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Dreifaltigkeit

Im Jahr 1912 wurde die Dreifaltigkeitskirche im Dichterviertel als dritte katholische Kirche Wiesbadens nach zweijähriger Bauzeit geweiht.

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Die Dreifaltigkeitskirche im Dichterviertel Wiesbadens wurde von 1910 bis 1912 als dritte katholische Kirche nach St. Bonifatius und Maria Hilf erbaut.

Architekt war der Mainzer Dombaumeister Ludwig Becker (1855–1940). Sein besonderes Interesse galt den Momenten des Übergangs zwischen zwei Stilen. Er griff historische Formen auf, komponierte diese neu und betrachtete diese „Stilmischung“ als Versuch, über die genaue Kopie historischer Vorbilder hinauszugelangen. In Anlehnung an die frühe Gotik bestimmen kubische Baukörper das äußere Erscheinungsbild dieser geosteten, dreischiffigen Basilika mit Querschiff und polygonalem Chorabschluss. Während die Westtürme 38 Meter messen, erreichen die Chorflankentürme eine Höhe von 65 Metern.

Den starken Abfall des Geländes nach Osten hat Becker durch die Anlage einer Krypta ausgeglichen. Schlichtes Strebepfeilerwerk ohne Fialen stützt das Kreuzrippengewölbe des Innern. Der Bau ist in Ziegelmauerwerk mit Architekturgliedern aus hellem Sandstein ausgeführt und innen wie außen verputzt. Einzelne Quader wurden steinsichtig belassen und beleben dadurch die aufgehende Wand. An der Nordseite des Kirchenbaus ist an der Frauenlobstraße das Pfarrhaus und an der Rückertstraße das Küsterhaus angefügt (1912/1913).

Das von einem Dreiecksgiebel überhöhte Hauptportal tritt gegenüber den beiden, an den Rand des Baukörpers verschobenen Seitenportalen durch eine reiche ornamentale wie figurale Gestaltung hervor. Reliefierte Darstellungen der Synagoge und der Ecclesia über Blendfenstern stehen einander gegenüber. Von schlanken Säulen getragene, reich verzierte Bogenläufe öffnen das Portal in die Tiefe. Eine Darstellung der Dreifaltigkeit überhöht im Tympanon eine Versammlung heiliger Gestalten: In einer Achse mit der Trinität ist die Muttergottes angeordnet. Zu ihrer rechten Seite sieht man den Hl. Bonifatius, die Hl. Katharina, Sankt Mauritius und die Hl. Elisabeth. Zur Linken Mariens schließen sich der Hl. Hrabanus Maurus, Sankt Georg als Diözesanpatron, die Hl. Hildegard und der Hl. Ferrutius an. Das Relief wurde von dem Münchner Bildhauer August Weckbecker (1888 – 1939) 1911 ausgeführt.

Als die Dreifaltigkeitskirche nach nur zweijähriger Bauzeit am 29. September 1912 geweiht wurde, fehlte noch ein Großteil der Innenausstattung, so die Altaraufbauten, die Orgel, die Heiligenstatuen, die Ausmalung und die farbigen Fenster. In dem ehemals als Taufkapelle genutzten nördlichen Turmjoch der Eingangshalle stand der Antoniusaltar, von dem heute noch die geschnitzte Figur des Heiligen herrührt. Ihm gegenüber befindet sich ein 1914 geweihtes Vesperbild des Bildhauers Anton Mormann (1851–1940) aus Wiedenbrück, der auch den Kreuzweg der Kirche geschaffen hat.

Aus der Werkstatt der Bildhauerfamilie Steinlein aus Eltville stammen die Figuren der vier Evangelisten und der vier lateinischen Kirchenväter, die über das Kirchenschiff wachen. Umringten diese 2,50 Meter großen Lindenholzskulpturen einst den Chor, stehen sie seit Mitte der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts an ihren heutigen Standorten, auf hoch sitzenden Konsolen entlang der nördlichen und südlichen Mittelschiffwand.

Ein monumentales geschnitztes Triumphkreuz schwebt über der 2003 neu gestalteten Altarinsel. Von dem ersten, ursprünglich als Provisorium gedachten Hochaltar aus dem Jahre 1919 stammen die vier von August Martin und Schöppler gemalten Bildtafeln, die jetzt an den Wänden des Chores angebracht sind. Sie zeigen ganzfigurige Heiligendarstellungen sowie Brustbilder der zwölf Apostel.

