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Wüstungen

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Unter der Bezeichnung Wüstungen subsumiert die Forschung Siedlungsstellen (Städte, Dörfer), Wirtschaftsflächen (Flurwüstungen) sowie Industrieanlagen (Industriewüstungen), die ganz oder teilweise aufgegeben wurden. Die Gründe für Wüstungsbildungen waren vielfältiger Natur: Unfruchtbare Böden konnten hierzu ebenso beitragen wie Bevölkerungsschwunde oder -verlagerungen, die z. B. in Kriegen, Epidemien oder Auswanderungswellen ihre Ursachen hatten. Obwohl es das Phänomen der Wüstungsbildung bereits seit der Sesshaftwerdung des Menschen gegeben hat, ist sie in den jeweiligen Landschaften meist an bestimmte Zeiten gebunden. Die Schriftquellen berichten nur selten über die Aufgabe einer Siedlungsstelle. Deshalb befasst sich neben der Archäologie vor allem die historische Geografie mit der Erforschung von Wüstungen, da sich die ehemaligen Namen häufig in Flurnamen erhalten haben.

Auch im Wiesbadener Stadtgebiet befanden sich im Mittelalter eine ganze Anzahl von dorfähnlichen Niederlassungen, die zu unterschiedlichen Zeiten aufgegeben wurden. Im Bereich der Innenstadt gab es drei: Südwestlich des Dürerplatzes, etwa im Bereich der St. Elisabeth-Kirche, befand sich der Weiler Uffhoben, der zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert mehrfach urkundlich erwähnt wird und mindestens bis 1531 bestanden hat. Ganz in der Nähe, ungefähr an der heutigen gleichnamigen Straße, lag die Siedlung Seeroben, die bereits vor 1367 aufgelassen wurde. Nahe der Weidenbornstraße bestand wohl im 14./15. Jahrhundert eine Niederlassung namens Seschlingen.

Im Bereich der Vororte ist eine noch größere Zahl an Wüstungen nachweisbar, nämlich sieben: Der heutige Name Aukamm geht auf ein Dorf aus fränkischer Zeit zurück, das spätestens im 14. Jahrhundert aufgegeben wurde und den Namen Auwenkeym trug. In der Gemarkung Bierstadt befand sich ein nach 1000 entstandener und später eingegangener Weiler namens Kirchrode. Eine weitere Siedlung namens Eigenhausen lag in der Gemarkung Igstadt. Sie fällt aus etymologischen Gründen in eine Gründungsperiode mit Niedernhausen. Bei Auringen stand bis nach 1494, längstens aber bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ein Gutshof namens Meilingen oder Mellingen. Die Straße »Am Wellinger« in Auringen bezieht sich auf diese Ansiedlung. Nicht abschließend geklärt ist die geografische Lage des bereits vor 1221 ausgegangenen, bei Sonnenberg gelegenen Arnold(i)srod. Bei Erbenheim befand sich noch im 14. Jahrhundert eine Siedelstelle namens Obererbenheim.

Die bekannteste Wüstung dürfte das unweit Medenbach gelegene ehemalige Dorf Kostloff sein, das um 1530 etwa 120 Einwohner zählte und damit größer als Medenbach war. Streitigkeiten mit dem Nachbardorf um die Gerichtsbarkeit und das Schultheißenamt sind in den Quellen ebenso überliefert wie Dorfbefestigungen (Pforte und Falltor) und angrenzende Weingärten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts setzte sich jedoch Medenbach allmählich als Siedlungspunkt durch, im Laufe des Dreißigjährigen Krieges wurde Kostloff vollständig aufgegeben. Der Medenbacher Heimat- und Geschichtsverein hat im Jahr 2003 eine archäologisch-geophysikalische Prospektion durchführen lassen, die weitere Aufschlüsse über die Lage und Beschaffenheit Kostloffs lieferte. In Medenbach erinnert neben dem Namen der Gemarkung auch eine Straße an die Wüstung.

Literatur

Renkhoff, Otto u. Dauber, Helmut: Medenbach bei Wiesbaden In: Nassauische Annalen. Hrsg.: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, 109/1998 [S. 407–429].