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Dern'sches Gelände

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Das Dern’sche Gelände erstreckt sich seitlich der Friedrichstraße zwischen Markt- und De-Laspée-Straße. An seiner Rückseite wird es begrenzt durch das neue Rathaus und die Marktkirche, an den Seiten von Wohn- und Geschäftshäusern. 

1868 hatte die Stadt Wiesbaden von den Erben des Oberforstrats Carl-Reinhard Dern den Koppensteiner Hof am Marktplatz 18 gekauft, um darin die Bürgermeisterei einzurichten. Dahinter lagen die weitläufigen Koppensteinischen Gärten – Relikte des herrschaftlichen Gartens der nassauischen Zeit. Seit den 1870er-Jahren gab es Überlegungen das Dern’sche Gelände zu bebauen. Der Plan des Baurats Lemcke, das neue Theater auf dem Dern’schen Gelände zu errichten, stieß jedoch auf Widerstand, der Theaterneubau erfolgte im Anschluss an die Kolonnade. Prof. Georg von Hauberrisser, der Architekt des neuen Rathauses, empfahl den Bau einer Markthalle. Dieses Projekt wurde im April 1894 verworfen. Stadtbaurat Felix Genzmer legte mehrere Pläne zur Gestaltung des Marktplatzes und auch zur »Bebauung des Innenstadtzentrums« in seiner Gesamtheit vor, von denen schließlich 1898 die zur Errichtung der Marktanlage beschlossen wurde. Die nicht verwirklichten Projekte der vorletzten Jahrhundertwende ähnelten denen des ausgehenden 20. Jahrhunderts: Markthalle, Museum, Häuserzeile. Das Dern’sche Gelände gab reichlich Stoff für Büttenreden und satirische Beiträge. Auch die Anlage einer Kneipp-Kuranlage wurde vorgeschlagen. Die Häuser an der Friedrichstraße wurden teils im Zweiten Weltkrieg zerstört, teils in den 1960er-Jahren abgerissen. Den Stadtvätern schwebte in dieser Zeit ein fünfgeschossiges Parkhaus vor. Das Gelände selbst wurde bis in die 1990er-Jahre als Parkplatz mit Tankstelle benutzt.

Ein Behördenhochhaus – nach den Plänen von Prof. Ernst May –, Hotel, Stadtmuseum, Kunst- und Musikschule, das waren die Ideen der Folgejahre. Anfang der 1990er-Jahre kamen die Planungen in ein ernsteres Stadium. Eine wenig umstrittene Tiefgarage wurde im Sommer 1993 in Betrieb genommen. Dies war jedoch eine Vorentscheidung: Die von der Bürgerschaft in Umfragen immer wieder gewünschte Bepflanzung war aufgrund der nun fast nicht mehr vorhandenen Humusschicht höchstens noch in den Randbereichen möglich. Bei einem von der Stadt Wiesbaden ausgeschriebenen Wettbewerb siegte der Entwurf des Hamburger Architektenbüros von Prof. Peter Schweger, der im Kern den Bau einer Kunst- und Musikschule vorsah und eine heftige Diskussion auslöste.

Der Wiesbadener Schriftsteller und spätere Stadtverordnete Michael von Poser bildete mit Gleichgesinnten eine Initiative für ein Bürgerbegehren. In einer Gegeninitiative »Pro« für die Bebauung des Dern’sches Gelände nach den Plänen von Schweger spielte der damalige OB Achim Exner eine führende Rolle. Am 11.12.1994 stimmten schließlich 57.551 Bürger – das waren 85 % der abgegebenen Stimmen – gegen den Beschluss der Stadtverordneten und erzwangen so die Aufgabe der Bebauungspläne. Das Stadtparlament ließ das Gelände so herrichten wie es sich heute darstellt. Die alte Marktanlage mit dem Marktkeller wurde restauriert und ein Gebäude mit Café errichtet. Auf dem Gelände findet mittwochs und samstags der Wiesbadener Wochenmarkt statt. Es bietet Platz für verschiedene Veranstaltungen unter freiem Himmel, so auch in der Rheingauer Weinwoche im August.

Literatur

Forßbohm, Brigitte: Wiesbadens liebstes Problemkind: Das Dernsche Gelände. In: Wiesbaden zu Fuß [S. 70 f.].

Müller-Werth, Herbert: Geschichte und Kommunalpolitik der Stadt Wiesbaden unter besonderer Berücksichtigung der letzten 150 Jahre, Wiesbaden 1963 [S. 104 f.].