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Wald

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Der innerhalb der Wiesbadener Stadtgrenzen gelegene Wald erstreckt sich entlang des Berghanges und wird eingegrenzt durch die nach Norden hin gelegenen Randgebiete der Stadt und den Taunuskamm. Lang gestreckte zum Rhein hinziehende Bach- und Wiesentäler gliedern das Gelände.

Eine Besonderheit bildet der Auwald der Rheininsel Rettbergsaue. Die Flächengröße beträgt insgesamt rund 6.250 ha (= 62,5 km2) und macht damit etwa 30 % des Stadtgebietes aus. Der größte Teil des Walds steht in städtisches Eigentum (Stadtforstamt: 4.400 ha), ein kleinerer Teil zählt zum Wald des Landes Hessen (Hessisches Forstamt Chausseehaus: 1.600 ha). Wenige übrige Flächen gehören sonstigen öffentlichen Körperschaften sowie Privateigentümern.

Außerhalb seiner politischen Grenzen besitzt Wiesbaden weitere 234 ha Wald in Nachbargemeinden. Der in städtischem Eigentum stehende Wald setzt sich zusammen aus einem ursprünglichen Kerngebiet von ca. 900 ha, dem insbesondere in der Zeit von 1926–28, aber auch anlässlich der Eingemeindungen 1977 der Gemeindewald eingegliederter Ortsteile hinzugefügt worden ist. Seit Mitte der 1960er-Jahre hat Wiesbaden seinen Forstbetrieb in eigene Regie (Stadtforstamt) übernommen. Zu dem Gebiet von Wiesbaden zählte als wertvoller Waldbestand die »Höhe« (etwa Gipfel Hohe Kanzel zur Hohen Wurzel).

Seit 1353 durfte in der Wiesbadener Mark niemand jagen, roden, Kohle brennen, Vögel und Fische fangen noch Holz abfahren ohne Genehmigung der Grafen zu Nassau. Als Mitmärker wurden unter anderem zahlreiche Dörfer (heutige Wiesbadener Vororte) genannt. Bald gewannen die Grundherren das Übergewicht in der Markgenossenschaft, die ursprünglich frei und nur dem Reich unterstellt war. Die Angelegenheiten der Markwaldung wurden auf dem sogenannten Märkergedinge verhandelt und geregelt. In zahlreichen landesherrlichen Ordnungen von 1359–1805 wurde dafür Sorge getragen, dass die Nachhaltigkeit des Waldes gewährleistet wurde.

Mit dem Einbringen des römischen Rechts (persönliches Eigentum zu ideellen Anteilen) in die deutsche Rechtsordnung (Genossenschaft als gemeinschaftlicher Eigentümer) und beschleunigt durch den Dreißigjährigen Krieg löste sich – weitgehend ungeregelt – die markgenossenschaftliche Ordnung zugunsten privater Rechte auf. 1807 setzte Herzog Friedrich August zu Nassau eine Forstkommission ein, die einen umfassenden Teilungsplan erarbeitete. Als Ergebnis wurde 1822 eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach der Stadt 711 ha Wald überwiesen und auch gleich eingemeindet wurden. Durch weitere Ankäufe und Aufforstungen vergrößerte sich dieser ursprüngliche Kern des Stadtwaldes auf rund 900 ha.

Die unterschiedlichen Höhenlagen in den Wuchsgebieten Vordertaunus und Hochtaunus bewirken klimatisch bedingte Unterschiede in den Standorten. Vom milden Weinbauklima bis hinauf zum rauen Taunuskamm erstreckt sich der Wiesbadener Wald, d. h. in rascher Abfolge von der Randlichen Eichen-Mischwald-Zone über die Buchen-Mischwald-Zone bis zur Unteren Buchen-Zone. Die Regenmenge liegt – wie allgemein im Taunus – von der Höhenlage eher schwach beeinflusst, auf recht niedrigem Niveau, im Wesentlichen bei 650 bis 750 mm im Jahr. Angesichts der geringfügigen Niederschläge ist die wasserspeichernde Kraft der Böden als Standortfaktor von hoher Bedeutung – günstig bei den verbreitet tiefgründigen und an Feinerde reichen Böden am Hangfuß, in Tal- und Muldenlagen, kritisch auf flachgründigen, ja teilweise sogar felsigen Partien auf Kuppen und Geländerücken. Die geologischen Gegebenheiten und der lösslehmhaltige Boden bilden gute Voraussetzungen für das Waldwachstum auf großer Fläche.

