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Berufliches Schulwesen

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In Wiesbaden besuchen mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler die fünf beruflichen Schulen. Die Angebote decken den Metall- und Elektrobereich, Ernährung und Hauswirtschaft, Gesundheit, Textiltechnik und Sozialpädagogik, Bau-, Holz-, Chemie- und Drucktechnik, Körperpflege und Raumgestaltung sowie den kaufmännischen Bereich ab. Ein Vorläufer des Beruflichen Schulwesens ist die 1817 in Wiesbaden entstandene Abend- und Sonntagsschule, deren inhaltlicher Schwerpunkt noch auf den allgemein bildenden Fächern lag.

Eine wichtige Initiative zur beruflichen Bildung ging von privaten Vereinen aus. Handwerkervereine boten insbesondere für die Söhne von Handwerksmeistern Kurse in Fachzeichnen und Geschäftsrechnen an. Der Nassauische Verein für Naturkunde organisierte Vorträge, ab 1834 betrieb der Landwirtschaftliche Verein Nassaus die Landwirtschaftsschule Hof Geisberg.

Der 1843 entstandene Gewerbeverein für Nassau eröffnete am 01.12.1845 in der Schule am Markt mit zunächst 150 Schülern eine Gewerbeschule, eine der ersten in Deutschland überhaupt. Dem 1845 gegründeten Lokal-Gewerbeverein wurde 1848 die Leitung der Schule übertragen. 1881 stellte die Stadt ein Gebäude in der Wellritzstraße zur Verfügung. Der Bau dieser Gewerbeschule, die für genau 100 Jahre ihrem Zweck diente, war vor allem der Tatkraft Christian Gaabs zu danken, dem langjährigem Vorsitzenden des Local-Gewerbevereins.

Der 1872 gegründete Volksbildungsverein richtete 1873 eine Fortbildungsschule für Mädchen ein, die er bis zur Gründung der städtischen Fortbildungsschule 1901 unterhielt. Auf Initiative der Firma Dyckerhoff & Söhne geht die Gründung der Haushaltungsschule Biebrich für Töchter aus ihrer Arbeiterschaft 1889 zurück.

1897 führte Wiesbaden für gewerbliche Jugendliche den Fortbildungsunterricht verpflichtend ein. Seitdem wurden in der Gewerbeschule zwei Schulformen nebeneinander angeboten, die obligatorische Fortbildungs- und die freiwillige Gewerbeschule, die sich später zur Werkkunstschule entwickelte. Im kaufmännischen Bereich wurde die Lücke im öffentlichen Schulwesen zunächst durch eine 1852 eröffnete Handels- und Gewerbeschule ausgefüllt. Auf Antrag des Kaufmännischen Vereins verkündete Oberbürgermeister Karl Bernhard von Ibell am 11.12.1901 das Ortsstatut für die obligatorische kaufmännische Fortbildungsschule. Zum Besuch waren alle in Wiesbaden »sich regelmäßig aufhaltenden Angestellten beiderlei Geschlechts in Wiesbadener Handelsgeschäften, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verpflichtet«. Am 22.04.1902 eröffnete die Schule. Träger waren das Land Preußen, Wiesbaden und die Handelskammer. Der Unterricht für die Schüler fand in der Lehrstraßen-Schule und am Schulberg, der für die Schülerinnen in der Höheren Mädchenschule am Schlossplatz statt, und zwar nachmittags und an den Abenden.

1920 wurde unter Federführung von Georg Kerschensteiner ein Reichsberufsschulgesetz erarbeitet und die wenig differenzierten Fortbildungsschulen in fachlich auf die jeweiligen Berufe ausgerichtete Berufsschulen umgewandelt. Der bislang übliche Abend- wurde auf Tagesunterricht umgestellt. Für die Lehrkräfte wurden berufspädagogische Studiengänge entwickelt.

