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Fernsehen in Wiesbaden

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Der in den späten 1950er-Jahren einsetzende Siegeszug des Fernsehens ging einher mit sinkenden Besucherzahlen in den Kinos und einem starken Rückgang neuer Filmproduktionen. Ähnlich wie andere deutsche Medienstandorte war auch Wiesbaden von den Auswirkungen der Krise betroffen. Um die mangelhafte Auslastung der Ateliers Unter den Eichen zu kompensieren, wurden diese vom Eigentümer Taunus-Film verstärkt an den Hessischen Rundfunk (HR) für TV-Aufzeichnungen vermietet. So entstand 1959 die fünfteilige Unterhaltungssendung »Höpfner, zweimal klingeln« mit dem damaligen Wirt des »Schwarzen Bocks«, Otto Höpfner. Im Jahr darauf war die Zusammenarbeit so weit fortgeschritten, dass der HR sich (über seine Tochterfirma »Werbung im Rundfunk«) als Gesellschafter mit 50 % an der Taunus-Film beteiligte. Um den Anforderungen des neuen Mediums gerecht zu werden, investierte man in die Erweiterung und Modernisierung der Infrastruktur. So entstanden eine neue Aufnahmehalle, ein Synchronstudio sowie weitere Schneide- und Vorführräume. Aufgezeichnet wurden bunte Abende wie »Heute letzter Tag« oder die Einspielteile von »Einer wird gewinnen« mit Hans-Joachim Kuhlenkampff, außerdem Ballett-Aufzeichnungen (»Zwischen Brooklyn und Manhattan«), aber auch zwei Fernsehspiele von Wolf Hädrich: »Die Friedhöfe« (1960) oder »Nachruf auf Jürgen Trahnke« (1962).

Daneben lag der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit auf der Herstellung von Werbeprogrammen. Im Frühjahr 1964 verlegte das neu gegründdete Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) seine Sendezentrale mit den Abteilungen aktueller Dienst, Chefredaktion und Technik von Eschborn nach Wiesbaden und konnte dort größtenteils die bestehenden technischen Einrichtungen nutzen. Auf dem Nachbargelände der Produktionsfirma IFAGE (Internationale Film Agentur) wurde ein siebenstöckiges Redaktionsgebäude errichtet. Am 01.04.1964 begann Unter den Eichen der Sendebetrieb mit 1.454 Mitarbeitern. Inden folgenden Jahren wuchs der Personalbestand auf über 3.200 Beschäftigte. Neben zahlreichen Auftragsproduktionen entstanden in Wiesbaden u. a. »Das aktuelle Sportstudio«, »Aktenzeichen XY … ungelöst« mit Eduard Zimmermann, »Die Drehscheibe« oder das »ZDF-Magazin« mit Gerhard Löwenthal.

In der Wiesbadener Firma Neue Film Produktion (NFP) entwickelt wurden außerdem die »Mainzelmännchen«, die seit den 1960er-Jahren fester Bestandteil der ZDF-Werbung sind. Mit der endgültigen Fertigstellung des zentralen Standorts Mainz-Lerchenberg wurden Ende 1984 die letzten noch verbliebenen ZDF-Redaktionen aus Wiesbaden abgezogen, endete Unter den Eichen ein mehr als zwanzigjähriges Provisorium. Bestrebungen, die entstandene Lücke durch die Ansiedlung privater Fernsehsender zu füllen, ließen sich, trotz entsprechender Anfragen, ebenso wenig realisieren wie die Errichtung eines Wiesbadener Fernsehmuseums.