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Wiesbadener Maler und Bildhauer

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Wiesbaden wirkte auf Künstler noch nie schulbildend, wie etwa die Düsseldorfer oder die Münchener Malerschule. Auch entwickelte sich hier zu keiner Zeit eine Künstlerkolonie, wie etwa in Worpswede, im hessischen Willingshausen oder im näher gelegenen Kronberg. Schon im frühen 19. Jahrhundert wurde Wiesbadens kultureller Charakter geprägt. Dafür waren zwei Faktoren ausschlaggebend, nämlich der Sachverhalt, dass diese Stadt Sitz der Regierung und zugleich Kurstadt war.

Schon 1850 klagte Hofrat Philipp Leyendecker, der damalige Vorsitzende des Nassauischen Kunstvereins e.V., dass junge vielversprechende künstlerische Talente, die sich mit der Bitte um Unterstützung an die Stadt gewandt hatten, vertröstet werden mussten. Während der Kurbetrieb Theater und Konzert förderte, blieb die bildende Kunst begleitende Attitüde. Viele der im Folgenden genannten Künstler sind mit Werken im Museum Wiesbaden vertreten. Ein * hinter dem Namen verweist auf Werke des jeweiligen Künstlers im Landesmuseum.

Mit der Ausstattung des barocken Schlosses Biebrich durch Fürst Georg August Samuel zu Nassau werden im 18. Jahrhundert erste nichtheimische Künstlerpersönlichkeiten in Wiesbaden fassbar. Der erste bekannte in Wiesbaden geborene Maler ist Johann Daniel Bager* (1734–1815), ein Porträt-, Genre-, Landschafts- und Früchtemaler. Er stammte aus einer weitverzweigten Wiesbadener Künstlerfamilie. Um von seinem Beruf leben zu können, verließ er seine Heimatstadt, wie nach ihm so mancher andere Künstler. In Frankfurt wurde er als Lehrer tätig. In seiner Autobiografie »Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit« erwähnt Johann Wolfgang von Goethe ihn als einen der Künstler, die für seinen Vater und den Königsleutnant Graf François de Théas de Thoranc arbeiteten. Heinrich Sebastian Hüsgen, der Frankfurter Kunstsammler und große Kenner der Frankfurter Kunstgeschichte seiner Zeit, lobte Bager in einer Abhandlung über die Künstler Frankfurts als bedeutenden Porträtisten und Maler von Stillleben.

Um 1800 setzte unter Fürst Karl Wilhelm zu Nassau-Usingen eine verstärkte Bautätigkeit in Wiesbaden ein, die der Erweiterung und Verschönerung des Stadtbildes dienen sollte. Mit den Kurgästen kamen in der Saison auch Maler, die ihre Dienste als Porträtisten und ihre Produkte – Stillleben und Landschaften – durch Inserate in den Zeitungen anboten. In den Diensten von Herzog Wilhelm zu Nassau, der Wiesbaden 1816 zur Hauptstadt des neuen Herzogtums erhoben hatte, war der Medailleur Philipp Zollmann (1785–1866) erfolgreich tätig. 1808/09 erhielt er vom Herzog eine finanzielle Unterstützung, die es ihm ermöglichte, sich in Durlach bei Karlsruhe bei dem badischen Hof-Stempelschneider Johann Martin Bückle ausbilden zu lassen. 1810 nannte er sich selbstbewusst »Metailleur Zollmann von Wiesbaden« und bat um Unterstützung bei seinem Landesherrn, um in Paris weiterstudieren zu können. Nach Wiesbaden zurückgekehrt, wurde er Münzmeister und arbeitete lebenslang für die nassauischen Herzöge.

