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Die Kammermusik

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Der »Verein der Künstler und Kunstfreunde« (seit 2004 »Die Kammermusik«) wurde 1872 gegründet. Die Programme umfassten unter anderem Konzerte, Ausstellungen, Vorträge aus verschiedenen Kunstgebieten. Erster Vereinsdirektor war Carl Georg Firnhaber. Als jedoch die Kurdirektion zunehmend eigene Vortragsreihen organisierte, konzentrierte man sich auf musikalische Darbietungen mit einer Spezialisierung auf Kammermusik und einem Schwerpunkt auf der Form des Streichquartetts.

Charakteristisch war schon damals auch die Einbeziehung von Werken der zeitgenössischen Musik. Durch das Engagement von Prof. Franz Mannstaedt konnten viele namhafte Künstler nach Wiesbaden eingeladen werden, darunter der Geiger Carl Flesch und der Cellist Enrico Mainardi sowie die Pianisten Wilhelm Backhaus und Arthur Schnabel. Komponisten wie Johannes Brahms, Max Reger und Richard Strauss traten als Interpreten eigener Werke auf. Bevor sich die historische Aufführungspraxis in den Konzertsälen etablierte, fand 1904 ein Konzert der »Société de Concert des Instruments Anciens« unter der Leitung von Camille Saint-Saëns statt.

Die Kriegs- und Nachkriegszeit gestaltete sich schwierig. In den 1920er-Jahren konnten wieder vermehrt bedeutende Interpreten verpflichtet werden, so das Guarneri-Quartett, die Pianisten Eduard Erdmann, Walter Gieseking, Claudio Arrau und Elly Ney. Einen tiefen Einschnitt brachten die 1930er- und die beginnenden 1940er-Jahre aufgrund der politischen Rahmenbedingungen im Nationalsozialismus und unter anderem des damit zusammenhängenden Ausbleibens jüdischer Künstler, die die hohe Qualität der Konzerte maßgeblich mitgeprägt hatten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dauerte es einige Jahre bis zur Wiedererlangung einer Lizenz zur Veranstaltung von Konzerten.

Seit den 1950er-Jahren traten vermehrt wieder herausragende ausländische Künstler auf, so der Cellist Pierre Fournier, die Pianistin Monique Haas sowie Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus Wien auf alten Instrumenten. In der Folge wurden weitere Kontakte geknüpft, z. B. zum Juilliard-Quartett, zum Amadeus-Quartett, zum LaSalle-Quartett und zum Beaux Arts Trio. Immer verband sich der Wunsch nach Bewahrung der Tradition mit dem Ziel, auch zeitgenössische Musik – bis hin zu Uraufführungen und prämierten Auftragskompositionen – erklingen zu lassen sowie jüngeren Interpreten einen Raum zu öffnen.

Dem entspricht das Bemühen, auch ein junges Publikum an die Kammermusik heranzuführen. Im Zusammenhang mit der Förderung junger Künstler (»Junge Elite«) ist die neue Zusammenarbeit mit der »Kronberg Academy« zu sehen. Eine weitere neue Kooperation wurde mit der »Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation«, München, begründet.

Seit der Gründung 1872 fanden über 1.200 Konzerte statt. Seit einigen Jahren ist in jeder Saison auch ein Liederabend zu erleben. Aufführungsort ist seit über einhundert Jahren der große Saal der Wiesbadener Casino-Gesellschaft in der Friedrichstraße 22.

Literatur

Die Kammermusik in Wiesbaden e.V. (Hrsg.): 140 Jahre Kammermusik in Wiesbaden, Wiesbaden 2012.

Lewinsky, Wolf-Eberhard von (unter Mitarbeit von Ursula Jung): Kammermusik. Die Krone des Konzertwesens. Der 120jährige »Verein der Künstler und Kunstfreunde« als Spiegel der Wandlungen im Musikleben Wiesbadens (hrsg. vom Verein der Künstler und Kunstfreunde e.V.), Wiesbaden 1992.