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Ehrenmal der Achtziger (Kriegerdenkmal auf dem Neroberg)

Denkmal für die Gefallenen des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Kurhessisches Nr. 80) und seiner Kriegstruppenteile, 1930 erbaut


Artikel

Die Geschichte des Füsilier-Regiments bis 1919

Der hessische Kurfürst Wilhelm II. schuf 1821 aus zwei Vorgängerregimentern das „Leib-Garde-Regiment“. Mit der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 erfolgte die Überführung in die Preußische Armee. Am 5. November 1867 wurde das „Füsilier-Regiment Nr. 80“ aus verschiedenen preußischen Infanteriekompanien und Truppen des kurhessischen „Leib-Garde-Regiments“ gebildet. Füsiliere waren eine Truppengattung, die aus leicht bewaffneten und daher beweglichen Infanteristen bestand.

Bis zum Ersten Weltkrieg nahm das Regiment am Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) sowie Freiwillige des Regiments an der Niederschlagung von Aufständen in den deutschen Kolonialgebieten in China (sog. Boxeraufstand 1899-1901) sowie in der damaligen Kolonie Deutsch Südwestafrika, dem heutigen Namibia (Aufstand der Herero und Nama 1904-1908), teil. In Erinnerung an den 1870 gefallenen Kommandierenden General des XI. Armee-Korps Hermann von Gersdorff (1809-1870) erhielt das Regiment 1889 seinen Beinamen. Durch eine Kabinettsorder wurde der Verband 1901 schließlich in „Füsilier-Regiment ‚von Gersdorff‘ (Kurhessisches Nr. 80)“ unbenannt.

Der Stab und das I. Bataillon des Regiments waren von 1866 bis 1914 durchgängig in Wiesbaden stationiert. Bis zum Ersten Weltkriegs unterhielten weitere Regimentsteile zeitweise Garnisonen in Biebrich, Dietz, Weilburg, Hanau, Homburg v.d.H., Fulda, Marburg, Mainz und Fort Biehler.

Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) kämpften Truppenteile des Regiments sowohl an der Westfront als auch an der Ostfront. Das Regiment Nr. 80 wurde u.a. in Frankreich, Belgien, Russland und Polen eingesetzt. Nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 marschierten die Reste des Regiments nach Deutschland zurück. Am 6. März 1919 wurde das Regiment demobilisiert und aufgelöst.

Die Entstehungsgeschichte des Denkmals

Bald nach dem Ende des Ersten Weltkriegs setzten sich Veteranen des Regiments Nr. 80 für die Erinnerung an ihre gefallenen Kameraden ein. Bereits 1920 wurde ein „Verein ehemaliger Offiziere und Sanitätsoffiziere des Füsilier-Regiments v. Gersdorff“ mit Sitz in Berlin gegründet. 1921 fand ein erstes „Regimentstreffen“ in Homburg v.d.H. statt, auf dem der „Verband der ehemaligen Achtziger“ gegründet wurde. Fünf Jahre später entstand aus dem Verband eine „80er Denkmalvereinigung“, die mit der Sammlung von Geld und Unterstützung für die Errichtung eines „Ehrenmals“ für den Verband in Wiesbaden, dem ehemaligen Hauptgarnisionsstandort, begann.

Bis 1929 wurden Gedenktafeln und ein Denkmal in Kassel in Homburg v.d.H. für die Gefallenen des Regiments enthüllt. Schon 1928 standen auch die notwendigen finanziellen Mittel für ein weiteres Denkmal in Wiesbaden bereit. Da die Stadt aber unter alliierter Besatzung stand, konnte das Denkmal zunächst nicht errichtet werden. Erst als 1930 die Britten aus Wiesbaden abzogen, war der Weg für die Errichtung des „Ehrenmals“ frei.

Die Grundsteinlegung fand am 13. Juli 1930 statt. Dabei kam ein Entwurf des Architekten Edmund Fabry (1892-1939) und des Bildhauers Arnold Hensler (1891-1935) zur Ausführung. Die Stadt Wiesbaden brachte sich nicht nur mit der kostenlosen Überlassung eines repräsentativen Bauplatzes am Neroberg, sondern auch finanziell bei der Errichtung des „Ehrenmals“ ein.

