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Grimm, Wilhelm

Grimm, Wilhelm

Germanist

geboren: 24.02.1786 in Hanau

gestorben: 16.12.1859 in Berlin


Artikel

Grimm, seit 1831 Professor in Göttingen, war mit Arbeiten zu unterschiedlichen Fachgebieten – Literatur-, Sprach- und Rechtswissenschaft – hervorgetreten. 1812–15 hatte er zusammen mit seinem Bruder Jacob (1785–1863) die »Kinder- und Hausmärchen« herausgegeben. In den Jahren 1831–34 hielt er sich zur Kur in Wiesbaden auf. In Nachrichten an seine Familie hinterließ er (vom 08.07. bis 08.08.1833) ein regelrechtes Kurtagebuch.

Naturgemäß steht dabei die Gesundheit im Mittelpunkt: der Tagesablauf mit Trinkkuren, Bädern, Spaziergängen und Mahlzeiten nach ärztlicher Anweisung wird ausführlich – auch ironisch – dokumentiert. Meist ist er schon um sechs Uhr morgens auf dem Weg zu den Trinkhallen. Den Kaffee und die Mahlzeiten pflegt er im Hotel Adler einzunehmen; zugleich dient das Hotel als Badhaus und als Poststelle. Den Kureinrichtungen stellt Grimm ein hervorragendes Zeugnis aus (»darin sind diese Gegenden offenbar voraus«). »Du siehst«, schreibt er seiner Frau, »es ist ein wahres Schlaraffenland«. »Auf die Länge [jedoch] wird einem das Nichtstun ganz unerträglich«. So besucht er auch die hiesige Bibliothek (etwa auf der Suche nach einer alten Handschrift), das Museum und das Theater (unter anderem Aufführungen von Opern Mozarts und Rossinis), unternimmt Ausflüge, z. B. zur Burg Sonnenberg, zur Platte, nach Mainz und zu den Schlössern Johannisberg und Biebrich (»Was für eine Gegend! Der prächtige Rhein in vollem Glanze«, ein Echo der Rheinromantik).

Aber auch politische Entwicklungen werden erörtert, etwa die international taktischen Manöver im Vorfeld der Begründung des Deutschen Zollvereins (»sehr künstliche Politik«). Und immer wieder zeugen Anekdoten und Aperçus zu einzelnen Kurgästen von Grimms scharfer Beobachtungsgabe (eine Dame »braucht fünf Minuten, um sich zu einem Lächeln vorzubereiten «, ein Herr mit Artikulationsproblemen spricht »als wenn auf einem Fortepiano einige Töne nicht anschlagen«).

Die Kur war zwar ein Erfolg, Grimms Gesundheitszustand blieb jedoch labil. Es warteten wieder zahlreiche wissenschaftliche Projekte, das umfangreichste, das »Deutsche Wörterbuch«, mit Jacob Grimm 1838 begonnen, erschien erst rund ein Jahrhundert nach Wilhelms Tod (1960).

Literatur

Wilhelm Grimms Wiesbadener Kurtagebuch von 1833, hrsg. u. kommentiert vom Germanistischen Oberseminar der Universität Wuppertal unter Leitung von Heinz Rölleke. In: Brüder Grimm Gedenken, Bd. 8 (1988), hrsg. von Ludwig Denecke, Marburg 1989.