Mit dem Maler Ernst Lotichius* (1787–1876) setzt die Tradition ein, dass Wiesbadener Künstler an der Düsseldorfer Akademie studierten. Er stammte aus Wiesbaden-Klarenthal, sein Vater war Herzoglich-Nassauischer Domänenrath. Seine Malerei war auch andernorts gefragt, so konnte er 1839 und 1846 im damals berühmten Rhein. Kunstverein zu Mainz ausstellen. Längere Zeit arbeitete er in Kronberg im Taunus, in München und in Amerika. Seinen Lebensabend verbrachte er in Wiesbaden.

Ein heute hierzulande nahezu vergessener Künstler ist Otto Reinhold Jacobi* (1812–1901). Ab 1830 studierte er in Berlin an der Königlichen Akademie der Künste, anschließend an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1837 wurde er von Herzogin Pauline Friederike zu Nassau zum Hofmaler nach Wiesbaden berufen. In jenen Jahren erteilte Jacobi nicht nur den nassauischen Prinzessinnen Zeichenunterricht, sondern entdeckte auch das malerische Talent des jungen Ludwig Knaus, dem er ein Studium an der Düsseldorfer Akademie empfahl. In Wiesbaden war Jacobi als Landschafts- und Genremaler zwar geschätzt, aber lukrative Aufträge blieben aus. Dies war wohl der eigentliche Grund dafür, dass er 1860 nach Kanada auswanderte. In Montreal ließ er sich zunächst nieder. Seine Karriere begann, als er am Ontario College of Art & Design, der größten und ältesten Universität für Kunst, Lehrer wurde. Seine Werke stellte er jährlich bei der Art Association of Montreal und der Royal Canadian Academy of Arts aus, und im Laufe der Jahre avancierte er zu einem der erfolgreichsten Maler des Landes. 1890 wurde er Präsident der Royal Canadian Academy of Arts.

Auch August de Laspée* studierte an der Düsseldorfer Akademie Malerei. Ludwig Knaus schätzte ihn sehr, wie aus einem Gutachten hervorgeht, das Knaus seinem Malerkollegen 1862 ausstellte, damit dieser als »Conservator« der Herzoglich-Nassauischen Gemäldegalerie eine feste Anstellung finden konnte. De Laspée vertrat die Auffassung, dass die Schule keine Künstler ausbilden könne, denn als Künstler würde man geboren. Die Schule könne dem Talent nur ein sicherer Wegweiser sein. Auch Ludwig Knaus*, dem Herzog Adolph zu Nassau »nur einen einzigen bescheidenen Auftrag zukommen ließ«, kehrte Wiesbaden den Rücken und war mit seiner Genremalerei erfolgreich zunächst in Düsseldorf, dann in Berlin, das er zu seiner Wahlheimat erwählte. Altersgleich mit Knaus, wurde auch Adolf Seel* an der Düsseldorfer Akademie ausgebildet. Er bereiste den Orient 1870/71 und 1873/74 und spezialisierte sich anschließend auf die Darstellung arabischer Architekturen mit figürlicher Staffage. Mit der fotografisch genauen Art seiner Malerei trug er dazu bei, die sogenannte Orientmalerei populär zu machen.

Für das künftige Kunstgeschehen in Wiesbaden sollte die »Gesellschaft der Freunde der bildenden Kunst im Herzogtum Nassau« von Bedeutung werden, die am 16.07.1847 gegründet wurde. Dem späteren Nassauischen Kunstverein e.V. übertrug man 1929 die Aufsicht über die Gemäldesammlung des Museums. Arbeiten des Bildhauers Karl Hoffmann (1816–1872) finden sich noch heute im öffentlichen Raum. Er hatte das Glück, als Stipendiat des nassauischen Staates in der Werkstatt von Bertel Thorvaldsen in Rom zum Bildhauer ausgebildet zu werden. 1842 erhielt er den Auftrag, die Figurengruppe der Hygieia, der Göttin der Gesundheit, in Carraramarmor für den Wiesbadener Kochbrunnen auf dem Kranzplatz zu schaffen. Von Hoffmann stammen auch die Skulpturen in der Bonifatiuskirche, die Kreuzigungsgruppe über dem Chorumgang in der Apsis und die beiden Statuen des heiligen Franziskus von Assisi und der heiligen Teresa von Avila unter den Arkadenbögen des Chorumganges.

