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Evangelische Kirche Bierstadt

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Die älteste erhaltene Kirche Wiesbadens wurde frühestens in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erbaut. Aus stilistischen Gründen wird in der Forschung aber auch das zweite Viertel des 12. Jahrhunderts als Entstehungszeitraum vorgeschlagen. Die Kirche ist Nachfolgerin eines 927 urkundlich belegten Vorgängerbaus und hat in ihrer Geschichte viele Veränderungen erfahren. So finden sich Zeugnisse aller Bauperioden von der Romanik über die Gotik und den Barock bis in die Neuzeit hinein.

Erbaut wurde die Evangelische Kirche Bierstadt als romanische Saalkirche mit einer breiten Ostapsis und ohne Turm. Der Zugang zur Kirche erfolgte von Süden. Noch vorhanden sind das ehemalige, heute vermauerte Eingangsportal mit einer Ritzzeichnung auf dem Türsturz, das Paradies darstellend, und östlich davon die Reste eines weiteren kleineren romanischen Portals. Im Inneren trennt ein Triumphbogen den Chorraum vom Kirchenschiff. Zwei durch Okuli beleuchtete, außen nicht in Erscheinung tretende Nebenapsiden flankieren den Triumphbogen. Ebenfalls noch aus romanischer Zeit stammt das mit einem Bogenfries geschmückte, steinerne Taufbecken. Der Turm, ein Glocken- und Schutzturm, wurde erst im späten 12. Jahrhundert in die Westwand eingefügt. Die Giebel unter dem Rhombendach datieren bereits ins 13. Jahrhundert. Aus dem 14. Jahrhundert stammen die Wandmalereien in den Laibungen der drei Chorfenster.

Nicht überliefert sind das ursprüngliche Aussehen und der Zeitpunkt der Aufstellung (um 1540?) des spätgotischen Flügelaltars. Erhalten blieben acht Bildtafeln (um 1505) und die Predella, die dem Frankfurter Maler Martin Caldenbach (um 1480–1518) zugeschrieben werden. Drei hölzerne Skulpturen, vermutlich aus dem verlorenen Mittelschrein, sind heute an der Nord- und Südwand des Schiffes angebracht und stellen die Muttergottes und die heiligen Nikolaus und Ferrutius dar.

1731–37 erfolgte unter Johann Jakob Bager dem Älteren der Umbau zu einer protestantisch- barocken Predigerkirche. Das Eingangsportal wurde an die Westseite in den Turm verlegt und der Fußboden um ca. einen Meter angehoben. In die Langhauswände wurden zusätzliche Fenster eingebrochen und ein neues Satteldach aufgebracht. Die Evangelische Kirche Bierstadt erhielt ein hölzernes Tonnengewölbe, barockes Gestühl und eine Empore, deren Obergeschoss im Westen die Orgel aufnahm. Der Altarraum wurde mit einem hölzernen Kanzelaltar nach dem Entwurf Bagers ausgestattet. Schließlich wurde die Kirche um 1779/80 außen verputzt und gestrichen und innen farbig gefasst.

In den Jahren 1861/62, 1908/09, 1933/34 und 1969–73 folgten weitere Renovierungen und Sanierungen. Während der Maßnahme 1933/34 wurde der Putz wieder abgenommen sowie das Gestühl reduziert und der Kanzelaltar entfernt. Über dem Altar errichtete man eine neue Kanzel. Während der Restaurierung 1969–73 wurden auch diese Kanzel sowie das Obergeschoss der westlichen Empore entfernt. An Stelle der barocken Orgel trat eine Orgel der Fa. G. F. Steinmeyer & Co. Zudem wurde das gefährdete Mauerwerk mit einem Ringanker gesichert.

Die letzte Sanierung erfuhr die Kirche 2003–11. Das Mauerwerk der Fassaden wurde konserviert und restauriert unter besonderer Berücksichtigung des ca. 180 m2 großen romanischen Fugennetzes mit Querritzzeichnungen, dem größten Befund in Hessen.

Literatur

Arens, Fritz: Ev. Kirche Wiesbaden-Bierstadt, München, Zürich 1986 (Kunstführer, Nr. 1566).

Einsingbach, Wolfgang: Die baugeschichtliche Entwicklung. In: Hucke, Karl (Hrsg.): Bierstadt und seine alte Kirche. Kulturhistorische Beiträge, Wiesbaden 1973 [S. 19–29].

Kaiser, Roswitha: Eine sehenswürdige Antiquität. In: Denkmalpflege & Kulturgeschichte. Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.), H. 1/2012 [S. 39].