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Mainzer Nebeljungenstreich

Der Abzweig der 1840 fertig gestellten Taunus-Eisenbahn zum Biebricher Rheinufer machte den Biebricher Hafen als Umschlagplatz für Kaufleute aus Frankfurt interessant. Mainzer Kaufleute, die hierdurch wirtschaftliche Einbußen erlitten, reagierten darauf mit einer Blockade der Fahrrinne. Die Schiffe sollten ihre Ladung wieder in Mainz löschen.

Details

Als „Mainzer Nebeljungenstreich“ wird ein Sabotageakt bezeichnet, mit dem Mainzer Kaufleute 1841 den Biebricher Freihafen blockierten, um sich gegen verlagernde Verkehrsströme zu wehren.

Seit 1827 bestand zwischen Köln und Mainz regelmäßiger Dampfschiffverkehr. Da die Rheinschiffe wegen ihres Tiefgangs den Main nicht befahren konnten, mussten die für Frankfurt am Main bestimmten Waren in Mainz umgeladen werden. Die Waren wurden über die Schiffsbrücke nach Kastel gebracht und von dort weiter befördert. An dieser Situation verdienten Mainzer Kaufleute.

1831 wurde von den Rheinuferstaaten die Rheinschifffahrtsakte unterzeichnet und der freie Personen- und Warenverkehr auf dem Rhein vereinbart. Jeder Anliegerstaat erhielt das Recht, einen Freihafen einzurichten, in dem Händler ihre Waren zollfrei zwischenlagern konnten. Das Herzogtum Nassau und das Großherzogtum Hessen waren Mitunterzeichner. Noch im Jahr 1831 erklärte das Herzogtum Nassau das rechtsrheinische Biebrich zum Freihafen. Mit der Errichtung einer Kaimauer am Biebricher Rheinufer wurden die Voraussetzungen für den Biebricher Hafen gelegt.

1840 wurde die Taunus-Eisenbahn (Eisenbahn) von Frankfurt nach Wiesbaden fertig gestellt. Sie hatte am Bahnhof Curve einen Abzweig zum Biebricher Rheinufer. Diese Stichstrecke machte den Warenumschlag in Biebrich für Frankfurter Kaufleute interessant, da dies den Umweg über Mainz und damit Kosten sparte.

Die Mainzer Kaufleute wollten sich aber ihre angestammte Einkunftsquelle nicht nehmen lassen. Wiederholte Eingaben bei der großherzoglichen Regierung in Darmstadt blieben erfolglos, da die neue Verkehrssituation aufgrund der Rheinschifffahrtsakte völlig rechtmäßig war. Sie beschlossen daher, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und den Zugang zum Hafen von Biebrich zu blockieren, um so den gesamten Schiffsverkehr wieder nach Mainz zu lenken.

Sie mieteten in Mannheim 70 bis 100 Neckarlastkähne und ließen sie mit 50.000 Zentnern (ca. 2.500 Tonnen) Bruchsandsteinen beladen. In der Nacht vom 28. Februar zum 1. März 1841 kippte man die Ladung zwischen zwei Rheininseln vor Biebrich in den Fluss. Dadurch wurde die nördliche Fahrrinne des Rheins zwischen der Spitze der Rheininsel Petersaue und der des „Biebricher Wörths“ (heute ein Teil der Rheininsel Rettbergsaue) unpassierbar. Die Schiffe konnten von nun an nur noch den südlichen Rheinarm befahren. Sie mussten wieder ihre Ladung in Mainz löschen. Von dort wurde sie mit Pferdefuhrwerken über die Rheinbrücke nach Kastel und vom dortigen Bahnhof der Taunus-Eisenbahn aus weiter nach Frankfurt gebracht. Eine direkte Eisenbahnverbindung von Mainz über den Rhein gab es noch nicht.

Diese rechtswidrige, die freie Schifffahrt auf dem Rhein behindernde Aktion führte zum Protest des nassauischen Staatsministeriums bei der großherzoglichen Regierung in Darmstadt mit der Forderung, das Hindernis unverzüglich entfernen zu lassen. Da der Darmstädter Ministerpräsident Karl du Thil dies ablehnte, legte das herzogliche Staatsministerium offiziell Protest bei der Bundesversammlung in Frankfurt am Main ein. Großherzog Ludwig II. von Hessen ordnete daraufhin an, zumindest einen Durchlass freizumachen.

Am 18. März wurde der Steinwall geöffnet. Drei Monate später wurde er mit Hilfe österreichischer und preußischer Soldaten der Mainzer Garnison weitgehend abgetragen. Letzte Reste verblieben aber bis 1844 im Fluss.

Der Mainzer Nebeljungenstreich fand sogar einen literarischen Niederschlag. Heinrich Heine lässt 1844 „Vater Rhein“ in „Deutschland. Ein Wintermärchen“ den Vorgang selbst kommentieren:

„Zu Biberich hab ich Steine verschluckt,

Wahrhaftig, sie schmeckten nicht lecker!

doch schwerer liegen im Magen mir

die Verse von Niklas Becker.“

Literatur