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Druckereien

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1769 erhielten der Faktor (Meister) der Darmstädter Hof- und Kanzleibuchdruckerei, Johannes Schirmer, und sein Stiefsohn Johann Gerhard das Privileg eine Offizin in Wiesbaden einzurichten. Auf drei Pressen druckte Schirmer mit etwa zehn Mann Religions- und Schulbücher wie Bibeln, Evangelien, Psalter, Katechismen, Gesang- und Gebetbücher, Erbauungsschriften und Traktate, ABC- und Lesebücher sowie die Veröffentlichungen des Hofes und der Regierung. Auch den früher bedeutenden deutschlandweit verbreiteten Kalender »Teutscher Michel« durften sie drucken und vertreiben. Dazu kam ab 1770 als erste periodische Schrift des Landes das Wochenblatt. 1790 sahen sich Schirmer und Gerhard gezwungen, den Betrieb zu verkleinern. Sein Hauptgeschäft machte Schirmer mit den mehr und mehr aufkommenden Gelegenheitsdrucksachen zu Verlobungen, Hochzeiten, Kindtaufen, Todesfällen und ähnlichen Anlässen. Die Schirmer’sche Druckerei ging 1781 mit allen Privilegien durch Kauf an Johann Heinrich Frey aus Igstadt über.

Zum Zeitpunkt der Gründung des Herzogtums Nassau (1806) existierten im gesamten Lande neben Frey noch vier Druckereien. Mit dem Größerwerden des Landes, das als Herzogtum jetzt auf ca. 5.520 km2 etwa 270.000 Einwohner zählte, wuchs auch die Bürokratie. Die Verordnungen und Anweisungen an die 49 Ämter und 1.150 Gemeinden konnten nicht mehr mit dem Federkiel und der Kapazität der Buchdruckerei Frey bewältigt werden. Der Hofbuchhändler Ludwig Schellenberg erhielt das Privileg zur Einrichtung von Wiesbadens zweiter Druckerei. Frey wurde mit dem prestigeträchtigen Titel »Hofbuchdruckerei« bedacht.

Die Schellenberg’sche Druckerei, die in ein Bürgerhaus in der Langgasse einzog, wo sich heute das Pressehaus präsentiert, war mit drei, bald vier Pressen von Anbeginn an Nassaus größte Druckerei. Es waren für die öffentliche Hand zahlreiche Formulare zu drucken, die von den Amtmännern und Schultheißen zur Bewältigung der Bürokratie benötigt wurden. Alleine für die 1808 eingeführte Wehrpflicht mussten Listen für die Erfassung der Wehrpflichtigen in den Gemeinden, die ämterweise Zusammenfassung, die Musterungen, die Stammrollen und schließlich die Erfassungsbögen für Fahnenflüchtige gedruckt werden. Einen gewaltigen Verbrauch an Formularen verursachte die 1809 eingeführte Steuerreform. 1819 verkaufte die Witwe Frey die Druckerei an Ernst Enders, den Titel Hofbuchdruckerei reklamierte bei dieser Gelegenheit mit Erfolg Schellenberg für sich.

Neugründungen folgten nun in rascherer Folge. Die Einführung der Gewerbefreiheit (1819) hatte den Start wesentlich vereinfacht. Mit Friedrich Wilhelm Ludwig Frank etablierte sich bereits 1819 ein weiterer Drucker in Wiesbaden, dessen Geschäft aber mit seinem Tod bereits ein Jahr später erlosch. Ab 1826 ist die Druckerei von L. Riedel in Wiesbaden festzustellen und 1833 eröffnete der Gastwirt Andreas Stein eine weitere. Es folgte 1839 der Papiergroßhändler Anton Scholz und 1844 P. J. Knefeli, der mit seiner Druckerei von Biebrich nach Wiesbaden zog. 1847 gründete Carl Ritter, der Sohn des Buchhändlers Heinrich Ritter, eine Druckerei. Ebenfalls 1847 kam Wilhelm Friedrich mit seiner Druckerei von Siegen nach Wiesbaden. 1863 gab es sechs Druckereien.

Ab den 1830er-Jahren lösten auch in Wiesbaden leistungsfähigere eiserne Pressen die hölzernen ab. Aber erst mit der Anschaffung der Druckmaschinen, auch Schnellpressen genannt, zog ab 1843 die moderne Zeit in die Wiesbadener Druckereien ein. Die Schnellpressen waren bereits 1814 erfunden worden. Was in Großbritannien seit einem halben Jahrhundert Stand der Technik war, hatte im Herzogtum Nassau mit der Aufstellung einer Dampf-Lokomotive zum Betreiben von Druckmaschinen in Wiesbaden 1864/65 Premiere. Bei der Einführung aller drucktechnischen Neuerungen in Wiesbaden war die Schellenberg’sche Hofbuchdruckerei die Vorreiterin.

Die Erfindung der Bildpostkarte um 1875 eröffnete für die Druckereien neue Gewinnchancen. Eine der Firmen, die von der Herstellung von Ortsansichten im lithographischen Druckverfahren profitierten, war die des Kölners Rudolf Bechtold, die bis 1976 existierte. Eine bedeutende Druckerei war auch der Betrieb der Gebrüder Petmecky, Buch- und Steindruckerei. Das Geschäft befand sich bis zu seiner Auflösung 1964 am Luisenplatz. Die Brüder Petmecky stellten Werbeanzeigen, Geschäftsbücher aller Art, Adress- und Visitenkarten, Weinetiketten usw. her und erhielten Mitte der 1870er-Jahre das Prädikat eines Hoflieferanten. Haupteinnahmequelle von Carl Schnegelberger war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs der Druck des Wiesbadener Adressbuches. Eine Druckerei betrieb auch der spätere Wiesbadener Kurdirektor Hermann Rauch.

Heute führt das Adressbuch über 30 Druckerei auf, darunter allerdings nur noch wenige Traditionsbetriebe.

Literatur

Müller-Schellenberg, Guntram: Wiesbadens Pressegeschichte, Bd. 1: Von Napoleon zu Bismarck. Die Presse im Spannungsfeld von Kultur, Wirtschaft und sozialen Verhältnissen. Taunusstein 2011.