Mit einer dreitägigen Feier vom 4. bis 6. Oktober 1930 wurde das „Ehrenmal“ schließlich nach kurzer Bauzeit eingeweiht. Eine militärische Parade auf der Taunusstraße, ein Konzert, „Kameradschaftsabende“ und Kranzniederlegung zogen nicht nur staatliche und städtische Repräsentanten sondern auch ein breites Publikum an.

Inszenierung des „Heldengedenkens“ im Nationalsozialismus und Fortsetzung der Veteranen-Tradition nach 1945

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten vollzog sich eine tiefgreifende Veränderung der Erinnerungskultur in Deutschland. 1934 wurde der in der Weimarer Republik eingeführte Volkstrauertag, der den Opfern des Ersten Weltkriegs gewidmet war, zum sogenannten Heldengedenktag umgewidmet. Aus dem Totengedenken wurde eine im Sinne der NS-Ideologie inszenierte Heldenverehrung, bei der symbolisch die NSDAP und die Wehrmacht ihre Verbindung demonstrierten. Diese nationalistische Neuausrichtung des Weltkriegsgedenkens schlug sich in den folgenden Jahren auch in Wiesbaden nieder.

So veranstaltete der Veteranenverband des ehemaligen Regiments 1938 ein großes „Regimentstreffen“ in Wiesbaden. Die Wehrmacht, die seit der Remilitarisierung des Rheinlandes 1936 mit dem neu aufgestellten Infanterie-Regiment 87 in der Stadt präsent war, gab den Feierlichkeiten einen militärischen Rahmen. Am 1. Januar 1939 übernahm das III. Bataillon des Infanterie-Regiments 87 in Wiesbaden auf offiziell die Tradition des Füsilier-Regiments Nr. 80.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg führten Veteranen des ursprünglichen Füsilier-Regiments sowie ehemalige Angehörige des Infanterie-Regiments 87 die Veteranen-Tradition fort. „Regimentstreffen“ fanden bis in die 1990er-Jahre um den Gründungstag des Regiments statt. Im Nerotal erinnert ein weiterer Gedenkstein an die Gefallenen des Infanterie-Regiments 87 im Zweiten Weltkrieg.

Gestaltung und Aufbau des „Denkmals für die Gefallenen des Füsilier-Regiments von Gersdorff (Kurhessisches Nr. 80) und seiner Kriegstruppenteile“

Das Kriegerdenkmal wurde vom Architekten und Maler Edmund Fabry gemeinsam mit dem Bildhauer Arnold Hensler geschaffen. Der 1891 in Wiesbaden geborene Hensler und der 1892 auf Norderney geborene Fabry lernten sich wohl in der Wiesbadener Kunstszene während ihrer Studienzeit kennen. Fabry war mit seiner Familie um 1900 nach Wiesbaden gezogen, wo er zunächst als Maler und Grafiker arbeitete und anschließend ein Architekturbüro aufbaute. Einen seiner ersten Aufträge setzte er gemeinsam mit Arnold Hensler um. Beide sind Gründungsmitglieder der Darmstädter Sezession, waren im Nassauischen Kunstverein aktiv und Fabry baute für das Künstler-Ehepaar Hensler ein Wohn- und Atelierhaus in Wiesbaden-Aukamm. Das Wiesbadener Stadtbild prägten die beiden unter anderen mit der Gestaltung der Reisinger-Anlagen. Hensler wurde 1933 als Professor für plastisches Gestalten an die „Handwerker- und Kunstgewerbeschule – Trierer Werkschule für christliche Kunst“ berufen. Er starb 1935. Edmund Fabrys prägte das Wiesbadener Stadtbild unter anderem mit seinen Entwürfen der Herbert-Anlagen und des Opelbads, die 1933-1934 und 1937 umgesetzt wurden. Nach den Novemberpogromen 1938 musste Fabry als sogenannter Halbjude sein Architekturbüro schließen. 1939 starb er in Wiesbaden.

