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Das Verständnis von Integration wandelt sich

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund um 29,4 Prozent gestiegen. In der Altersgruppe der unter 18-Jährigen bildet Ende 2019 dieser Bevölkerungsteil bereits die Mehrheit: Hier liegt der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei circa 60 Prozent (Ergebnis des Monitorings zur Integration von Migranten, Bericht 2020).

Damit verschieben sich die Voraussetzungen, die noch in den letzten Jahrzehnten die Integrationsdebatten und das Verständnis von Integration in der Stadt Wiesbaden geprägt haben. Weder lässt sich heute von einer alteingesessenen Mehrheitsgesellschaft und einer zugewanderten Minderheit sprechen, noch ist die Aufnahmegesellschaft so homogen, als dass klar wäre, an welchen Maßstäben sich Integration im Sinne einer "kulturellen Anpassung" zu orientieren hätte.

Die Daten des Wiesbadener Monitorings zum Stand der Integration zeigen teilweise deutliche Unterschiede bei der erfolgreichen Teilhabe im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt zwischen Bevölkerungsteilen mit und ohne Migrationshintergrund auf. Auf diesem Feld der strukturellen Integration besteht also nach wie vor die Herausforderung, die unterschiedlichen Lebenslagen anzugleichen. 

Die Vielfalt und Verschiedenheit in unserer Gesellschaft stellen eine Chance dar, Beziehungen aufzubauen und am gemeinschaftlichen Zusammenhalt mitzuwirken. Diese Chance erfordert von allen Beteiligten die Befähigung und Bereitschaft, einen konstruktiven Umgang mit der Vielfalt zu pflegen. Die demokratischen Grundsätze, die in unserer Verfassung verankert sind, sowie gegenseitiger Respekt und die Anerkennung von Verschiedenheit liefern uns den Rahmen und die Regeln dafür. Es ist die Pflicht aller, sich daran zu halten, unabhängig davon, ob sie zugewandert sind oder nicht.

Religiöse und kulturelle Differenz ist für sich betrachtet kein Zeichen von Desintegration. Diese beginnt dort, wo die Menschenwürde verletzt wird und wo Regeln des Zusammenlebens missachtet werden. Integrationspolitik ist deswegen weiterhin darauf gerichtet, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und allen Formen von Fundamentalismus vorzubeugen sowie diejenigen zu stärken, die Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren und in ihrer individuellen Freiheit bedroht sind. Sie trägt dazu bei Vielfalt als Bereicherung zu sehen und die darin liegenden positiven Ressourcen für die Gestaltung von Gesellschaft zu aktivieren.

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