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Kongress- und Tagungswesen

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Seit den 1850er-Jahren wurde das Kongress- und Tagungswesen zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor für Wiesbaden.

Von 1852 bis 1914 fanden ca. 300 Kongresse, Tagungen und Versammlungen statt. 1898 z. B. tagten im April – wie in jedem Jahr – der Kongress für Innere Medizin (Internistenkongress), im Juli der Deutsche Ärztetag, im August und September die Haus- und Grundbesitzervereine, der Zentralverband deutscher Kaufleute und der deutsche Schriftstellerverband. Ein gewisser Schwerpunkt lag auf medizinischem Gebiet: So hielten 1902 außer den Internisten auch Verbände der Tierärzte und Dentisten, außerdem das Deutsche Rote Kreuz, der Bäckerverband, der Alpenverein, der Bund deutscher Frauenvereine und verschiedene kleinere Vereine ihre Versammlungen in der Kurstadt ab.

Initiatoren waren in erster Linie die Verbände selbst; oftmals aber lag den Tagungen eine Einladung der städtischen Körperschaften, der Kurverwaltung oder hiesiger Vereine zugrunde. So lud die Stadtverordnetenversammlung 1875 den deutschen Journalistentag für das nächste Jahr nach Wiesbaden ein.

Die teilweise recht bedeutende Zahl der Kongressbesucher und der sie begleitenden Damen war für die Hotellerie ein Wirtschaftsfaktor ersten Ranges. So schrieben sich beim Kongress der deutschen Naturforscher und Ärzte im September 1852 776 Teilnehmer in die ausliegenden Listen ein, doch betrug ihre Zahl infolge der ebenfalls hier anwesenden Ehefrauen weit mehr als 1.000.

Tagungsorte waren das Kurhaus, die Wiesbadener Casino-Gesellschaft und das Paulinenschlösschen; das Beiprogramm sah vielfach eine Kurhaus- und Kochbrunnenbesichtigung, Festbälle, Gartenfeste mit Konzert, großer Illumination und abschließendem Feuerwerk vor. Auch die Walhalla, wo im Juni 1905 der 30. Deutsche Schmiedetag mit 250 Teilnehmern stattfand, und Hotels wie das Victoria, das im selben Jahr die Freisinnige Volkspartei mit 600 Mitgliedern inklusive Damen beherbergte, wurden für Kongresse genutzt.

Der Erste Weltkrieg und die sich anschließende Besatzungszeit brachte naturgemäß einen Einbruch auch für das Kongress- und Tagungswesen, jedoch lebte es seit etwa 1926 mit Versammlungen des Verbandes Deutscher Elektrotechniker, der Tanzschullehrer und einigen kleineren Veranstaltungen wieder auf.

Viele Besucher kamen auch zu den überregionalen Festveranstaltungen von Musik- und Turnvereinen. Die Gesangvereine Liederkranz und Concordia holten im Juni 1861 ca. 400 Sänger zu einem Fest des Rhein-Mainischen Sängerbundes in die Stadt, in dem Volkslieder zu Gehör gebracht wurden; der Herzog stellte dafür die Reitbahn zur Verfügung. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Wiesbadener Männergesangvereins kamen gar über 1.500 Sangesfreunde aus Deutschland und Österreich im August 1881 nach Wiesbaden. Gut besucht war auch das 24. Mittelrheinische Kreisturnfest im August 1899.

Die Entwicklung des Kongress- und Tagungswesens verlief nach dem Zweiten Weltkrieg schleppend, bis im November 1948 ein Fremdenverkehrsreferat gegründet wurde, dem vor allem die Durchführung von Kongressen oblag. 1949 wurden bereits wieder 78 Tagungen mit 10.211 Besuchern gezählt, 1954 stieg die Zahl auf knapp 100 und rund 25.000 Teilnehmer.

Im Jahr nach dem Bau der Rhein-Main-Hallen verzeichnete man 223 Kongresse, Tagungen und Messen mit 41.957 Besuchern. Neben der HAFA etablierten sich weitere Fachmessen; außer den Internisten hielten die Immobilienmakler, die Beton- und die Keramikindustrie sowie die deutschen Naturforscher und Ärzte in Wiesbaden ihre Versammlungen ab. Nach einem Rückgang des Kongress- und Tagungswesens seit den 1970er-Jahren wird davon ausgegangen, dass der Neubau der Rhein-Main-Hallen ab 2018 eine Neubelebung zur Folge haben wird.

Literatur

Verwaltungsberichte der Stadt Wiesbaden.

Wiesbadener General-Anzeiger 92, 21.04.1907.

Taubstummenkongress, 1894 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-13863, Urheber: W. Hänlein
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