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Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

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1875 erhielt Wiesbaden die erste Pferdebahn, die das Kurviertel mit den Bahnhöfen an der unteren Rheinstraße verband. 1896 fuhr eine »Elektrische« den Michelsberg hinauf zur Walkmühlbrauerei. 1900 wurde in Biebrich das imposante »Straßenbahndepot« (heute »Galatea-Anlage«) der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) eingerichtet, die den städtischen Verkehr bis 1929 weitgehend dominierte.

Allerdings hatte sich Wiesbaden schon 1906 veranlasst gesehen, selbst als Straßenbahnunternehmer aktiv zu werden, um ein kommunales Gegengewicht zur privaten SEG zu bilden. 1906 erfolgte der eingleisige Ausbau zwischen Wilhelmstraße und Bahnhof Dotzheim. Die Stadt beschaffte einen eigenen Wagenpark und errichtete am Faulbrunnenplatz ein Depot. 1910 kam es zur Verlängerung der Fahrstrecke bis Bierstadt. Das Verhältnis zwischen Stadt und SEG war und blieb schlecht. Als nach über 40 Jahren die 1888 mit der SEG abgeschlossenen Konzessionsverträge ausliefen, verweigerte die Stadt die Verlängerung und stellte 1929 fünf Innenstadtlinien mit einer Betriebslänge von 25 km auf Busbetrieb um. Mit dieser Aktion wurde die Stadt zum Vorreiter für ca. 170 deutsche Groß- und Mittelstädte.

Der Buseinsatz zwischen Luisenplatz und dem Rheinufer verlief relativ reibungslos. Südlich des Hauptbahnhofs entstand der Omnibusbetriebshof mit Garagen und Werkstätten. Im Zweiten Weltkrieg gelang den Gasfachleuten der WEGWAG (Wasser-, Elektrizitäts- und Gaswerke Wiesbaden AG) der Einsatz von unverdichtetem Stadtgas anstelle von Benzin erstmalig in Deutschland. Die Wiesbadener gewöhnten sich an ihre »Knallbusse« mit den charakteristischen, durch wetterfeste Planen geschützten Gassäcken auf dem Dach und den lästigen Explosionen während der Fahrt. Immerhin hatten sie die Stadt in den Kriegs- und Nachkriegszeiten von staatlichen Treibstofflieferungen weitgehend unabhängig gemacht. Die letzten Knallbusse verkehrten 1953.

1943 wurden die Städtischen Verkehrsbetriebe durch Kauf in die WEGWAG integriert und die Stadtwerke Wiesbaden AG gebildet. Ab 01.04.1943 gingen alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Konzessionen an die Stadtwerke Wiesbaden AG sowie an die Stadt Mainz über. Zwischen den Beteiligten wurde ein Betriebsgemeinschaftsvertrag geschlossen. Abwechselnd bedienten die beiden Verkehrsbetriebe die zwei Gemeinschaftsstrecken (Linien 6 und 9). Mit Nachdruck setzten sich die Verkehrsbetriebe für die Stilllegung der letzten Straßenbahnlinien auf Wiesbadener Gebiet ein.

Nachdem sich abzeichnete, dass die notwendigen Erneuerungen von Schienenanlagen und Wagenpark im Laufe der nächsten fünf Jahre für Wiesbaden einen Kapitalbedarf von über fünf Millionen DM ausmachen würde, war die Zustimmung der zuständigen Gremien zur Einstellung des Straßenbahnbetriebs gesichert. Am 30.04.1955, dem letzten Betriebstag, bezeugten Hunderte von Wiesbadenern ihre Anhänglichkeit an die »Elektrische«.

Wiesbaden wurde eine reine Busstadt, denn der auf zwei Linien verkehrende Oberleitungsomnibus (OBUS) blieb eine Episode (1948–61). 1968 wurden in weiten Teilen der Innenstadt »Busspuren« eingeführt. Am 28.05.1995 startete der Rhein-Main-Verkehrsverbund, der größte Verkehrsverbund Europas, in den die ESWE und die Mainzer Verkehrsbetriebe integriert wurden. An dem Verbund sind vier Großstädte, sieben kreisfreie Städte und 15 Landkreise in Süd- und Mittelhessen beteiligt.

2000 wurde der Zweig Verkehrsbetriebe aus der ESWE ausgegliedert und wird seitdem als ESWE Verkehrsgesellschaft mbH weitergeführt.

Literatur

Kopp, Klaus: 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875–2000. Stadtwerke Wiesbaden AG (Hrsg.), Wiesbaden 2000.