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Henze, Hans Werner

Henze, Hans Werner

Komponist

geboren: 01.07.1926 in Gütersloh

gestorben: 27.10.2012 in Dresden


Artikel

Mit der Spielzeit 1950/51 wurde Henze vom Intendanten Heinrich Köhler-Helffrich als künstlerischer Leiter und Ballettdirigent an das Hessische Staatstheater Wiesbaden verpflichtet. Nach einer Ausbildung an der Staatsmusikschule Braunschweig hatte er seine Studien bei Wolfgang Fortner am Kirchenmusikalischen Institut in Heidelberg fortgesetzt und sich dort, bei den Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt und bei René Leibowitz in Paris die Zwölftontechnik und das gesamte Repertoire der Neuen Musik angeeignet.

Die Festanstellung in Wiesbaden sollte für Henze (der schon früh mit dem Komponieren begonnen hatte) die Grundlage für die weitere kompositorische Arbeit schaffen. Allerdings lernte er hier auch die ernüchternden Realitäten des Theateralltags kennen und es gab wiederholt Friktionen mit der Intendanz. Zur Eröffnung des Kleinen Hauses schrieb Henze die Festmusik, die »Sinfonischen Variationen«. Es wurden ihm aber – da Harfe, Klavier und Celesta im Orchestergraben keinen Platz fanden – diese Instrumente ohne Rücksprache aus der Partitur gestrichen und Henze musste das Werk »mit Löchern« dirigieren.

Andererseits konnte er Erfolge verzeichnen. So gelang es etwa, den französischen Startänzer Serge Lifar für ein Gastspiel zu gewinnen (wenn auch der Traum von einer ambitionierten Ballettkompagnie in Wiesbaden nicht in Erfüllung ging) und die Aufnahme von Werken moderner Komponisten (wie Arnold Schönberg u. Giselher Klebe) in den Spielplan durchzusetzen – kein geringes Unterfangen angesichts eines überwiegend nur mit dem traditionellen Repertoire vertrauten Publikums. Und es entstanden eine Reihe eigener Kompositionen oder wurden hier abgeschlossen.

Dazu gehörten unter anderem die Funkoper »Ein Landarzt« (nach der gleichnamigen Erzählung Franz Kafkas), die Bühnenmusik zu »Der tolle Tag« (nach dem Lustspiel von Beaumarchais), die Ballettpantomime »Der Idiot« (nach Szenen aus dem Roman Dostojewkis), ein Kompositionsauftrag der berühmten Tänzerin und Choreografin Tatjana Gsovsky, und Henzes erste Oper »Boulevard Solitude« (eine Neuinterpretation von Abbé Prévosts Roman »Manon Lescaut«). Es war der erste große Erfolg in Henzes Karriere. In der Wiesbadener Zeit konnte er die unterschiedlichen Facetten der Theaterarbeit kennen lernen. In vielen Fachgesprächen mit den Musikern hatte er weiterführende Kenntnisse über Orchestrierung erworben.

Seine Werke enthielten mit ihrer offenen Form in der Summe bereits die Grundelemente Henzeschen Komponierens. In ihrer vielgestaltigen Tonsprache gehen unter anderem Tonalität und Atonalität, Montagetechnik, elektronische Klänge, Sprechgesang, Jazzelemente und eine ebenso differenzierte wie expressive Klanglichkeit eine eigengeprägte Synthese von Tradition und Avantgarde ein.

1953 reiste Henze nach Italien aus, das er kaum noch für längere Zeit verließ. An ein Theater band er sich nicht mehr. Im Jahr 2000 widmete ihm das Rheingau Musik Festival ein Komponistenporträt.  Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Literatur

Abels, Norbert; Schmierer, Elisabeth (Hrsg.): Hans Werner Henze und seine Zeit, Laaber 2013.

Geitel, Klaus: Hans Werner Henze, Berlin 1969.

Petersen, Peter: Hans Werner Henze. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil 8, 2. Aufl., Kassel 2002.

Rosteck, Jens: Hans Werner Henze, Berlin 2009.