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Siedlung Eigene Scholle

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In den 1920er-Jahren entstand im Bezirk Nordost beiderseits der Lahnstraße die Siedlung Eigene Scholle. Bauträger war die 1924 eingetragene Genossenschaft »Gemeinnützige Siedlervereinigung Eigene Scholle zu Wiesbaden« (GmbH).

In drei Bauabschnitten entstanden 1924–28 insgesamt 37 freistehende Doppel-Einfamilienhäuser und fünf Einfamilienhäuser, umgeben von großzügig bemessenen Gärten, die neben der Erholung vor allem der Selbstversorgung dienten. Hierin zeigt sich die Siedlung Eigene Scholle wie die Siedlung Eigenheim den Idealen der Lebensreform- und damit verbunden der Gartenstadtbewegung verpflichtet. Die Entwürfe fertigten die Wiesbadener Architekten Friedrich Werz und Paul Biedermann. Die meisten Häuser gingen 1930–32 in Privateigentum über; die Genossenschaft wurde im Oktober 1942 liquidiert.

Im ersten, ab 1925 realisierten Bauabschnitt entstanden an der Lahn- und Fasaneriestraße 20 schlichte, zweistöckige Doppelhäuser mit hohen Walmdächern und symmetrisch gestalteten, rau geputzten Fassaden und an der Straße Am Mühlberg sechs Doppelhäuser und ein Einfamilienhaus. Diese eingeschossigen Bauten wurden mit hohen Kielbogendächern und zweigeschossigen Gauben in historisierender Weise und darin dem traditionalistischen Stil der Heimatschutzarchitektur folgend ausgeführt. Ab Sommer 1925 entstanden im zweiten Bauabschnitt auf der rechten Seite der stadtauswärts führenden Fasaneriestraße sechs wiederum schlicht und nahezu einheitlich gestaltete Doppelhäuser mit diesmal zur Straße liegenden Gärten. Die Bauten des dritten Bauabschnitts bestanden aus fünf Doppelhäusern mit Walm- und jeweils zwei flankierenden Einfamilienhäusern mit Zeltdächern. Bandartige Dachgauben nehmen hier Tendenzen des sogenannten Neuen Bauens auf.

1945 wurde die Siedlung Eigene Scholle von den Amerikanern beschlagnahmt und erst in den 1950er-Jahren an die Besitzer zurückgegeben. Seitdem erfuhr sie zahlreiche Veränderungen. Seit 1988 steht die Siedlung Eigene Scholle als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. 2012 gründete sich die Interessengemeinschaft »IG Reisbrei-Siedlung«, um die denkmalgerechte Gestaltung und Weiterentwicklung der Siedlung Eigene Scholle zu unterstützen.

Literatur

Sigrid Russ, Bearb., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden II – Die Villengebiete. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2. erw. Aufl., Stuttgart 1996 [S. 525–534].

Wolf, Tobias Michael: Die Siedlung ›Eigene Scholle‹ in Wiesbaden. Geschichte und Bedeutung einer Stadterweiterung der 1920er Jahre. In: Nassauische Annalen. Hrsg.: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 124/2013 [S. 433–459].