1921 wurde die kaufmännische Fortbildungsschule in »Städtische Handelslehranstalten« umbenannt. Es gab drei Abteilungen: Kaufmännische Berufsschule, Handelsschule und Höhere Handelsschule. Schwerpunktmäßig fand der Unterricht in der Dotzheimer Straße 9 statt (späterer grauer und roter Bau der Elly-Heuss-Schule). Erst 1938 konnten die Städtischen Handelslehranstalten in der Manteuffelstraße 12 ein eigenes Gebäude beziehen.

Zur 1921 eingerichteten Frauenfachschule, die zusammen mit dem Lyceum II am Boseplatz untergebracht war, gehörten auch eine Haushaltungsschule, eine Kinderpflegerinnen- sowie die hauswirtschaftliche Berufsschule. 1930 werden die hauswirtschaftliche Berufs- und die hauswirtschaftliche Vollzeitschule zu einer eigenen Schule zusammengefasst, die 1932 in die Bleichstraße (heute Sitz des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule) umzog, 1939 erweitert um die Frauenfachschule.

1956 wurde zunächst die Gewerbeschule geteilt. An der Welfenstraße entstand die Kerschensteinerschule als erste Einrichtung des geplanten Berufsschulzentrums. Sukzessiv wurde die Berufsschule mit den Berufsfeldern Bau-, Holz- und Drucktechnik, Chemie, Physik, Biologie, Körperpflege, Farbtechnik und Raum- sowie Mediengestaltung ergänzt durch Berufsgrundbildungsjahr, zweijährige Berufsfachschule, Berufsaufbauschule, die Fachoberschule mit den Fachrichtungen Gestaltung, Bautechnik und chemisch-physikalische Technik, Chemietechnik sowie die Malerfachschule. 1961 zog die Kaufmännische Berufsschule an die Welfenstraße und erhielt den Namen Schulze-Delitzsch-Schule. Später wurde sie ergänzt durch die Fachoberschule mit Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung sowie Wirtschaftsinformatik, die Fachschule für Betriebswirtschaft und die ein- bzw. zweijährige Höhere Berufsfachschule (Bürowirtschaft und Fremdsprachensekretariat).

Die zunächst noch an der Manteuffelstraße verbliebene Friedrich-List-Schule mit Wirtschaftsoberschule, Wirtschaftsgymnasium und Berufsfachschulen zog 1968 ebenfalls in die Brunhildenstraße. Das Unterrichtsangebot umfasst heute das Berufliche Gymnasium mit den Fachrichtungen Wirtschaft, Datenverarbeitungs-, Chemie- und Elektrotechnik, Gesundheit sowie Gestaltungs- und Medientechnik, die zweijährige Höhere Berufsfachschule für Informationsverarbeitung, die zweijährige Berufsfachschule für Wirtschaft und diverse kaufmännische Ausbildungsberufe der Berufsschule.

Die an der Wellritzstraße verbliebene Gewerbeschule 1 erhielt den Namen Friedrich-Ebert-Schule und bietet die Berufsfelder Metall-, Elektro-, Informations- und Veranstaltungstechnik sowie diverse Vollzeitschulformen wie auch Weiterbildungsangebote. Die Schule zog 1981 in das Berufsschulzentrum.

Als letzte der fünf beruflichen Schulen zog die hauswirtschaftliche Berufsschule, seit 1961 Louise-Schroeder-Schule, 1988 in das Berufsschulzentrum an die Balthasar-Neumann-Straße. Das Berufsfeld Ernährung/Hauswirtschaft wurde ergänzt durch Gesundheit, Textiltechnik und Bekleidung, Sozialpädagogik sowie Agrarwirtschaft.

Literatur

Struck, Wolf-Heino: Wiesbaden als nassauische Landeshauptstadt. Teil II: Wiesbaden im Biedermeier (1818–1866), Wiesbaden 1981 (Geschichte der Stadt Wiesbaden Bd. 5).

Bildung für alle. Kulturleben und Bildungsstreben in Wiesbaden seit 1800. Hrsg.: Volkshochschule Wiesbaden, Wiesbaden 2000.