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Broer, Thomas Clemens

Broer, Thomas Clemens
Oberstabsarzt der Bundeswehr
geboren: 02.09.1976 in Wiesbaden
gestorben: 15.04.2010 in Baghlan-i-Jadid, Afghanistan


Artikel

Thomas Clemens Broer wurde am 2. September 1976 in Wiesbaden-Sonnenberg als einziges Kind eines selbständigen Elektroinstallateurs geboren. Broers Mutter arbeitete als kaufmännische Angestellte im Familiengeschäft. Als Kind besuchte er zunächst den St.-Georg-Kindergarten in Wiesbaden-Frauenstein in der Nähe seines Wohnorts. 1982 wurde Broer auf der Grundschule Schelmengraben eingeschult. Nach der Grundschule wechselte er zunächst 1987 auf die Gerhart-Hauptmann-Schule und dann auf das Carl-von-Ossietzky-Oberstufengymnasium in Wiesbaden-Klarenthal. Als Leistungsfächer belegte der Schüler in der Oberstufe die Fächer Mathematik und Biologie. In dieser Zeit engagierte er sich auch in der Schülervertretung, bereits in der Grundschule war er Klassensprecher gewesen.

Während seiner Schulzeit betrieb Thomas Broer erfolgreich Mannschaftssport. Seit 1984 spielte er mit großem Erfolg Handball beim Turn- und Sportverein Dotzheim e.V., dessen Jugendmannschaften er durchlief. Als A-Jugendlicher trat er für den TuS Dotzheim in der höchsten Handball-Spielklasse für Jugendliche, der Oberliga, an. Zugleich betreute Broer von 1993 bis 1996 als Trainer die männliche E-Jugend des Vereins. Auch im jungen Erwachsenenalter spielte Broer für verschiedene Herren-Mannschaften seines Heimatvereins.

Noch als Schüler stellte Broer im November 1995 einen Antrag auf Einstellung für den freiwilligen Dienst als Offizier der Bundewehr bei der zuständigen Meldestelle in Wiesbaden. Als Verwendungswunsch gab der 19-Jährige eine Laufbahn als Offizier mit verbundenem Medizinstudium an. Im Januar 1996 verpflichtete er sich zunächst für 16 Jahre als Soldat auf Zeit. Später verlängerte er diese Verpflichtung auf 18 Jahre.

Nachdem Broer im Juni 1996 sein Abitur mit der Durchschnittsnote 1,2 abgelegt hatte und die notwendigen Aufnahmeuntersuchungen und -prüfungen bestanden hatte, wurde er zum 1. Juli 1996 als Offiziersanwärter in die Laufbahn des Sanitätsdienstes bei der Marine mit dem Dienstgrad eines Matrosen eingestellt.

Es folgte die militärische Grundausbildung an der Marineunteroffiziersschule in Plön sowie an der Marineschule Mürwik in Flensburg, der Offizierschule der Deutschen Marine. Im Spätsommer und Herbst 1996 absolvierte der Offiziersanwärter die seemännische Grundausbildung auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ und wurde zum Gefreiten befördert. Nach einer Reihe von Lehrgängen an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München und an der Marineschule Mürwick sowie verschiedenen Truppenpraktika wurde Broer zum Sommersemester 1997 zur Ausbildungskompanie Fach- und Fachschulausbildung Mainz versetzt und für die Aufnahme eines zivilen Studiums von der Bundeswehr beurlaubt.

In Mainz nahm Broer an der Johannes-Gutenberg-Universität ein Studium der Humanmedizin auf. Im Beurlaubtenstand wurde er im Juli 1997 zum Seekadetten, im April 1998 zum Fähnrich zur See und im Juli 1999 zum Oberfähnrich zur See befördert. Seine medizinischen Praktika absolvierte er am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz und in verschiedenen Standortsanitätszentren der Bundeswehr.

Nach der Ärztlichen Vorprüfung 1999, wurde der Student im Juni 2000 zum Leutnant zur See und damit zum Offizier befördert. Im Mai 2003 schloss er sein Studium mit der Gesamtnote „sehr gut“ ab. Im Oktober 2004 erhielt Thomas Broer seiner Approbation als Arzt.

Mit dem Studienabschluss wechselte der Leutnant z.S. für seine klinischen Weiterbildungsabschnitte und als Arzt im Praktikum zu verschiedenen Sanitätsdienststellen der Bundeswehr, u.a. zu Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz und zum Bundeswehrkrankenhaus in Ulm.

