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Amtskette des Oberbürgermeisters

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Ein kaiserliches „Gnadengeschenk“: Die Amtskette von 1897

Die älteste Wiesbadener Amtskette ist ein Geschenk Kaiser Wilhelms II. Im Mai 1897 erteilte das preußische Hofmarschallamt dem Direktor der Straßburger Kunstgewerbe-Schule, Prof. Anton Seder, den Auftrag, für Wiesbaden eine goldene Amtskette im Wert von etwa 5.000 Mark anzufertigen. Seders Entwurf wurde von dem Münchner Hofgoldschmied Theodor Heiden umgesetzt.

Das prunkvolle, rund 1.500 g schwere Geschmeide stellt den stilisierten, historistisch nachempfundenen Limes mit Palisadenzaun und Wachttürmen als Gliedern dar. Besonders aufwendig mit Edelsteinen geschmückt ist der Brustteil, der als übergiebelter Brunnenbau gestaltet ist und damit auf die Bedeutung Wiesbadens als Thermalbad schon in röm. Zeit verweist. Den unteren Abschluss bildet ein von zwei Adlern flankierter Anhänger mit dem Profilbildnis Kaiser Wilhelms II. und den Inschriften „WILHELM IMPERATOR“ und „REX.GERMAN“ [„Wilhelm deutscher Kaiser und König“]. Das Rückenteil der Kette ist in Form eines Stadttores mit zwei Wachttürmen, Torbogen und Zinnenkränzen sowie dem städt. Wappen gestaltet; es trägt die Inschrift „SENAT[US] POP[ULUS]QU[E] MATTIA“ [„Der Senat und das Volk von Wiesbaden“]. Auf der Rückseite wird auf die beiden Künstler verwiesen: „fecit/Th. Heiden/München“ und „invenit/A. Seder/Straßburg“.

Am 18.10.1897 wurde das »Gnadengeschenk« Oberbürgermeister Karl Bernhard von Ibell im Schloss durch den Kaiser persönlich überreicht. Kaiser Wilhelm behielt sich bis zu seiner Abdankung das Recht vor, dem jeweiligen Bürgermeister das Tragen der Kette zu genehmigen, ein Recht, das z. B. 1913 dem Oberbürgermeister Karl Glässing zunächst verwehrt wurde. 1917 ließ er allen zum Tragen goldener Amtsinsignien Berechtigten mitteilen, dass sie, falls sie diese der Goldsammlung der Reichsbank zuführen wollten, bis auf Weiteres Ketten aus Eisen oder anderen Kriegsmetallen mit denselben Inschriften tragen dürften. Als die Wiesbadener daraufhin die Amtskette einschmelzen lassen wollten, stellte sich heraus, dass sie keineswegs, wie bislang angenommen, aus Gold, sondern aus vergoldetem Silber gefertigt war. Dieser Tatsache ist zu verdanken, dass die Amtskette bis heute erhalten geblieben ist.

Ein langer Weg zu einer neuen Amtskette

Bereits Ende der 1930er-Jahre hat das städtische Hauptamt den Vorschlag gemacht, die vorhandene Amtskette des Wiesbadener Oberbürgermeisters durch eine neue Kette zu ersetzen, weil die im Jahr 1897 von Kaiser Wilhelm II. gestiftete Kette nach Form und Inhalt neuzeitlichen Anschauungen nicht mehr entsprach und auch das Tragen der Kette nur mit Hilfe besonderer Tragevorrichtungen möglich war. In Wiesbaden war die alte Amtskette auch aus diesem Grund seit 1918 nicht mehr offiziell genutzt worden. Zudem stieß sich das nationalsozialistische Innenministerium daran, dass noch Amtsketten mit dem Konterfei des Kaisers, mithin mit Insignien des „alten Reiches“ in der Benutzung waren und untersagte deren Benutzung.

Der Ausbruch des Krieges verhinderte die Durchführung des Vorschlags. Ende des Jahres 1949 griff das Hauptamt die Angelegenheit wieder auf und legte dem Magistrat einen entsprechenden Antrag vor, der auch grundsätzlich gebilligt wurde. Aus den Kreisen der ehrenamtlichen Mitglieder des Magistrates wurde angeregt, mit den Kosten zur Anfertigung der Amtskette nicht die Stadt zu belasten, sondern nach Möglichkeit die Mittel aus Kreisen der Bürgerschaft durch Spenden aufzubringen. Dieser Gedanke wurde in die Tat umgesetzt durch eine von den ehrenamtlichen Stadträten Bachmann, Gitter, Glücklich und Schneider in die Wege geleiteten Sammlung. Der von diesen Herren unterzeichnete Aufruf richtete sich in erster Linie an die Kreise von Industrie, Handel und Handwerk. Der aufzuwendende Betrag wurde in fast voller Höhe gespendet; er bedeutete nicht zuletzt eine Anerkennung der geleisteten Wiederaufbauarbeit.

Die Gestaltung und Ausführung der Amtskette nahm längere Zeit in Anspruch, weil man erst über verschiedene Ideen und Entwürfe hinaus schließlich zu dem endgültigen Vorschlag kam, die Kette aus Originalmünzen zu gestalten, die die geschichtliche Entwicklung Wiesbadens dokumentieren. Dieser Vorschlag erfolgte nach einer Rücksprache des Direktors der Werkkunstschule Weber mit der bekannten Goldschmiedemeisterin Elisabeth Treskow aus Köln und wurde vom Magistrat in seiner Sitzung vom 11. November 1955 gebilligt, unter gleichzeitiger Anordnung, die für die Kette benötigten Münzen aus den Beständen des Museums zu entnehmen. Da die benötigten Münzen nicht alle in der Münzsammlung des städtischen Museums vorhanden waren, war es notwendig, einige fehlende Stücke anzukaufen, was ebenfalls längere Zeit in Anspruch nahm.