Arnold Hensler hatte bis 1930 bereits mehrere Denkmäler zum Ersten Weltkrieg gestaltet, darunter auch dasjenige auf dem Dotzheimer Friedhof. Einige der Denkmäler waren in Zusammenarbeit mit dem Architekten Fabry entstanden und hatten Gestaltungswettbewerbe gewonnen. Aufgrund ihrer erfolgreichen Arbeiten wurden Hensler und Fabry von der 80er Denkmalvereinigung engagiert, um ein Denkmal zu gestalten, das an die gefallenen Regimentskameraden erinnert und vom Krieg berichtet. Das Kriegergedenkmal auf dem Neroberg verzichtet auf mythologische Darstellungen und weist einen für Hensler ungewohnten Realismus auf. Das Ensemble besteht aus einem großen Porphyrblock, der an einen Sarkophag erinnert, und 8 Gedenksteinen. In den Sockel des großen Quaders sind zu beiden Längsseiten die Jahreszahlen 1914 Ⅰ 1915 Ⅰ 1916 Ⅰ 1917 Ⅰ 1918 dargestellt. An der einen Längsseite zeigt Hensler marschierende Soldaten mit geschultertem Gewehr. Auf der gegenüberliegenden Seite zwei Gefallene hinter einem stehenden Kreuz und der Inschrift „15680 KAMERADEN KEHRTEN NICHT ZURÜCK“. Auf den Schmalseiten sind das Eiserne Kreuz und gegenüberliegend die Widmung „DEN TOTEN HELDEN [VFI] FÜSILIER-REGIMENT VON GERSDORFF (KURHESS) No. 80 UND SEINE KRIEGSTRUPPENTEILE“ angebracht.

Die von Edmund Fabry gestaltete Gesamtanlage umfasst eine Terrasse mit dem großen Porphyrblock und eine Treppe, an der links und rechts die acht Gedenksteine für die Kriegsformationen aufgestellt sind. Das Ensemble ist von Eichen umgeben. Das Eichenlaub wird als nationales Symbol eingesetzt und wird heute noch als Leistungsabzeichen verwendet. Jeder Gedenkstein nennt die Schlachten, in denen die Truppenteile kämpften, sowie die Zahl ihrer Gefallenen.

Von oben links nach unten rechts:

Füsilier Regiment von Gersdorff (Kurhessisches) No. 80
Bertix, Neufchateau, Maas, Marne, Reims, Roye, Verdin, Chemin des Dames, Somme, Aisne, Champagne, Postawy, Avre, Flandern
Es fielen:
69 Offiziere
264 Unteroffiziere
2377 Mannschaften

Reserve-Infanterie-Regiment No. 80
Neufchateau, Maas, Marne, Champagne, Verdun, Aisne, Champagne, Cambrai, Grosse Schlacht in Frankreich, Croisilles
Es fielen:
81 Offiziere
303 Unteroffiziere
2538 Mannschaften

Infanterie-Regiment No. 353
Iwangorod, Bzura-Rawka, Kowno, Njemen, Wilna, Dünaburg, Grosse Schlacht von Frankreich, Marne
Es fielen:
45 Offiziere
123 Unteroffiziere
1191 Mannschaften

Infanterie-Regiment No. 365
Regnieville, Priesterwald, Somme, Flandern, Artois, Baltische Inseln, Lothringen
Es fielen:
11 Offiziere
58 Unteroffiziere
413 Mannschaften

Infanterie-Regiment No. 186
La Bassee, Champagne, Somme, Aisne, Arras, Verdun, Kemmel, Flandern
Es fielen:
66 Offiziere
198 Unteroffiziere
1513 Mannschaften

Reserve-Infanterie-Regiment No. 253
Masuren, Njemen, Kowno, Wilna, Düna, Rumänien, Grosse Schlacht von Frankreich, Soissons
Es fielen:
41 Offiziere
182 Unteroffiziere
2005 Mannschaften

Reserve-Infanterie-Regiment No. 223
Lilie, Pabianice, Lodz, Czyrak, Zydaczow, Tranopoi, Zalosze, Verdun, Armentieres
Es fielen:
65 Offiziere
325 Unteroffiziere
3426 Mannschaften

Landwehr-Infanterie-Regiment No. 80
Nancy-Epinal, Tete de Behouille, Col du Bonhomme, Malfille, Bois de la Garde, Sennones, Ban de Sapt, Bernhardstein, Violu
Es fielen:
11 Offiziere
40 Unteroffiziere
335 Mannschaften