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Frauenvereine

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Viele Vereine, die seit dem 19. Jahrhundert in Wiesbaden wie in anderen deutschen Städten gegründet wurden, um sich um Arme, Kranke, um verwahrloste Kinder, Wöchnerinnen und »sittlich gefährdete« Frauen zu kümmern, gehen auf weibliche Initiative zurück. Bereits 1814 schlossen sich in Wiesbaden Frauen zusammen, um die durch die Revolutions- und Freiheitskriege verursachte Not zu lindern; daraus ging 1818 der Wiesbadener Frauenverein hervor, der sich allerdings erst 1844 eine eigene Satzung gab. Zu seinen Zielen gehörten um 1900 die Stellenvermittlung für weibliche Arbeitslose, die Gewährung von Unterstützungsleistungen für arme Familien, Kranke und überschuldete Arme. Ein beträchtliches Alter hatte auch der Jungfrauenverein, der 1835 eine Kinderbewahranstalt einrichtete. 1839 konnte dank großzügiger Spenden, unter anderem von Seiten des Herzogshauses, ein eigenes Haus bezogen werden, in dem nun auch sogenannte Hauskinder lebten, die dauerhaft betreut wurden.

Eine Reaktion auf die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern war die Gründung des Wiesbadener Krippenvereins 1907, der Kinder von Müttern aus den ärmsten Schichten im Alter von 6 Wochen bis 3 Jahren aufnahm. Unter den rund 40 Frauenvereinen, die bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges zu zählen sind, waren viele Lokal- und Zweigvereine größerer, landesweit tätiger Organisationen, z. B. der evangelischen und katholischen Kirche oder der israelitischen Synagogengemeinde und des Deutschen Roten Kreuzes. Der einflussreichste und mitgliederstärkste Wiesbadener Frauenverein war der 1869 gegründete Zweigverein des Verbandes Vaterländischer Frauenvereine. Er kümmerte sich laut Satzung in Kriegszeiten um Verwundete, in Friedenszeiten um Kranke und unterhielt Mütterberatungsstellen, Krippen, Kindergärten und Volksküchen sowie Gemeindeschwesternstationen. Der Verein war seit 1904 als milde Stiftung anerkannt.

Ein wesentlicher Antrieb für die Gründung von Frauenvereinen im 19. Jahrhundert war die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, die mit größerer Mobilität einherging. Mehrere, teils auch kirchliche Vereine setzten sich zum Ziel, die jungen Frauen, die als Dienstmägde, Buchhalterinnen oder auch als Gouvernanten und Kindermädchen in die Kurstadt kamen, vor »sittlichen Anfechtungen« zu bewahren, ihnen preiswerten Wohnraum und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu vermitteln oder sie vor betrügerischen Stellenvermittlern zu schützen. Der 1877 gegründete Zweigverein der »Freundinnen junger Mädchen« unterstützte junge Mädchen, die in der Fremde ihren Lebensunterhalt verdienen mussten. Mit den »Freundinnen« personell verbunden war auch der Verein »Heimat Haus zu den Bergen« für alleinstehende Frauen und Mädchen besserer Stände, der 1894 in der Kapellenstraße seine Pforten öffnete. Ziel dieses Vereins war es, den in Wiesbaden angestellten Verkäuferinnen und Buchhalterinnen eine freundliche Wohnung und gute Verpflegung sowie stellenlosen Mädchen besserer Stände Obdach und Schutz gegen sittliche Gefahren und die Ausbeutung durch Stellenvermittlungsbüros zu bieten.

