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Streuobstanbau

Streuobstbestände, wie es sie auch in verschiedenen Wiesbadener Vororten gibt, haben viele schützenswerte Funktionen. Sie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen, schützen vor Bodenerosion und haben einen hohen Erholungswert.

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Ein landschaftsprägendes Element der Wiesbadener Gemarkungen ist Streuobst. Darunter sind verstreut stehende Bäume wie Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche, Walnuss und Speierling zu verstehen. Im Gegensatz zu Plantagenobst handelt es sich um Hochstämme, deren Astgerüst in der Regel erst in etwa 1,80 Metern Höhe beginnt und die je nach Obstart bis über 100 Jahre alt werden können.

Streuobst ist in ganz Hessen gefährdet, weshalb dieser Lebensraum gesetzlichen Schutz genießt. Streuobstbestände haben viele schützenswerte Funktionen: Sie wirken sich positiv auf das Kleinklima aus, haben einen hohen Erholungswert, verhindern die Bodenerosion und sind einer der artenreichsten Lebensräume unserer Breiten. Über 5.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten sind im Lebensraum Streuobst nachgewiesen.

Auch ernährungsphysiologisch sind Streuobstbestände inzwischen als wertvoll anerkannt. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass gerade der Saft der alten Keltersorten hinsichtlich der in ihm enthaltenen Antioxidantien den Gehalten im Rotwein in nichts nachsteht.

Im Stadtgebiet Wiesbaden gibt es nach einer Auswertung des Jahres 2007 noch 676 Hektar Streuobst, was einem Anteil von 3,3 % des Stadtgebiets entspricht. Der Bestand an Streuobstflächen ist seit Jahrzehnten rückläufig. Dies ist vor allem darin begründet, dass eine Nutzung und die damit verbundene Pflege weitestgehend unterbleiben und abgängige Bäume häufig nicht ersetzt werden. In Zeiten, in denen häufig Apfelsäfte mit preiswertem Apfelkonzentrat aus China hergestellt werden, ist der Preis für heimisches Kelterobst seit Jahren auf sehr niedrigem Niveau. Die Vergütung eines Doppelzentners Äpfel mit 7 bis 7,50 Euro bieten den Bewirtschaftern von Streuobstwiesen keinen Anreiz, ihre Bäume und Wiesen weiterhin zu pflegen und das Obst zu ernten.

Der Streuobstkreis Wiesbaden e.V., ein gemeinnütziger Verein, hat sich dem Erhalt des Streuobstes in Wiesbaden verschrieben. Bei einer vom Verein im Jahr 2008 vergebenen Sortenkartierung in den bedeutenden Streuobstbeständen der östlichen Stadtteile BreckenheimRambachHeßloch und Sonnenberg wurden fast 3.000 Bäume untersucht. Obstbäume im Alter von 1 bis 60 Jahren hatten einen Anteil von lediglich 38 %, die über 60-jährigen Altbäume, die Baumruinen und die bereits abgestorbenen Obstbäume machten fast zwei Drittel des Streuobstes aus. Mit dessen Wegfall im kommenden Jahrzehnt wird sich das so typische Landschaftsbild verändern.

Obwohl die Sortenkartierung nur Teile des Wiesbadener Streuobstes umfasste, konnte eine Vielzahl teils seltener Obstsorten erfasst werden. So fanden sich beispielsweise mehrere Exemplare einer regionalen Apfelsorte, dem Kloppenheimer Streifling. Dieser wurde 1854 erstmals beschrieben und ist nach dem Wiesbadener Vorort benannt.

Maßgebliche Obstart der östlichen Ortsteile ist der Apfel, wobei Kelterobst vor Tafelobst dominiert. Die vorherrschende Nutzung bestand dort in der Erzeugung von Apfelwein, was traditionell noch heute, wenn auch in geringerem Maße, praktiziert wird.

Im westlichen Ortsteil Frauenstein ist dagegen die Süßkirsche dominierend. Frauensteiner Kirschen sind ein Begriff und werden häufig an Straßenständen direkt vermarktet. Aber auch im östlichen Ortsteil Kloppenheim hat die Kirsche eine Bedeutung, was sich im erhöhten Anteil an Kirschbäumen in den Streuobstbeständen widerspiegelt. In Breckenheim ist dagegen die Birne zu erwähnen. So hat die Sortenkartierung dort 22 Birnensorten festgestellt, wovon eine Vielzahl Mostbirnen sind.

Der Streuobstkreis Wiesbaden e.V. versucht, durch zahlreiche Aktionen wie Obstbaumschnittkurse, Produktverkostungen regionaler Erzeuger, Führungen, Schulprojekte, Kelterfeste, Sortenausstellungen und Pflegeaktionen zum Erhalt des Streuobstes beizutragen. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch ein im Jahr 2004 eingeweihter Sortengarten im Ortsteil Medenbach, wo Ende 2021 auf etwa 1,3 Hektar Fläche über 210 ausgeschilderte Bäume stehen, die über 150 verschiedenen Obstsorten zuzuordnen sind. Hier finden sich weitere regionale Apfelsorten, die Wiesbadener Vororte im Namen führen: Auringer Bohnapfel, Schöner aus Schierstein, Rambacher, Nauroder Streifling und Igstadter Bohnapfel. Auch eine als Auringer Winterbirne in der Region benannte Birnensorte wird dort erhalten.

Nach den als verschollen geltenden Apfelsorten Biebricher Weinapfel, Dotzheimer Zitronenapfel, Heßlocher Streifling, Nordenstädter Streifling und Roter Nordenstädter sucht der Verein.

Frucht der lokalen Apfelsorte Kloppenheimer Streifling. wiesbaden.de/ Urheber: Ulrich Kaiser
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