Remscheid

gestorben: 23.01.1945 in Berlin-Plötzensee


Artikel

Hermann Kaiser verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wiesbaden. Ab 1901 lebte die Familie in Kassel, wo er auch das Abitur ablegte. Er studierte in Halle und Göttingen Mathematik, Physik Geschichte und Kunstgeschichte. Seit 1912 war er als Studienrat an der Oranienschule in Wiesbaden tätig.

Im Ersten Weltkrieg war er als Artillerieoffizier an der Westfront eingesetzt. Mehrfach wurde er wegen Tapferkeit ausgezeichnet. Seine damalige Haltung mag folgende Begebenheit darstellen. Als er einmal schwer verwundet abtransportiert wurde, bemerkte er noch, dass die Geschosse der eigenen Geschütze in die eigenen Reihen fielen. Trotz seiner Verwundung rief er „Feuer einstellen" und gab neue Positionen an. Dies führte zu einem Zusammenstoß mit einem höheren Offizier, der sich die Einmischung in seine Einheit verbat. Es kam zu einem Kriegsgerichtsverfahren, in dessen Verlauf die Frage auftauchte, wie Kaiser denn dazu komme, als Offizier den Befehl eines höheren Offiziers rückgängig zu machen. Darauf antwortete er: „Wenn ich sehe, dass meine Truppen in die eigenen Truppen schießen, dann ist es meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, einzugreifen, selbst wenn es um meinen Kopf geht."

Nach dem Krieg kehrte er nach Wiesbaden zurück. Als Pädagoge hatte er besondere Begabung für den Geschichtsunterricht, aber auch in Kunstgeschichte griff er damals schon zu modernen Formen wie Lichtbildervorträge.

Hermann Kaiser war nationalkonservativ gesonnen. Im Vordergrund stand für ihn das Wohl des Vaterlandes. Sieben Jahre setzte er sich für die Errichtung eines Denkmals für sein ehemaliges Regiments auf dem Luisenplatz in Wiesbaden ein. Am 21. Oktober 1934 wurde das Oranier-Denkmal für das „1. Nassauische Feldartellerie-Regiment Nr. 27“ eingeweiht, und es erhielt die Inschrift: „Dem Vaterland getreu bleib ich bis in den Tod." Das Denkmal zeigt keine Kanonen, sondern ein sich aufbäumendes Pferd mit wallender Mähne. In der Denkmalsrede, die er hielt, wurde nicht einmal der Name Hitlers erwähnt, was von den anwesenden Nationalsozialisten mit Argwohn registriert wurde.

Zu Beginn der 1930er-Jahre hatte er angesichts der damaligen verzweifelten wirtschaftlichen Situation zunächst Hoffnungen in die NSDAP gesetzt und war sogar Mitglied der Partei geworden. Die Begeisterung währte jedoch nicht lange, und der Wertkonservative wandte sich vom Nationalsozialismus ab. Zum inneren Bruch kam es 1934 anlässlich des Röhm-Putsches und der damaligen Morde an den Generälen Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow.

Schon in dieser Zeit sagte Kaiser zu Freunden über Hitler: „Nur beseitigen hilft." Aber er glaubte zunächst als Idealist an einen unblutigen Umsturz. Er galt in seiner Schule als unbequemer Lehrer; er grüßte nie seine Schüler mit „Heil Hitler", sondern gebrauchte damals das Wort „Heil Blücher". Mit fast unglaublicher Offenheit äußerte er vor seinen Schülern, die ihn als „Cäsar“ verehrten, seine Meinung zu Hitlers Politik. Doch verriet ihn weder ein Schüler noch ein Lehrer. Kaiser sollte sogar Dozent an der Universität in Marburg werden, aber er wurde abgelehnt, weil er damals bereits als politisch unzuverlässig galt.

1939 - nach dem Kriegsausbruch - wurde er als Hauptmann der Reserve beim Befehlshaber des Ersatzheeres in Berlin eingezogen. Er wurde Führer des Kriegstagebuchs im Stab von Generaloberst Friedrich Fromm. Jetzt schloss er sich dem Widerstand an. Er nutzte seine nach außen unauffällige Stellung im Stab zur Vermittlung zwischen zivilem und militärischem Widerstand. Es gelang ihm, zwischen Carl Goerdeler, Ludwig Beck und Erwin von Witzleben Kontakte zu knüpfen. Auch wurde er in die Planungen für den Einsatz der Truppenverbände zum Umsturz eingesetzt.

Seine oppositionelle Haltung zeigte er auch während des Krieges. Während einer Hitlerrede verließ er demonstrativ das Offizierskasino ohne eine Entschuldigung. Als ihn einmal ein Kamerad mit dem Hitlergruß begrüßte, sagte er: „Lassen Sie das, Sie kommen mir vor, wie Männer, die etwas segnen wollen, wo nichts zu segnen ist."

Den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 erlebte er in Kassel. Dort wurde er am 21. Juli verhaftet und nach Wiesbaden gebracht. Dort fand eine Wohnungsdurchsuchung statt. Der Auslöser für seine Festnahme war der Befehl der Verschwörer zu seiner Heranziehung als Verbindungsoffizier für den Wehrkreis XII Wiesbaden gewesen.

Nach einer der berüchtigten Verhandlungen vor dem Volksgerichtshof, bei denen dessen jähzorniger und brutaler Präsident Roland Freisler die Angeklagten aufs Übelste beschimpfte, - u.a. warf er Kaiser dreifachen Eidbruch vor: als Beamter, als Offizier und als Parteigenosse - wurde er am 17. Januar 1945 zum Tode verurteilt.

Als „kostbaren Zeugen" sparten die Nazi-Schergen den Wiesbadener Widerstandskämpfer auf. Am 23. Januar 1945 wurde Hermann Kaiser mit Helmuth James Graf von Moltke, Theodor Haubach und Pater Alfred Delp im Gefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.

In Wiesbaden erinnern heute zwei Gedenktafeln vor bzw. in der Oranienschule und eine Plakette am Sockel des Oranier-Denkmals auf dem Luisenplatz mit der Inschrift „Sein Lebensweg ist eine Mahnung gegen Krieg und Unmenschlichkeit“ an den unbeugsamen Widerstandskämpfer. Nunmehr sind auch seine Tagebücher herausgegeben worden. In Klarenthal ist eine Straße nach Hermann Kaiser benannt.

Literatur