Den Entwurf der Amtskette schuf dann 1956 auf Wunsch des Magistrats der Direktor der Werkkunstschule Vincent Weber. Die kunsthandwerkliche Ausführung erfolgte durch den Wiesbadener Goldschmiedemeister Carl Struck, der neben uneigennütziger Arbeit den Lapislazuli (Lasurstein) und eine Münze stiftete.

Mit Ausnahme von zwei silbernen Münzen zeigt die Kette nur Goldmünzen. Die Reihe der Münzen wird durch zwei originalgetreue Nachbildungen fränkischer Fibeln (Gewandnadeln) mit Almadineinlagen (Granatstein) unterbrochen. Zur Fassung der einzelnen Münzen dient jeweils eine runde Hohlkehle, die an den Rändern durch hochglanzpolierte Vierkantdrähte abgesetzt ist. Die einzelnen Münzen sind so auf gepunzte Goldplatten aufgesetzt, dass die Rückseite der Münzen sichtbar bleibt. Die einzelnen Münzglieder der Kette sind durch Ösen jedesmal mit einem kleineren Kettenglied verbunden, das aus einem vierkantgewalzten Golddraht besteht, der in der Mitte eine Wiesbadener Lilie zeigt. Als Anhänger der Kette wurde das Wiesbadener Stadtwappen in der gleichen technischen Ausführung wie die Münzglieder angefertigt und zeigt in der Mitte auf dem echten Lapislazuli die drei goldenen Lilien der Stadt. Die ganze Kette ist in 585/000 Gold gearbeitet.

Das unterste Münzbild zeigt den römischen Feldherrn Drusus Germanicus (38 bis neun vor Christus), unter dem in der augustäischen Zeit die römischen Offensivkriege gegen Germanien bis zur Elbe durchgeführt wurden. In diese Zeit (wohl zwölf vor Christus) fällt die Errichtung des ersten Erdkastelle auf dem Heidenberg. - Vom Beschauer aus rechts folgt als zweites Münzbild, das des Kaisers Tiberius (14 bis 37 nach Christus), unter dem erneut Kämpfe gegen Germanien stattfanden. Die zweite Münze zeigt das Bild des Kaisers Domitian (81 bis 96 nach Christus), in dessen Regierungszeit die Anlage des römischen Steinkastells auf dem Heidenberg fällt. Die dritte Münze bringt das Bild des Kaisers Hadrian (117 bis 138), unter dem im Verlauf der Neuorientierung der Grenzverteidigung 121/22 die Garnison des Wiesbadener Kastelle auf die Saalburg verlegt und Wiesbaden (Aquae Mattiacorum) eine offene bürgerliche Stadt wurde. Auf der gegenüberliegenden Seite zeigt die dritte Münze Kaiser Valentinian I. (364 bis 375).

Je eine fränkische Scheibenfibel deutet als Glied vier die Zeit der Franken an. Als fünftes großes Kettenglied folgt eine Münze aus der Zeit Karls des Großen (768 bis 814). Von Karls Biograph Einhard, der 829 im „castrum Wisibada“ übernachtete, stammt die erste Überlieferung des deutschen Namens von Wiesbaden.

Die fünfte Münze zeigt einen stilisierten Reichsadler auf einer Münze aus der Zeit Kaiser Friedrich II., des großen Stauferkaisers, der 1236 mit seiner dritten Gemahlin, Isabella von England, das Pfingstfest in Wiesbaden feierte und in dessen Regierungszeit Wiesbaden als Reichsstadt genannt wird. Das sechste Münzbild auf der linken Seite der Kette – in Silber – stammt aus der Regierungszeit des Grafen Johann Ludwig I. von Nassau (1568-1596), der 1592 der Stadt Wiesbaden einen Freiheitsbrief ausstellte und in der Stadt das Neue Schloss erbaute. Die silberne sechste Münze auf der rechten Seite ist ein Denar Kaiser Ottos I. (936-973), der im Jahr 965 Wiesbaden, wohl wegen der Mauritiuskirche, besuchte.

Die folgende, siebente Münze links geht auf Graf Walram II. von Nassau (1370-1393) zurück, von dem der erste bekannte Freiheitsbrief für Wiesbaden herrührt. Die siebte Münze stammt aus der Zeit Graf Gerlachs von Nassau (1285-1361). Nach Niederlegung der Regierung im Jahr 1344 lebte er bis zu seinem Tode im Jahr 1361 auf Burg Sonnenberg. Es folgt, als achtes Münzglied, eine Münze Rupperts von Sonnenberg (1355-1390), auf der anderen Seite das Münzbild des nassauischen Herzogs Wilhelm (1816-1839), der die Gesamtlande Nassau in seiner Hand vereinigte, und dessen Andenken die nach ihm benannte Wilhelmstraße wachhält. Abschlussglied der Kette ist ein Goldstück mit dem Bild Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) als Vertreter der Hohenzollerndynastie.

Literatur

Koch, Michael; Weidisch, Peter (Hrsg.): Theodor Heiden, Königlich bayerischer Hofgoldschmied, Würzburg 1997, S. 63/64.
Neese, Bernd-Michael: Der Kaiser kommt! Wilhelm I. und Wilhelm II. in Wiesbaden, Wiesbaden 2000, S. 48 f.