Emil Alexander Hopfgarten, ursprünglich Berliner Bildhauer, wurde zu einem der bedeutendsten Wiesbadener Bildhauer. Sein Vetter, August Ferdinand Hopfgarten (1807–1896), arbeitete nur kurzfristig in Wiesbaden. Er malte in Freskotechnik die Hauptkuppel und die überwölbten Joche der Russischen Kirche aus, um danach wieder nach Berlin zurückzukehren. Carl Timoleon von Neff ist neben Alexej von Jawlensky der zweite russische Maler, von dem Wiesbaden ein bedeutendes Werk aufzuweisen hat, nämlich die Ikonostasis in der Russischen-orthodoxen Kirche der heiligen Elisabeth. Der arme Bauernsohn Kaspar Kögler* aus dem Westerwald war einst in Wiesbaden nicht nur als Maler hochgeachtet. Er wurde Ehrenvorsitzender des Nassauischen Kunstvereins und künstlerischer Berater der Stadt.

Das kulturelle Klima in der aufstrebenden Stadt war auch für einen anderen nicht einheimischen Künstler, den Schweizer Bildhauer und Modelleur Johann Jacob Höppli, günstig. 1850 gründete er in der Wörthstraße 4–6 seine »Thonwaaren und Fayencen-Fabrik«. Weitere Künstler, die im 19. Jahrhundert in Wiesbaden Spuren hinterlassen haben, sind z. B. die Bildhauer Karl Philipp Keil (1838–1889), Hermann Schies und Ludwig Schwanthaler (1802–1848), außerdem die Maler Ludwig Pose (1786–1840/41), Friedrich Wilhelm Pose (1793–1870), Alfred Rethel (1816–1859) und Eduard Jakob von Steinle (1810–1886). Als Nassau 1866 preußisch wurde, veränderte sich die bislang unbefriedigende Akzeptanz für bildende Künstler nicht. Die Besuche von Kaiser Wilhelm I. sowie Wilhelm II. in Wiesbaden bescherten dem Kurhaus glanzvolle Bälle und prunkvolle Theateraufführungen. Dichter, Schriftsteller oder Komponisten waren willkommen, da sie den gesellschaftlichen Ereignissen Glanzlichter aufzusetzen vermochten, wozu die bildende Kunst offenbar weniger geeignet war. Die Kurstadt entwickelte sich zusehends zum mondänen Weltbad, in dem sich 1896 die Maifestspiele etablierten.

Doch von Wilhelm II., der die moderne Kunst in Berlin ohnehin als »Rinnsteinkunst« bewertete, hatten junge Künstler auch in Wiesbaden keine Förderung zu erwarten. Dies belegen auch die Fresken die »Vier Jahreszeiten« des Muschelsaales im 1904–06 erbauten neuen Kurhaus, die von Fritz Erler* und Alexander von Salzmann (1870–1933), einem Freund Jawlenskys, gemalt wurden. Als der Kaiser diese Malerei sah, war er ob deren Modernität ungehalten. Erst während des Ersten Weltkriegs fand Erlers nunmehr tendenziös gewordene Kunst bei dem letzten deutschen Monarchen Anerkennung.

Ein international gebildeter Künstler schottischer Abstammung war James Pitcairn-Knowles, der als Neunjähriger mit seinen Eltern nach Wiesbaden kam. Er sollte in die Fußstapfen des Vaters treten und im Wollhandel tätig werden, konnte aber seinen Wunsch, Künstler zu werden, schließlich durchsetzen. Richard Hartmann (1869–1924), der 1890–92 an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert hatte, lebte 1902–09 in Worpswede. Dort malte er Bilder, die in Stil und Motiv für diese Künstlerkolonie charakteristisch sind. Ab 1909 unterhielt er in Wertheim eine eigene Malschule, ehe er sich 1914 in Wiesbaden niederließ.

