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Friedrich-Bergius-Straße

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Die Friedrich-Bergius-Straße im Stadtteil Biebrich wurde auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung am 3. Dezember 1964 nach dem Chemiker und Unternehmer Friedrich Bergius (1884-1949) benannt. Sie befindet sich im Baugebiet östlich des Parkfeldes. In diesem Areal wurden mehrere Straßen nach bekannten Chemikern benannt.

Bergius wurde am 11. Oktober 1884 als Sohn des Fabrikanten Heinrich Bergius in Goldschmieden bei Breslau geboren. Nach dem Abitur am Realgymnasium in Breslau studierte er Chemie u.a. an der Universität in Leipzig. In Leipzig wurde er promoviert, 1912 erfolgte seine Habilitation an der Universität Hannover.

1913 wechselte Bergius von der Lehrtätigkeit als Privatdozent in die Chemiewirtschaft. Im selben Jahr meldete er ein Patent für ein Verfahren zur Kohleverflüssigung an. 1914 wurde er Leiter der Forschungslaboratorien der Theodor Goldschmidt AG in Essen. 1916 wurde Bergius stellvertretendes Vorstandsmitglied des Unternehmens. Zum Kriegsdienst wurde er nicht herangezogen.

Zwischen 1918 und 1924 war Bergius Generaldirektor der Erdöl- und Kohleverwertung AG. Im Jahr 1920 übernahm er zusätzlich den Posten des Generaldirektors des neu gegründeten Konsortiums Deutsche Bergin AG. In den 1920er Jahren verkaufe Bergius sein Patent zur Kohleverflüssigung an die I.G. Farben AG und forschte an einer Methode zur Umwandlung von Holz in Kohlenhydratefuttermittel. 1927 richtete er eine Versuchsanlage für dieses Verfahren ein und wurde Vorsitzender des Aufsichtsrates der Holzhydrolyse AG.

Im Jahr 1931 erhielt Bergius zusammen mit Carl Bosch den Nobelpreis für Chemie.

Nach der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten war Bergius‘ Methode zur Zuckergewinnung aus Holz ein wichtiger Bestandteil der Autarkiebestrebungen der Nationalsozialisten. Bergius wurde nicht Mitglied der NSDAP. Das NS-Regime unterstützte Bergius‘ Forschungen und Verfahren. 1934 wurde eine Holzhydrolyse-Anlage in Mannheim errichtet. Die Forschungsförderung des NS-Regimes ermöglichte es Bergius, in Heidelberg ein Laboratorium einzurichten. 1936 wurde das Holzverzuckerungsverfahren in den Vierjahresplan zur Rohstoffsicherung aufgenommen.

Bergius war Mitglied des Aufsichtsrates der Deutsche Bergin AG und bis 1942 ihr Generaldirektor. Während des Zweiten Weltkrieges soll Bergius außerdem in der Auslandsspionage tätig gewesen sein.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte Bergius, sein Verfahren zur Holzverzuckerung als Teillösung für die herrschende Nahrungsmittelknappheit anzubieten. Er ließ sich in Österreich nieder und gründete die Dr. Friedrich Bergius Fabrikationsgesellschaft m.b.H.

Wegen der NS-Belastung einiger Mitarbeiter geriet das Unternehmen in den Fokus der Öffentlichkeit, woraufhin Bergius Österreich verließ und in mehreren Ländern, darunter auch Argentinien, als Berater tätig war. Friedrich Bergius starb am 30. März 1949 in Buenos Aires.

Wegen des öffentlich artikulierten Bekenntnisses Friedrich Bergiusʼ und der Erlangung materieller Vorteile durch die finanzielle Förderung seiner Forschungen durch das NS-Regime empfahl die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsfläche, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden 2023 die Kontextualisierung der Friedrich-Bergius-Straße.