Der katholische Marienbund St. Bonifatius kümmerte sich seit 1896 um die schulentlassene weibliche Jugend sowie um den Schutz von Mädchen, die von auswärts zuzogen und in kaufmännischen und gewerblichen Berufen tätig waren. Ähnliche Ziele verfolgte das evangelische Mädchenheim, das 1889 mit Mägdeherberge und Haushaltungsschule in Aktion trat, sowie die »Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit«, die 1900 gegründet wurde und dem Verein Frauenbildung und Frauenstudium angegliedert war. Im Vorstand sollten mindestens drei Frauen sein. Es wurden Referate zu Gebieten der weiblichen sozialen Arbeit und Besichtigungen von Wiesbadener Wohlfahrtseinrichtungen angeboten.

Auch der »Klub Junger Mädchen« wollte seinen weiblichen Mitgliedern Geselligkeit und Bildung bieten. 1912 vom Verein der »Freundinnen junger Mädchen« gegründet, bot der Klub Verkäuferinnen, Beamtinnen und Kindermädchen Fortbildungskurse, vor allem in englischer und französischer Sprache, soziale Hilfe, gesundheitliche Förderung, geistliche Vertiefung, geselliges Beisammensein und Wanderungen im Taunus an. Ebenfalls 1912 entstand der Verein »Erholungsstätte für Heimarbeiterinnen«, der 1913 ein kleines Heim in Kloppenheim eröffnete. Weitere berufsständische Organisationen wie der »Verband der weiblichen Handels- und Büroangestellten« und der von Elise Kirchner gegründete »Lehrerinnenverein für Nassau« kamen nach dem Ersten Weltkrieg hinzu.

Ein Schwerpunkt der karitativen Arbeit der Wiesbadener Frauenvereine war die Fürsorge für Wöchnerinnen, für arme, verlassene oder verwahrloste Kinder, für weibliche Strafgefangene sowie für ältere alleinstehende, aber verarmte Damen der besseren Kreise. Der 1889 gegründete Marienverein engagierte sich für Waisenhauszöglinge. Um Wöchnerinnen, und zwar ausschließlich um unbescholtene Ehefrauen, kümmerten sich der Verein zur Unterhaltung eines Wöchnerinnenasyls und der St. Elisabethen-Verein (1894 bzw. 1908 gegründet). Sogenannte gefallene Frauen waren die Zielgruppe des katholischen »Fürsorgevereins Johannesstift zum Schutz bzw. zur Rettung sittlich gefährdeter Mädchen« und der Ortsgruppe des katholischen »Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder«.

In den späteren 1920er- und 1930er-Jahren erweiterte sich das Spektrum der Frauenvereine insbesondere im Hinblick auf berufsständische Vereinigungen. Mit dem Beginn der NS-Diktatur fanden diese Aktivitäten ein Ende. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es rasch zu zahlreichen Neu- bzw. Wiedergründungen von Frauenvereinen.

Große Wirkung erzielten der deutsch-amerikanische Frauenclub und der Ortsverein des Deutschen Hausfrauenbundes, die vier Jahre nach Kriegsende entstanden. Ein Jahr später trat der Ortsverband des deutschen Frauenringes ins Leben, der staatsbürgerliche Bildung vermitteln wollte. Seit 1968 entstanden neben konfessionellen Frauenvereinen, Berufsverbänden und Frauenarbeitsgruppen verschiedener Parteien Organisationen, die sich gegen Gewalt und Benachteiligung von Frauen sowie für Flüchtlinge, Asylanten und Aids-Kranke einsetzten. Relativ jungen Datums sind in Wiesbaden die sogenannten Frauen-Service-Clubs wie Soroptimist International und Zonta.

Literatur

Betz, Sigrid: 40 Jahre Ortsverband Wiesbaden des Deutschen Hausfrauenbundes, Walluf 1989.

Handbuch von und für Frauen. Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt Wiesbaden (Hrsg.), Wiesbaden 1987.

Kalle, Fritz/Borgmann, Hanns: Die Wohlfahrtseinrichtungen Wiesbadens, 2. Aufl., Wiesbaden 1914.

Wiesbadener Wohlfahrtsführer für das Kriegsjahr 1916, Wiesbaden 1916.