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Wiesbadener Helmuth-Plessner-Preis 2017 geht an Peter Sloterdijk
Der Wiesbadener Helmuth-Plessner-Preis, der in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben wird, geht an den Philosophen und Schriftsteller Peter Sloterdijk.
Der Helmuth-Plessner-Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird alle drei Jahre in Kooperation mit der Helmuth Plessner Gesellschaft durch die Landeshauptstadt Wiesbaden an Plessners Geburtstag, 4. September, verliehen. Der erste Preisträger 2014 war Michael Tomasello.

Helmuth Plessner war für die deutsche und europäische Philosophie, Anthropologie und Soziologie ein bedeutender Impulsgeber. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag zum 125. Mal.

Gemeinsam mit der Helmuth Plessner Gesellschaft ist es der Landeshauptstadt Wiesbaden ein Anliegen, die Person Plessner und seine Gedanken mit diesem Preis in die Öffentlichkeit zu rücken und gleichzeitig eine renommierte Persönlichkeit auszuzeichnen, die in der Philosophie oder Anthropologie oder Soziologie „im Sinne Plessners“ Perspektiven des Plessnerschen Werks in hervorragender Weise weiter denkt.

Mit Peter Sloterdijk wird einer der bedeutendsten deutschen Gegenwartsphilosophen und Kulturwissenschaftler geehrt. Er studierte in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. Sein 1983 im Suhrkamp Verlag erschienenes Werk „Kritik der zynischen Vernunft“ zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.

Neben seinem umfangreichen schriftstellerischen Wirken war Peter Sloterdijk in den vergangenen Jahrzehnten an zahlreichen Hochschulen im In- und Ausland als Professor und Dozent für Philosophie tätig.

„Peter Sloterdijk mit dem Helmuth Plessner-Preis auszuzeichnen, ist für die Landes-hauptstadt Wiesbaden eine große Ehre“, freut sich Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz, die dem Kuratorium zur Vergabe des Preises vorstand. „Mit seinen Beiträgen und Büchern hat Peter Sloterdijk in Deutschland - und darüber hinaus - zahlreiche Debatten ausgelöst und Denk-Impulse in weite Teile unserer Gesellschaft gegeben“, betont sie.

An der Sitzung des Preiskuratoriums nahmen gleichberechtigt die Wissenschaftler der Helmuth Plessner Gesellschaft, Joachim Fischer, Hans Peter Krüger, Olivia Mitscherlich-Schönherr und Marco Russo, sowie die von der Stadt nominierten Mitglieder Tilman Allert, Ayse Asar und Lorenz Jäger teil.

Am 4. September soll der Preis im Rathaus im Rahmen eines Festaktes an Peter Sloterdijk übergeben werden.


Hintergrund:

Helmuth Plessner, 1892 in Wiesbaden geboren, lebte bis zu seinem 20. Lebensjahr in der
„Weltkurstadt“. Sein Vater war ein in der Stadt anerkannter Sanatoriumsarzt und -leiter
jüdischer Herkunft.

Plessner studierte im Anschluss an sein Abitur am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium parallel Zoologie und Philosophie in Heidelberg, dann Philosophie in Erlangen und Göttingen.

Nach seiner Habilitation 1920 verfolgte er konsequent seine Laufbahn als Privatdozent für Philosophie an der neu gegründeten Kölner Universität neben Max Scheler.

1933 wurde er wegen der jüdischen Herkunft seines Vaters aus dem Hochschuldienst entlassen und ging ins niederländische Exil nach Groningen. Nach seiner Remigration 1949 wurde er als Göttinger Soziologe und Philosoph mit Horkheimer, Adorno und Gehlen einer der wichtigen Intellektuellen der jungen Bundesrepublik Deutschland („Verspätete Nation“).


Plessners Werk „Die Stufen des Organischen und der Mensch“ (1928; 1975) zählt zu den meistdiskutierten Denkansätzen der Philosophischen Anthropologie. Seine sozialphilosophische Studie zu den „Grenzen der Gemeinschaft“ fand nach 1989 auch außerhalb von Fachkreisen erhebliche Beachtung.

Sloterdijks Werk wird in der Theorieöffentlichkeit als originärer Beitrag zur „philosophischen Anthropologie“ verstanden und europaweit rezipiert. „Sloterdijk gilt außerhalb der deutschen Grenze als einer der Vertreter und Erbe der philosophischen Anthropologie, weil er gegen die Anti-Anthropologie Heideggers Stellung bezogen hat.“ (Marco Russo).

Diese „anthropologische Aufklärung“ der ‚conditio humana‘ findet sich bereits im ersten, im grundlegenden Band der „Sphären-Trilogie“ (Sloterdijks bisheriges Hauptwerk 1998-2004), in der von vorherein von der Mitwelt als menschenbildender Konstellation ausgegangen wird: das menschliche Lebewesen als „duales Wesen“ in der vorsprachlich-dialogischen Ich-Du-Beziehung zwischen Fötus und Mutter, im Mutter-Kind-Raum.

In der Fortführung hat Sloterdijk in der Abhandlung „Menschentreibhaus“ (2001) eine systematische „anthropologische Aufklärung“ der conditio humana unternommen – in expliziter Abgrenzung vom Darwinismus einerseits, vom Kulturalismus andererseits.

Er arbeitet ein Geflecht von vier Mechanismen der „Anthropogenese“ im Lebens-Feld heraus, um den Übergang der Primaten zum Menschen phylo- und ontogenetisch zu rekonstruieren: Den Mechanismus der „Insulation“ von Primatengruppen mit der Schaffung einer spezifischen Mitwelt (eines sozialen Binnenklimaraums); den Mechanismus der „Körperausschaltung“ mit der Entfaltung des Werfens als „Distanztechnik“ zur Natur; den Mechanismus der „Pädomorphose bzw. Neotonie“ mit der Verlängerung und Erhaltung der „Infantilität“ in der Menschengestalt; den Mechanismus der „Übertragung“, in der durch die sprachlichen Metaphern aus der Vertrautheitszone die „Weltoffenheit“ Schritt für Schritt erschlossen wird.

Theoriesystematisch und methodisch handelt sich um eine parallele Struktur zu Plessners Vorgehen in dessen großer Abhandlung „Die Frage nach der conditio humana“ (1960), in der er die „Stufen“ von 1928 modifizierte und reformulierte (dabei am Kern festhaltend). Plessner ging es hier darum, im Kontakt mit der biologischen und vor allem der anthropologischen Forschung die Bedingungen der Möglichkeit des Menschen in der Naturgeschichte, im Tier-Übergangsfeld aufzuklären: die mit dem „menschlichen Bauplan“ mitgegebenen Mechanismen der „Imitation und Reziprozität“, der „Verdinglichung“ des eigenen Körpers und der „Verdrängung“ seiner Triebimpulse, der Sprache als „Überhöhung des Auge-Hand-Feldes“, der Grenz-Regulierung des „Welt-Umweltverhältnisses“.

Interessant ist, dass Sloterdijk seine Konstellationsanalyse der conditio humana unter Einbeziehung von Paul Alsberg, Louis Bolk, Adolf Portmann und Dieter Claessens entwickelt, also genau in dem philosophisch-anthroposoziologischen Netzwerk, innerhalb dessen Plessner und Scheler die Hauptprotagonisten sind.

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Herausgeber:
Pressereferat
der Landeshauptstadt Wiesbaden
Schlossplatz 6
65183 Wiesbaden
Für Fragen der Bürgerinnen und Bürger
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