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Steinzeit

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Der Beginn der Steinzeiten mit der Ältesten Altsteinzeit (Altpaläolithikum) wird in Hessen je nach wissenschaftlicher Schule zwischen 1.000.000 und 300.000 Jahren vor unserer Zeit angesetzt. Die Anwesenheit des Menschen der Gruppe »homo erectus« ist durch Werkzeuge aus Quarzitgeröllen belegt, die unter dem Namen »pebble tools« (»Geröllgeräte«) bekannt sind und in einer umfangreichen Typologie in über 20 Formen unterteilt werden.

Die mittlere Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum) ist die Zeit des Neandertalers (homo sapiens neanderthalensis) im engeren Sinne ab 100.000 vor der Gegenwart. Das bekannteste, weil typische Werkzeug ist der beidflächig bearbeitete Faustkeil aus silikatischem Gestein (Quarzit, Feuerstein). Ein solches Werkzeug und ein sogenanntes Keilmesser, beide aus Kieselschiefer, wurden in Erbenheim gefunden.

Die jüngere Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) ist die Zeit des modernen Menschen (homo sapiens sapiens) ab 35.000 vor heute, auch als Mensch von Cro Magnon bekannt. 60 Steingeräte aus der Umgebung der Adlerquelle, die bei Bohrungen aus den Bohrkernen geborgen wurden, belegen einen Aufenthalt von Menschen an den heißen Quellen vor rund 25.000 Jahren.

Mit dem Ende der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren wird der Beginn der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) angesetzt, die in anderen Regionen nicht eigens ausgewiesen, sondern als Epipaläolithikum an die Altsteinzeit angegliedert wird. Die Wirtschaftsweise ist in der Tat im Grunde gleich geblieben (Jagen und Sammeln), durch das Aussterben verschiedener Großsäuger (Elefantenarten, Wollhaarnashorn) lediglich angepasst an die neue Fauna. Die überwiegende Verwendung von Kompositwerkzeugen, deren steinerne Bestandteile die als »Mikrolithen« bezeichneten 25 bis 35 mm messende Klingengeräte sind, hat zur Abgrenzung einer eigenen Zeitstufe geführt. Aus dieser Zeit sind in Wiesbaden nur wenige Zeugnisse bekannt, weitere aber noch aufzufinden, da mit Sicherheit Mesolithiker in diesem Gebiet »umhergeschweift« sind (»Schweifgebiet« ist der terminus technicus). Aus einer Grabung im Sommer 2009 stammt ein seltenes Steinwerkzeug des Mesolithikums: Als Einzelfund trat im römischen Übungslager in Mainz-Kastel, Kurt-Hebach-Straße, eine Dechsel (Querbeil) aus Amphibolit auf. Unter den altsteinzeitlichen Funden in einer Sammlung aus Igstadt sind auch mesolithische Artefakte bestimmt worden.

Die Jungsteinzeit (Neolithikum) ist dem Namen nach eine weitere Steinzeit, mit ihr treten allerdings erstmals bis heute nachwirkende Neuerungen auf. Die Wirtschaftsweise wandelt sich von der aneignenden zur produzierenden. Es beginnen der Ackerbau, die Viehzucht und damit verbunden die Sesshaftigkeit, als ihre Folge der Hausbau. Die Erfindung der neuen Technik »Töpferei« verändert die Zubereitung der Nahrung. Zum Altneolithikum zählt in unserer näheren Umgebung nahezu nur die Linearbandkeramische Kultur, Funde der Stichbandkeramischen Kultur sind spärlich. Zum Mittelneolithikum bildet die Gruppe Hinkelstein den Übergang, es wird durch die Großgartacher und die Rössener Kultur bestimmt, zwischen denen die Gruppe Planig-Friedberg zeitlich und typologisch vermittelt. An den Übergang zum Jungneolithikum gehört die Bischheimer Kultur, dieses wird von der Michelsberger Kultur und der Wartberggruppe gebildet, der die auffallendsten Denkmäler, Megalithgräber und Menhire, zugerechnet werden. Mit dem Endneolithikum schließen sich die Becherkulturen (Schnurkeramikkultur, Riesenbechergruppe, Glockenbecherkultur) an, die sich zeitlich bereits mit der Bronzezeit überlappen. Viele weitere neolithische Kulturen sind in Europa zum Teil nur kleinräumig verbreitet. Sie treten allerdings in Hessen nicht auf.

Eine ausgedehnte Siedlung der Linearbandkeramischen Kultur wurde in Erbenheim 1978 durch Straßenbauarbeiten durchschnitten und konnte zum kleineren Teil untersucht werden. Die Siedlung ist wissenschaftlich bearbeitet und veröffentlicht. Aus der Michelsberger Kultur stammt ein sogenanntes Erdwerk, eine Wall-Graben-Anlage vielfältiger Nutzungsmöglichkeiten von etwa 1.250 m Durchmesser in Schierstein, das sich halbkreisförmig an den Rhein anlehnte und damit exakt den östlichen, breitesten Teil des heutigen Schiersteiner Hafens abschirmte.

Die auffallendsten Geländedenkmäler Wiesbadens sind die Grabhügel, die sich in großen Grabhügelfeldern im Stadtwald und in den Wäldern der Stadtteile finden. Sie wurden von der Jungsteinzeit bis zur Eisenzeit errichtet. Das markanteste und wiss. aufschlussreichste Grab ist der Hügel im »Hebenkies« an der B 417 gegenüber dem Nordfriedhof im Gelände der Filmstudios. Er wurde über einer Siedlung der Wartberg-Kultur errichtet und enthielt Bestattungen der Schnurkeramik-Kultur und späthallstattzeitliche Nachbestattungen. Alle Funde befinden sich in der Sammlung Nassauischer Altertümer.

Literatur

Fiedler, Lutz: Alt- und mittelsteinzeitliche Funde in Hessen. Führer zur hessischen Vor- und Frühgeschichte 2, 2. Aufl., Stuttgart 1994.

Herrmann, Fritz-Rudolf; Jockenhövel, Albrecht (Hrsg.): Die Vorgeschichte Hessens, Stuttgart 1990.

200.000 Jahre Kultur und Geschichte in Nassau. Archäologie und Paläontologie. Hrsg.: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung e.V., Wiesbaden 1993.