Vor dem Ersten Weltkrieg wurden verschiedene Künstler von der Stadt mit Aufträgen zur Ausschmückung des Museums Wiesbaden bedacht, z. B. stammt die Dekorationsmalerei verschiedener Innenräume von Hans Völcker. Die Kuppel des Eingangsoktogons wurde von Max Unold (1885–1964) mit Mosaiken verziert und der Bildhauer Hermann Hahn (1868–1942) schuf das Goethe-Denkmal, das auf dem obersten Absatz der Museumstreppe aufgestellt wurde. Von dem vielbeschäftigten Bildhauer Carl Wilhelm Bierbrauer wurden die Figuren und Reliefs an den Fassaden ausgeführt.

Überregionale Bedeutung hatte ehemals der Maler Carl Watzelhan (1867–1942). Er war schon als Kind Wiesbadener geworden. Wie Lotichius, de Laspée, Seel und Knaus besuchte auch er die Düsseldorfer Kunstakademie, um sein Handwerk zu erlernen. Er brachte es zum gefragten Landschaftsmaler und Porträtisten, der nicht nur in Berlin und München ausgestellt wurde. Darüber hinaus führten ihn Aufträge nach Nordamerika und Schweden. Stilistisch ist seine Malerei zunächst vom Realismus der Düsseldorfer Schule geprägt, von dem er sich nach und nach löste und sich zusehends am Jugendstil und noch jüngeren Kunstströmungen orientierte.

Hans Christiansen* zählt zu den bedeutenden Wiesbadener Malern. Als Wegbereiter des Jugendstils hat Christiansen Außerordentliches geleistet. Er entwarf Glasmalereien, Möbel, Keramiken und Schmuck. Ab 1911 lehrte Christiansen an der Kunstgewerbeschule in Wiesbaden. 1933 erhielt er Malverbot. Louis Seel*, dessen Malerei in Paris durch den Orphismus von Robert Delaunay geprägt wurde, ist eine weitere herausragende Figur in der jüngeren Wiesbadener Kunstgeschichte. Dem Besucher der Kaiser-Friedrich-Therme begegnen im Eingangsbereich kostbare bunte Majoliken von Josef Vinecký. Der tschechische Bildhauer war Leiter der keramischen Werkstatt bei Henry van de Velde (1863–1957). Später arbeitete er am Bauhaus und war an der Ausstattung der 1929 gegründeten Werkbundsiedlung in Breslau beteiligt, ehe er 1937 Professor in Bratislava wurde.

Das Jahr 1918 brachte für das bisherige kulturelle Leben eine Zäsur. Für die bildende Kunst engagierte sich zunehmend der Nassauische Kunstverein, was einige Künstler veranlasste, in Wiesbaden zu arbeiten und auf Dauer zu bleiben. So erkor sich der aus Erfurt stammende Otto Ritschl* Wiesbaden als Wirkungsstätte, ebenso Alo Altripp*. Beide sind herausragende Wiesbadener Malerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Dem Zufall eines finanziellen Erfolges 1921 während einer Gruppen-Ausstellung des Nassauischen Kunstvereins ist zu verdanken, dass sich der damals 56-jährige Russe Alexej von Jawlensky* in Wiesbaden niederließ.

Weitere Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die Maler Paul Dahlen (1881–1954), Alois Erbach, Edmund Fabry*, Carl Jacob Frankenbach, Karl Otto Hy, Oskar Kolb, Willy Mulot, Adolf Presber, Franz Theodor Schütt, Vincent Weber.

Literatur

Nassauischer Kunstverein e.V. (Hrsg.): Bildende Kunst in Wiesbaden. Von der bürgerlichen Revolution bis heute. Der Nassauische Kunstverein, Wiesbaden 1997.

Schmidt, Ulrich: Städtisches Museum Wiesbaden, Gemäldegalerie, Katalog, Wiesbaden 1967.