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Lilienthal, Saul

Lilienthal, Saul

Oberkantor der Jüdischen Gemeinde, Religionslehrer, Verleger

geboren: 14.10.1877 in Jerutten (Ostpreußen)

gestorben: 30.10.1944 im KZ Auschwitz


Artikel

Lilienthal trat Ende des 19. Jahrhunderts seine erste Stelle als Kantor in Berlin an. Er nahm als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil und wurde schwer verwundet. Es folgten Stationen in Leipzig, Düsseldorf, Posen und Freiburg, bis er mit seiner Familie nach Wiesbaden zog. Seit 1925 unterrichtete er hier an öffentlichen Schulen und bekleidete das Amt des Oberkantors an der Hauptsynagoge am Michelsberg. Seine Synagogenkonzerte mit Chor erfuhren überregionale Beachtung.

Lilienthal beschränkte sich jedoch nicht auf sein Wirken als Oberkantor und Religionslehrer, sondern gründete um 1925 die »Jüdische Wochenzeitung für Nassau«, die er, gemeinsam mit Henry Spett, rund ein Jahrzehnt lang herausgab. Noch 1938 gelang es Lilienthal, das Buch »Jüdische Wanderungen in Frankfurt am Main, Hessen und Hessen-Nassau« zu veröffentlichen – eines der letzten gedruckten Bekenntnisse eines deutschen Juden zu seiner Heimat. Seit 1936 arbeitete er an der provisorischen Jüdischen Schule in der Mainzer Straße.

Zusammen mit dem Rechtsanwalt Berthold Guthmann organisierte er zudem die Flucht von Glaubensgenossen vor den Nationalsozialisten ins Ausland. Mit seiner Frau Berta und seinen Söhnen versuchte er, die Zeit der Verfolgung durchzustehen und »seine Gemeinde« in Wiesbaden nicht im Stich zu lassen. Erst 1939 floh er mit seiner Frau nach Amsterdam. Im September 1943 wurde Lilienthal aus dem Sammellager Westerbork in das KZ Theresienstadt deportiert und am 30.10.1944 im KZ Auschwitz ermordet. Das Schicksal von Berta Lilienthal konnte bis heute nicht geklärt werden. Der Sohn Lebrecht ist mit seiner Familie im KZ Sobibór umgekommen. Die Söhne Theodor und Felix Lilienthal konnten emigrieren und haben überlebt. Beide sind Rabbiner geworden.

Literatur

Begegnungen. Schriftenreihen des Aktiven Museums Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte (AMS) in Wiesbaden, Bd. 1, Paulgerd Jesberg und Lothar Bembenek (Hrsg.), Wiesbaden 1988.