Sprungmarken

Interview Birgit Knetsch zum Innenstadt-Gipfel

Birgit Knetsch, die Referatsleitung Wirtschaft und Beschäftigung Landeshauptstadt Wiesbaden, äußert sich im Interview zum Innenstadt-Gipfel am 1. und 2. Juli im RMCC zu den Zielen der Veranstaltung.

Frage: Sie richten den Innenstadt-Gipfel #RevivalCity am 1. + 2. Juli im RheinMain CongressCenter aus. Was ist das Ziel einer solchen Konferenz?

Birgit Knetsch (BK): Die Pandemie war eine bleierne Zeit der freiwilligen Selbstisolation und der Duldungsstarre. Und seit Ludwig Erhardt wissen wir, dass Wirtschaft zur Hälfte Psychologie ist. Wir brauchen Signale des Aufbruchs. Und da ist #RevivalCity die passende Botschaft. Natürlich kann man lange darüber philosophieren, ob das Glas halb leer oder halb voll ist. Am Ende kommt es darauf an, wieder Tritt zu fassen und anzufangen. Und am Anfang stehen Begegnung und Kommunikation.

Frage: Sie haben sicherlich schwierige Gespräche mit Händlern, denen das Wasser bis zum Hals steht. Sollen die zu der Konferenz kommen?

BK: Für die Gespräche haben wir andere Ebenen, wo wir konkrete Hilfeleistungen vermitteln, über Förderprogramme und Ansprechpartner informieren oder kurze Wege für Genehmigungen oder innerhalb der Stadtverwaltung ebnen. 

Die Konferenz #RevivalCity wirbt dafür, dass sich mehr Stadtakteure dafür aus einem wohl verstandenen Eigeninteresse heraus für die Innenstadt einsetzen und im Stadtzentrum auch die Identitätskerne sehen, die für sie wichtig sind. Wiesbadens Ruf als top Work-Life-Balance-Standort steht auf dem Spiel, wenn rund um das Rathaus und den Hessischen Landtag Leerstände zeigen würden, wie es um die Stadtgesellschaft steht. Das kann sich niemand leisten, dem es beispielsweise um die Werterhaltung seiner Immobilie geht. In unseren Gesellschaften hängt eben alles mit allem zusammen. Und deshalb verbietet sich eigentlich eine Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen anderer, die schnell die eigenen werden können.  Wie bei der Virus-Bekämpfung gilt: Wenn nicht alle sicher sind, ist es keiner. 

Frage: Ist die Digitalisierung an allem schuld, weil niemand mehr vor die Tür muss, um einzukaufen?

BK: Während der Pandemie waren die Kommunikationsformen wie Zoom oder Teams ein Segen, um aus dem Homeoffice heraus die Zusammenarbeit mit den Kollegen aufrecht zu erhalten oder die Lieferdienste zu nutzen für die Warenbeschaffung oder das Mittagessen. Das hat gezeigt, dass die ‚Innenstadt’ nicht alternativlos ist. Es hat sich eine Schere aufgetan zwischen der Warenbeschaffung und dem Stadterlebnis. Früher fiel beides zusammen, jetzt ist es getrennt. Wir in Wiesbaden haben einen Citymanager, auf den jetzt völlig neue Aufgaben zukommen. Denn wir brauchen eine agile und proaktive Wirtschaftsförderung, die die richtigen Anbieter zusammenbringt, um das Stadterlebnis entstehen zu lassen. Das muss organisiert werden und entsteht nicht im Selbstlauf der Ereignisse. 

Frage: Welche Herausforderungen kommen auf die Innenstädte zu?

BK: Zwischennutzungen werden sicherlich ein großes Thema werden. Es weichen ja nicht nur Händler aus der Innenstadt. Auch Banken werden Filialen schließen wollen. Deshalb bin ich sehr gespannt auf das Thema New Work in unserer Konferenz, wo es um neue Arbeitsorte gehen wird. Denn viele Arbeitnehmer werden nicht mehr jeden Tag in ihr Office beispielsweise nach Frankfurt fahren wollen sondern suchen vielleicht mit anderen nach Formen am Wohnort Besprechungen und Treffen durchzuführen im Zwischenbereich zwischen Homeoffice und Company-Office. Die Arbeit kommt künftig zu den Menschen und nicht die Menschen zur Arbeit. Das wird die Innenstädte und Quartiere beleben. Und auch im Thema Umbau, Sanierung, Weiterbau sehe ich ein großes Potenzial, alte Orte neu zu erschließen wie beispielsweise das Alte Gericht. Auch die Arbeitswelt wird stark in Bewegung kommen.

Frage: Warum ziehen Sie den Innenstadtgipfel #RevivalCity als überregionales Ereignis auf? 

BK: Unsere Probleme sind typisch. Typisch für die europäische Stadt, die durch die Zentrifugalkräfte der Digitalisierung gezwungen wird, sich neu zu erfinden. Die Digitalisierung verändert jetzt die reale Stadt. Im 20.Jahrhundert haben wir die Stadt um das Auto herum neu erfunden, jetzt erfinden wir sie um das Smartphone herum. Das Smartphone sagt uns ja schon in der Pandemie über die Apps, ob wir Orte aufsuchen dürfen oder nicht. Diese Navigationsleistung ist vermutlich erst der Anfang. In Zukunft wird die Kommunikation und der Community-Bildung ein zentrales Thema werden. Diese Entwicklung trifft alle Städte. Von daher macht es Sinn, den Austausch zu Konzepten zu intensivieren. Unser Programm-Kurator Helmut M. Bien ist dabei, die entsprechenden Netzwerke mit anderen Städten zu aktivieren und in der Konferenz zu bündeln.

Frage: Dann ist die Konferenz auch gleichzeitig ein Beispiel für Content-Marketing?

BK: Wenn Sie so wollen! Wir organisieren die Kommunikation über die Pfade in die Zukunft öffentlich und zeigen damit, dass wir in Wiesbaden zu den Gameschangern gehören wollen und andere dazu einladen, mit uns zu kooperieren. Ich hoffe auch auf eine Wirkung in Verwaltung hinein. Vielleicht sehen die KollegInnen in der Stadtverwaltung in #RevivalCity auch eine Art Up-Dating nach Corona.