Seit Juni 2012 rahmen die alten Tafeln wieder eine Darstellung der Dreifaltigkeit. An zentraler Stelle des Chorpolygons wurde ein zeitgenössisches Kunstwerk installiert. Die Arbeit wurde von dem in Wiesbaden geborenen, in Mainz lebenden Holzbildhauer Andreas Koridass (*1965) geschaffen. Aus drei verschiedenen Stämmen von Ulme, Fichte und Eiche hat er je eine massive, 2,60 Meter hohe Bohle ausgeschnitten und bearbeitet. Dunkel gestrichen und von hinten illuminiert, sind sie schwebend vor die Wand gehängt.

Vor der südlichen Chorturmkapelle, wo ehemals der 1920 geschaffene, heute verlorene Herz-Jesu-Altar seinen Platz hatte, steht der Altaraufsatz des 1921 geweihten Notburga-Altars. Die Mitteltafel zeigt die heilige Notburga als Patronin der Dienstmägde, der Arbeitsruhe und des Feierabends, eingerahmt von der heiligen Zita, rechts, und der Märtyrerin Blandina von Lyon, links. Der Altar stand ursprünglich im nördlichen Seitenschiff unter einem heute verlorenen Fenster mit Szenen aus der Vita der Heiligen.

Der vor der nördlichen Turmkapelle aufgestellte Muttergottes-Altar wurde 1965 durch eine Marienfigur von der Hand Hans-Jakob Steinleins (*1903) ergänzt. Bei den originären Heiligenfiguren handelt es sich um Wilhelm von Aquitanien, den Propheten Jesaja sowie um Josef, Anna, Elisabeth und Klara. Ein Reigen meisterhaft geschnitzter Engelsfiguren rahmt das Altarwerk wie eine Spitzenbordüre.

Erst 1925 erfolgte die Ausmalung der Kirche. Das Chorgewölbe trug einst eine Darstellung des Gnadenstuhls, flankiert von der Muttergottes und Johannes dem Täufer. Die Chorwände zeigten auf der linken Seite die Gregorsmesse, rechter Hand die Vertreibung der Sarazenen durch die heilige Klara. Die Malereien des Vierungsgewölbes feierten die Schöpfung. Im Mittelschiff schwebten Engelspaare auf den Gewölbekappen. Jedes Seitenschiffjoch wurde zudem von einem Himmel aus vergoldeten Gipsblättern vor nachtblauem Grund überfangen.

Entsprechend der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde der Innenraum des Gotteshauses ab 1964 umgestaltet. Den Veränderungen fielen nicht nur der Hochaltar, die Kommunionbänke und die Kanzel, sondern auch die originale Ausmalung der Kirche zum Opfer. Allein Fragmente blieben erhalten. So schmückt ein Bild der Einhornjagd als Metapher für die Verkündigung an Maria bis heute die Brüstung der Orgelempore. 2003 konnte die farbige Fassung des Gewölbeschlusssteins im Chor wieder freigelegt werden.

Kein Kirchenfenster hatte dem Druck der Luftminendetonation in der Gutenbergschule in der Nacht des 2. Februar 1945 standhalten können. Die in den Jahren 1950–1952 geschaffenen Chorfenster des Marburger Künstlers Erhardt Klonk (1898–1984) orientieren sich an den Themen der ursprünglichen Verglasung: Von links nach rechts sieht der Betrachter die Verkündigung an Maria, Christi Geburt, die Taufe Jesu, den Lehr- und Taufauftrag Christi an die Apostel und das Pfingstwunder. Auch das südliche Querhausfenster wurde von Klonk gestaltet. Die Mitte dieses Fensters nimmt seit 2003 ein von der Wiesbadener Künstlerin Angelika Groth geschaffenes Bild der Muttergottes ein. Das ursprüngliche Fenster von 1917 trug eine Darstellung der Krönung Mariens und darunter des Marientodes.

Die am 12. Dezember 1976 geweihte, 24 Register umfassende Orgel aus der Orgelbaufirma Hugo Mayer in Heusweiler/Saar mit Haupt-, Schwell- und Pedalwerk ersetzte die aus dem Jahr 1916 stammende pneumatische Orgel, die als eine der wenigen #Orgeln in Wiesbaden den Krieg überlebt hatte.

1919 wurde die Krypta als Liebfrauenkapelle ausgestaltet. Ihr Netzgewölbe entwächst einer einzigen Mittelsäule. Der auch hier zunächst als Provisorium gedachte Hochaltar wurde von Ludwig Becker entworfen. Die Skulpturen der Madonna und der Leuchter tragenden Engel sind Tilman Riemenschneider nachempfunden. Die Maler Martin und Schöppler zeigten sich für die Ausmalung der Kapelle mit marianischen Themen verantwortlich.

Literatur




Verweise