Die Standortfaktoren bewirken eine ökologische Vielfalt. Von Natur aus handelt es sich beim Wiesbadener Wald um ein Laubwaldrevier, in dem weit überwiegend Buchen sowie bei trockenerem und wärmerem Geländeklima auch Eichen den Waldaufbau bestimmen. Ähnlich bietet sich der Wald auch heute dar: 54 % Buche, 21 % Eiche neben 6 % »sonstigen Laubbaumarten« wie Kirsche, Ahorn und Esche (81 % Laubbäume). Die verbleibenden 19 % verteilen sich auf die Nadelbaumarten Fichte, Douglasie, Kiefer und Lärche. Es überwiegt mit 62 % der Mischwald aus wenigstens vier Baumarten. Überdurchschnittlich stark vertreten sind über 100-jährige Baumbestände mit 37 % (im Vergleich: Hessen: 31 %, Bundesrepublik: 18 %).

Die Tierwelt ist arten- und individuenreich vertreten. An Wildarten sind Hirsche, Wildschweine und Rehe zu nennen. Der Wildbestand wird durch die Jagdausübung auf einer für das Gedeihen des Walds zuträglichen Höhe gehalten. Dieser Aufgabe widmen sich zu einem großen Teil Jagdpächter, zu einem geringeren Teil städtische und staatliche Forstbedienstete. Bedauerlicherweise fällt etwa ein Drittel des als abschussnotwendig eingeschätzten Wildes (»Abschussplan«) dem Straßenverkehr zum Opfer. Besonderheiten aus der Pflanzenwelt finden sich vornehmlich auf den sogenannten Nichtholzbodenflächen, insbesondere den zahlreichen meist unter Schutz stehenden Waldwiesen, aber auch auf besonders nassen oder ausgesprochen trockenen Waldstandorten.

Kulturdenkmäler, wie Hügelgräber, Ringwälle, Plätze für Glasgewinnung, Köhlerplatten (= ehemalige Standorte von Kohlenmeilern), Grundmauern römischer Gutshöfe, belegen, dass der Wald bis heute manche Fläche zurückerobert hat, die von Menschen einst gerodet und genutzt worden war. Fast die gesamte Waldfläche übt Schutz- und Erholungsfunktionen aus, insbesondere Klimaschutz. Sie ist Teil des Landschaftsschutzgebietes Taunus sowie des Naturparkes Rhein-Taunus. 11 % des Walds sind zu Bannwald und 67 % zu Schutzwald erklärt worden. Mehrere Naturschutzgebiete, geschützte Landschaftsbestandteile und Naturdenkmäler sowie Altholzinseln und Biotopschutzwald als strenge Arten- und Biotopschutzformen gelten für etwa 10 % der Fläche. Große Waldteile erfüllen die Schutz-Voraussetzungen als FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) nach EU-Recht und sind als »Buchenwälder nördlich Wiesbadens« gemeldet und ausgewiesen, ebenso die Rheininsel Rettbergsaue mit ihrem Auwald. Somit zählen sie zu dem ökologischen Schutzgebietsnetz für Europa Natura 2000.

Die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz erfolgt nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit mit den Verfahren der naturgemäßen Waldwirtschaft. Der stadteigene Wald ist zertifiziert nach den Naturland-Waldrichtlinien sowie nach den Regeln von FSC (Forest Stewardship Council). Der Wald im Landeseigentum hat sich dem PEFC-Zertifikat (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) angeschlossen. Alle diese drei unterschiedlichen Prüfsysteme bestätigen, dass das angebotene Holz aus ökologischer Waldnutzung stammt.

Literatur

Dauber, Helmut: Landwirtschaft und Waldwirtschaft in Naurod. In: 650 Jahre Naurod [S. 104–134].

Rechtern, Ernst: Der Wiesbadener Stadtwald. In: Jahrbuch Verein für Naturkunde 90/1952 [S. 51–106].

Vorkampff-Laue, Walter: Zur Geschichte des Wiesbadener Stadtwaldes. In: Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 1928.