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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung e.V.

2012 konnte der Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung sein 200-jähriges Bestehen feiern. Zu seinen Initiatoren gehörten 1812 der Pfarrer Johann Christian Reinhard Luja sowie der Hofkammerrat Christian Friedrich Habel.

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Der Verein ist aus dem Wunsch entstanden, in dem 1806 als napoleonischer Vasallenstaat errichteten Herzogtum Nassau ein Forum für die Erforschung der römischen und deutschen Altertümer zu schaffen. Zugleich sollte damit dem jungen Staatswesen zu einer historischen Legitimationsgrundlage verholfen werden. Zu den Initiatoren gehörten der in Wiesbaden geborene Pfarrer Johann Christian Reinhard Luja sowie der Hofkammerrat Christian Friedrich Habel aus Wiesbaden-Schierstein. Gemeinsam mit dem Frankfurter Gelehrten und Kunstsammler Johann Isaak von Gerning arbeitete Habel einen Entwurf für die Vereinsstatuten aus. Sie trugen die Bezeichnung „Grundgesetze der Alterthums-Gesellschaft für das Herzogthum Nassau“, waren auf den 2. November 1812 datiert und können als Gründungsurkunde des Vereins gelten. Im April des folgenden Jahres erhielten sie das landesherrliche Plazet.

Die Niederlage Napoleons, weitere Grenzverschiebungen und der staatliche Neuaufbau Nassaus im Deutschen Bund führten dann jedoch zu einer längeren Unterbrechung, so dass der Gründungsprozess erst neun Jahre später zum Abschluss kam. Die Satzung wurde nochmals überarbeitet und in der veränderten Form am 30. August 1820 vom Herzog genehmigt. Am 5. Dezember 1821 fand die formelle Konstituierung statt.

Die Vereinstätigkeit konzentrierte sich anfangs vornehmlich auf archäologische Ausgrabungen und die Sicherung kulturhistorisch wertvoller Objekte. Die Fundstücke wurden im ehemaligen Erbprinzenpalais an der Wilhelmstraße zusammengeführt und bilden den Grundstock der Sammlung Nassauischer Altertümer. In den 1840er-Jahren rückte dann verstärkt auch die Auswertung archivalischer Quellen ins Blickfeld, so dass von da an die Beschäftigung mit der mittelalterlichen und neuzeitlichen Landesgeschichte einen immer breiteren Raum einnahm. Seit 1827 gab der Verein die Nassauischen Annalen heraus.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist durch eine zunehmende organisatorische Differenzierung gekennzeichnet. 1851 entstanden Sektionen für die Erforschung römischer Altertümer, für Siegelkunde und für Denkmäler des Mittelalters. 1861 kam eine Sektion für Landesgeschichte hinzu. Gleichzeitig löste sich das Museum immer mehr aus der Selbstverwaltung des Vereins. 1858 wurde die Leitung des Museums einem staatlich besoldeten Konservator übertragen. 1897 konstituierte sich in Anknüpfung an die frühere Sektionsbildung die bis heute tätige Historische Kommission für Nassau. Kurz nach der Jahrhundertwende schließlich verlor der Verein auch seine unmittelbare Zuständigkeit für die Denkmalpflege, die 1902 in den Geschäftsbereich des Kommunalverbands des Regierungsbezirks Wiesbaden überging. Personell wurde der Zeitabschnitt hauptsächlich durch den Gymnasialprofessor Johann Heinrich Karl Rossel und den Konservator Karl August von Cohausen geprägt. Als Vereinsdirektoren fungierten zeitweise prominente Politiker wie der Führer der Nassauischen Liberalen Karl Joseph Wilhelm Braun (1861-67) und der Revolutionsminister Jakob Ludwig Philipp August Franz Hergenhahn (1872-1874).

Nach dem Abbau seiner halbstaatlichen Funktionen wandte sich der Verein im 20. Jahrhundert verstärkt der Breitenarbeit zu. Eine allgemeine Zeitströmung aufgreifend, räumte er der Pflege des Heimatgedankens nun einen bevorzugten Platz ein. Neben die Nassauischen Annalen traten als volkstümliches Pendant die Nassauischen Heimatblätter. In die gleiche Richtung weisen das zunehmende Interesse an der Volkskunde und die Gründung von Ortsgruppen. Die regionalgeschichtliche Forschung blieb jedoch auch weiterhin ein zentrales Aufgabenfeld. Die neu gefasste Satzung von 1921 deklarierte die Unterstützung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Vergangenheit ausdrücklich als Vereinszweck. Bereits seit den 1850er-Jahren hat der Verein Vorträge veranstaltet und seit den 1880er-Jahren zunehmend zugleich Ausflüge organisiert. Nun werden diese Aktivitäten erstmals auch in systematischer Form als Mittel der praktischen Vereinsarbeit genannt.

Einer politischen Parteinahme ist der Verein strikt aus dem Weg gegangen. Nicht vermeiden ließen sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten einige Zugeständnisse formaler Art. So musste die Satzung um den Passus ergänzt werden, dass der Verein seine Forschungen „auf nationaler Grundlage“ betreibe. Ebenso hatten dem Vorstand nun mindestens vier Mitglieder der NSDAP oder verwandter Organisationen anzugehören. Sowohl die Vorträge wie die Veröffentlichungen konnten jedoch frei von nationalsozialistischer Propaganda gehalten werden.

Der Verein hatte daher keine Schwierigkeit, seine Tätigkeit über den Zusammenbruch von 1945 hinaus kontinuierlich fortzusetzen. Bereits im November 1945 berief Museumsdirektor Ferdinand Kutsch, der in Nachfolge des Geheimen Archivrats Paul Wagner seit 1932 als Vorsitzender amtierte, die erste Vorstandssitzung ein. Am 8. Juni 1946 erlangte der Verein die für sein öffentliches Wirken notwendige Lizenz der Militärregierung. Probleme bereitete die Aufteilung des Vereinsgebiets auf zwei Besatzungszonen und dann die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz. Gerade hieraus erwuchs aber auch eine besondere Motivation. Als Sachwalter der landesgeschichtlichen Forschung in den ehemals nassauischen Gebieten ist der Verein bemüht, seine Arbeit grenzüberschreitend weiterhin aufrechtzuerhalten. Bis heute bestehen Zweigvereine sowohl auf der hessischen wie auf der rheinland-pfälzischen Seite.

Am 20. Mai 2012 feierte der Verein mit einem Festakt im Christian-Zais-Saal des Wiesbadener Kurhauses sein 200-jähriges Bestehen. Dem Hauptverein gehören z. Zt. 950, den Zweigvereinen rund 500 Mitglieder an. Von den Nassauischen Annalen erscheint 2013 der 124. Band.

Literatur



Verweise