Sprungmarken

Haenisch, Konrad

Haenisch, Konrad

Publizist, preußischer Landtagsabgeordneter, Kultusminister, Regierungspräsident

geboren: 14.03.1876 in Greifswald

gestorben: 28.04.1925 in Wiesbaden


Artikel

Die Auszahlung der väterlichen Erbschaft ermöglichte es Haenisch, an der Leipziger Universität als Gasthörer historische wie nationalökonomische Vorlesungen zu besuchen. Seit 1895 war er Mitarbeiter der »Leipziger Volkszeitung« und zeigte sich zudem als eifriger Versammlungsredner auf dem radikalen linken Flügel der SPD positioniert. Seine lebenslange Freundschaft mit dem russischen Revolutionär und späteren deutschen Sozialdemokraten Dr. Alexander Helphand, genannt Parvus, wurde während jener Jahre begründet. Auch von Dr. Franz Mehring, Dr. Rosa Luxemburg und anderen Parteilinken wurde Haenisch nachhaltig beeinflusst. Bis zum Ersten Weltkrieg arbeitete er als Redakteur bzw. freier Publizist für diverse sozialdemokratische Presseorgane, so auch in Ludwigshafen, Dresden, Dortmund und schließlich in Berlin. Hier leitete er seit 1911 für den SPD-Parteivorstand die Zentralstelle für Flugblatt- und Agitationsbroschürenliteratur und unterrichtete an der dortigen Arbeiterbildungsschule.

1913 wurde er in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, mit der Redaktion der »Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse« betraut und zum Schriftführer dieses Vereins bestellt. Nachdem er im August 1914 den Kriegskrediten noch mit Ablehnung begegnet war, schwenkte er – nach eigenem Bekunden nach »schweren inneren Kämpfen« – im folgenden Herbst radikal um auf den Kurs der Burgfriedenspolitik der SPD-Mehrheit. Im November 1918 wurde Haenisch das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung der ersten von Sozialdemokraten geführten preußischen Landesregierung anvertraut. Die Demokratisierung des Bildungssystems gehörte bis zu seinem Ausscheiden aus diesem Amt 1921 zu seinen vordringlichen Anliegen, demzufolge auch die Förderung einer entsprechenden Theaterkultur, der Volkshochschulbewegung wie der politischen Bildung überhaupt. Trotz Durchsetzung mancher deutlicher Verbesserungen war der von Haenisch zwei Jahre zuvor avisierten Schul- und Hochschulreform letzten Endes nicht der erhoffte Erfolg beschieden.

Anfang 1923 wurde er auf Vorschlag des preußischen Innenministers Carl Severing zum Regierungspräsidenten in Wiesbaden ernannt. Da die Interalliierte Rheinlandkommission hiergegen ihr Veto einlegte, wurde er bereits am 12.02. verhaftet und aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen.  Seine Dienstgeschäfte nahm Haenisch daraufhin fast anderthalb Jahre lang vom unbesetzten Frankfurt am Main aus wahr. Trotzdem setzte er sich auch damals mit Entschiedenheit für die deutsch-französische Verständigung ein. Die Anfeindungen der jungen Demokratie durch radikale Rechtskräfte und nicht minder durch Extremisten auf der Linken registrierte er mit größter Sorge, weshalb er 1921 zu den Mitbegründern des Deutschen Republikanischen Reichsbundes gehörte, in dessen Führungsspitze er zwei Jahre darauf aufrückte. Im Frühjahr 1924 wurde er in den Bundesausschuss der Republikschutzorganisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gewählt. Der 1921 von der Frankfurter Universität wegen seiner Verdienste um die Förderung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zum Doktor der Staatswissenschaften ehrenhalber ernannte Politiker gehörte bis zu seinem Tode, der ihn unerwartet früh in Wiesbaden ereilte, dem preußischen Landtag an. An seinem letzten Domizil in der Wiesbadener Taunusstraße 63 erinnert seit 1991 eine Gedenktafel an ihn.

Literatur

John, Matthias: Konrad Haenisch (1876–1925) – »und von Stund an ward er ein anderer«, 2., durchges. u. erg. Aufl. Berlin 2003 (BzG – Kleine Reihe Biographien, Bd. 2).

John, Matthias (Hrsg.): Ausgewählte Briefe führender Sozialdemokraten an Konrad Haenisch und dessen Briefe an Dritte, Berlin 2005.

Sigel, Robert: Die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe. Eine Studie zum rechten Flügel der SPD im Ersten Weltkrieg, Berlin 1976.