Im September 2004 wurde Leutnant z.S. Broer bei durchgehend sehr guten bis exzellenten Bewertungen durch seine Vorgesetzten zum Stabsarzt befördert. Zur gleichen Zeit folgten u.a. in Koblenz, München und Fürstenfeldbruck lehrgangsgebundene Weiterbildungen u.a. zum Schiffsarzt, in der Notfall- und Fliegermedizin, in der Tropenmedizin und zum Leiter von Sanitätsteams. Parallel trieb Leutnant z.S. Broer seine Dissertation voran und wurde am 13. Dezember 2005 an der Universität Mainz mit seiner Arbeit „Ergebnisse der knöchernen endonasal-transpalpebralen Orbitadekompression bei endokriner Orbitopathie“ zum Doktor der Medizin cum laude promoviert.

Nach der Tätigkeit in verschiedenen Abteilungen der Bundeswehrkrankenhäuser Ulm und Koblenz, dem Beginn seiner Facharztausbildung zum Hautarzt sowie einer großen Zahl weiterer Fortbildungen und Einweisungen wurde Broer von Sommer 2006 bis Sommer 2008 als Schiffs- und Geschwaderarzt auf der Fregatte F 209 „Rheinland-Pfalz“ mit Heimathafen Wilhelmshaven eingesetzt. In dieser Zeit absolvierte er einem dreimonatigen Lehrgang beim US Navy Environmental and Health Center in Norfolk/Virginia.

An Bord der „Rheinland-Pfalz“ – insgesamt verbrachte er 153 Tage auf See – nahm Broer von November 2007 bis Januar 2009 an der NATO-Operation „Active Endeavour“ zur Seeraumüberwachung im Mittelmehr teil. Mit dieser Mission zeigte die NATO zwischen 2001 und 2016 zur Abschreckung terroristischer Aktivitäten im Mittelmeerraum Präsenz und ging gegen Schmuggler vor. Broer war neben seiner Tätigkeit als Schiffsarzt u.a. auch für die Freizeitbetreuung und für die sanitätsdienstliche Helferausbildung der rund 200 Seeleute verantwortlich.

Für seine Teilnahme an diesem Einsatz wurde Broer mit der NATO-Medaille und mit der Einsatzmedaille der Bundeswehr in Bronze ausgezeichnet. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland und seiner Beförderung zum Oberstabsarzt, der erneut exzellente Beurteilungen durch seine Vorgesetzten vorangegangen waren, die neben seinen fachlichen Leistungen insbesondere auch seine Leistungsbereitschaft, sein kameradschaftliches Verhalten und seine Dienstauffassung lobten, setzte Broer ab Juli 2008 seine Ausbildung zum Facharzt für Dermatologie und Allergologie am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm fort.

Vom 14. Juli 2009 bis zum 26. August 2009 absolvierte Oberstabsarzt Dr. Broer seinen zweiten Auslandseinsatz beim deutschen ISAF-Kontingent in Afghanistan. Als Sanitätsoffizier war er im Feldlager „Camp Marmal“ bei Mazar-e-Sharif bei der Klinik-Kompanie des Sanitätseinsatzverbandes eingesetzt. 2003 begannen die Operationen der mit einem UN-Mandat ausgestatteten International Security Assistance Force (ISAF) der NATO in Afghanistan. Dabei kam es immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen ISAF-Einheiten im Verbund mit der regulären afghanischen Armee und islamistischen Kombattanten, insbesondere Taliban-Kämpfern, in deren Folge alliierte Soldaten medizinisch versorgt werden mussten. Das Einsatzlazarett der Bundeswehr versorgte aber auch Angehörige von Hilfsorganisationen, deutsche Staatsangehörige in Afghanistan sowie afghanische Armeeangehörige und Zivilisten.

Dr. Broer betreute in dieser Zeit vor allen Dingen Patienten mit dermatologischen oder tropenmedizinischen Erkrankungen, nahm am allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst teil und unterrichtete Militärpolizisten im Sanitätsdienst. Die Beurteilungen durch seine Vorgesetzten nach dem Auslandseinsatz lobten erneut Dr. Broers Fachwissen, seine abwartend-ruhige und zielführende Arbeitsweise, seine kameradschaftliche Einstellung und seine einwandfreie Disziplin.

Nach seiner Rückkehr aus dem Auslandseinsatz wurde der Oberstabsarzt wiederum im Bundeswehrkrankenhaus Ulm eingesetzt und trieb seine Facharztausbildung voran, die er im Sommer 2010 mit der Facharztprüfung abschließen wollte. Allerdings erfolgte eine dritte Auslandsverwendung, die kurzfristig angeordnet wurde und am 31. März 2010 begann. Der Oberstabsarzt wurde zum Einsatz bei der Sanitätskompanie beweglicher Einsatz erneut ins Feldlager „Camp Marmal“ kommandiert.

