Sprungmarken

Wolff, Brüder

Wolff, Ernst

Gründer der Wiesbadener Gruppe und nationaler Leiter des jüdischen Jugendbunds "Die Kameraden"

geboren: 06.02.1899 in Pirmasens

gestorben: 04.04.1932 in Wiesbaden

Wolff, Kurt

Jurist, Vorsitzender des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten in Wiesbaden

geboren: 08.07.1894 in Pirmasens

gestorben: 23.01.1988 in Givataim (Israel)

Artikel

Ernst und Kurt Wolff waren die Söhne des Schuhhändlers Max Wolff. Kurt Wolff meldete sich 1914 freiwillig zum Kriegsdienst und wurde 1917, trotz des offiziellen Ausschlusses von Juden von der Offizierslaufbahn, zum Leutnant und Bataillonsadjutant ernannt. Ernst Wolff gründete 1924, noch während seines Jura-Studiums, in Wiesbaden die erste Gruppe des nicht-zionistischen Jugendbundes »Die Kameraden«. 

Wiesbaden stellte eine »Hochburg« der jüdischen Jugendbewegung dar; die Wiesbadener »Kameraden« waren einer der mitgliederstärksten Ortsverbände im gesamten Reichsgebiet. ‚Ernst Wolff wurde neben dem Berliner Hermann Gerson einer der bekanntesten und charismatischsten Leiter im Deutschen Reich. Beim Bundestreffen der »Kameraden« 1931 kam es jedoch zu internen Spannungen über die richtige Abwehrstrategie gegen den erstarkenden Nationalsozialismus. Diese führten 1932 zu einer Aufteilung in drei Jugendgruppen, die »deutsch«, »religiös« bzw. »sozialistisch« ausgerichtet waren; für Ernst Wolff, seit 1929 Jugendrichter in Frankfurt am Main, eine bittere Enttäuschung.

Umso mehr engagierte er sich als SPD-Mitglied im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, den er auf den Kampf gegen die NSDAP vorbereitete. Als passionierter Motorradfahrer organisierte er eine Motorrad-»Gruppe« des Reichsbanners, die sich nicht scheute, mitten in SA-Formationen zu preschen, um diese auseinander zu treiben. Am 04.04.1932 verunglückte Ernst Wolff tödlich mit dem Motorrad. Als offizielle Todesursache wurde »Selbstmord« festgelegt. Angehörige und Kameraden vermuteten jedoch einen Anschlag von Nationalsozialisten.

Die Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Wiesbaden gestaltete sich zu einer Demonstration von über 300 Personen, Freunden und Vertretern der Organisationen, denen er angehört hatte: bündische Kameraden, Vertreter der Landesleitung des »Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens«, der kleinen hiesigen jüdischen Abwehrorganisation »Jad«, die sein Bruder gegründet hatte, des Reichsbanners, der SPD, des »Kartell-Convents der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens« und nicht zuletzt der jüdischen Gemeinde. »In einem Augenblick, dessen besonderes Kennzeichen Mangel an Führern ist, starb uns in Rechtsanwalt Dr. Ernst Wolff eine echte Führernatur«, schrieb die »Jüdische Wochenzeitung für Nassau«.

Kurt Wolff war als Vorsitzender des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten sowie als SPD-Mitglied schon seit der Gründung der NSDAP in Wiesbaden 1926 im Widerstand aktiv. Seine (inoffizielle) »Kampfgruppe« bestand aus jüdischen Kriegsveteranen und Reichsbannerleuten, die auch vor Schlägereien mit der SA nicht zurückschreckten. Nach der Machtübernahme 1933 musste er deshalb die Rache der Nationalsozialisten besonders fürchten und flüchtete nach Frankreich, wo er nach dem Einmarsch der Deutschen von der Vichy-Regierung interniert wurde. Nach der Befreiung nahm er die französische Staatsbürgerschaft an, organisierte Städtepartnerschaften zwischen französischen und nordhessischen Orten sowie Treffen von Kommunalpolitikern und Landwirten und engagierte sich im deutsch-französischen Schüleraustausch. 1974 wurde er für sein vielfältiges Engagement mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet. Er lebte zuletzt bei seiner aus Wiesbaden emigrierten Schwester in Israel, wo er 1988 verstarb.

Literatur

Interview von Lothar Bembenek mit Kurt Wolff 1982 in Israel (Sammlung Bembenek).