Im April 2010 verstärkten sich Gefechte in Nordafghanistan. Seit März versuchte die reguläre afghanische Armee, unterstützt durch ISAF-Kräfte in der Provinz Baghlan aufständische Paramilitärs der Taliban-Miliz zurückzudrängen. Ziel des ersten Abschnitts der Operation war die Sicherung von Brückenübergängen über den Kunduz-Fluss im Baghlan-Tal. Durch die Errichtung von Vorposten sollte ein dauerhafter Zugang der Regierungstruppen und der ISAF in der Region sichergestellt werden. Bei heftigen Gefechten, die zur Wiedererlangung zentraler Brücken und Dörfer führte, erlitt die Koalition Verluste. So wurden im sogenannten Karfreitagsgefecht am 2. April 2010 nahe der Ortschaft Isa Khel drei deutsche Fallschirmjäger getötet.

Im zweiten Abschnitt der Operation sollten ab dem 14. April 2010 die gewonnenen Brückenköpfe ausgeweitet werden. Am 15. April fuhr daher eine Fahrzeugkolonne aus afghanischen Soldaten, die durch belgische und deutsche Angehörige eines Operational Mentoring and Liaison Teams der NATO begleitet wurden, in Richtung der sog. Dutch Bridge über den Kunduz-Fluss, um diese Richtung Westen zu überqueren. Gegen 14:30 Uhr erreichte die Fahrzeugkolonne die Brücke. Das letzte Fahrzeug, ein leicht geschützter Geländewagen vom Typ Mowag Eagle IV fuhr dabei auf eine Sprengfalle auf. Durch die Explosion wurden drei Bundeswehrsoldaten getötet. Es folgten Feuergefechte mit den aus dem Hinterhalt agierenden Aufständischen. Fünf weitere Soldaten wurden teilweise schwer verletzt.

Eine zweite deutsche Marschkolonne wurde zur Unterstützung aus einem Vorposten in Bewegung gesetzt. Ihr gehörte der Bewegliche Arzttrupp (BAT) an, in dem Oberstabsarzt Dr. Broer seinen Dienst versah. Diese Kolonne wurde vier Stunden später, gegen 18:30 Uhr auf dem Vormarsch zum Einsatzort durch Taliban mit Hand- und Panzerabwehrwaffen beschossen. Dabei drang eine Granate in den hinteren Teil des Radfahrzeuges Mowag Yak des BAT ein.

Oberstabsarzt Dr. Thomas Broer wurde durch den Treffer getötet. Broer war damit, fünfzehn Tage vor dem Ende seines bis zum 30. April 2010 verfügten Einsatzes, der 42. Bundeswehrangehörige, der in Afghanistan starb. Thomas Broers Lebensgefährtin erwartete zu diesem Zeitpunkt von ihm ein Kind, das im Herbst 2010 geboren wurde.

Dr. Thomas Broers Leichnam wurde nach Wiesbaden überführt, wo er auf dem Friedhof Dotzheim bestattet wurde. Auf dem Ehrenhain der Bundeswehr im Feldlager Kundus wurde ihm zu Ehren sein Namen angebracht. Das Ehrenmal wurde im Oktober 2013 vor der Übergabe des Feldlagers an die afghanische Armee abgebaut und im November 2014 im „Wald der Erinnerung“ in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Schwielowsee wiederaufgebaut. Dr. Broer wird zudem – wie den anderen im Dienst verstorbenen Soldaten der Bundeswehr – im 2009 eingeweihten Ehrenmal der Bundeswehr auf dem Gelände des Berliner Dienstsitzes des Bundesministeriums der Verteidigung ehrend gedacht.

Posthum wurde Dr. Thomas Broer die Einsatzmedaille Gefecht der Bundeswehr verliehen. Das 2007 im Feldlager „Camp Marmal“ eingerichtete Einsatzlazarett der Bundeswehr, in dem Oberstabsarzt Dr. Broer eingesetzt gewesen war, wurde nach seinem Tod nach ihm benannt. Das Feldlager wurde Ende Juni 2021 an die afghanische Armee übergeben, wenige Wochen später übernahmen Taliban-Milizen die Kontrolle über das Lager.

Auf dem Gebiet der General Lucius D. Clay Kaserne der US-Armee in Wiesbaden-Erbenheim trägt in der 2012 neu errichteten Wohnsiedlung „Newman Village“ eine Straße den Namen „Dr. Broer Street“. Zudem wurde in Wiesbaden-Dotzheim der "Dr.-Thomas-Broer-Weg" benannt.

Insgesamt verloren mindestens 59 Bundeswehrsoldaten während ihres Einsatzes im Rahmen der ISAF und der anschließenden NATO-Mission „Resolute Support“ zwischen 2001 und 2021 ihr Leben. Die Gefechte im Frühjahr 2010 trugen dazu bei, dass der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Anfang April 2010 erstmals von „Krieg“ im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sprach, was eine kontroverse Debatte in der deutschen Öffentlichkeit auslöste.