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Stadtbefestigung

Im 13. Jahrhundert begann man mit dem Bau der Wiesbadener Stadtbefestigung. Rund 200 Jahre, bis 1508, war jedoch nur der Burgbezirk als einer der drei Siedlungskerne befestigt. Erst anschließend wurde die „Vorstadt“ in die Ummauerung einbezogen. Für das „Sauerland“ und seine ländlich geprägte Bevölkerung begnügte man sich bis ins 18. Jahrhundert hinein mit einer Befestigung aus Weihern und Wällen.

Details

Im Zuge der Auseinandersetzungen des staufischen Kaisers Friedrich II. mit den deutschen Landesfürsten und dem Papst dürfte Wiesbaden wohl Anfang der 1230er-Jahre zur Reichsstadt erhoben worden sein. Die Stadt verfügte jedoch nicht über eine ausreichende Befestigung. Dies zeigt die Tatsache, dass Wiesbaden 1241 von Steuern befreit wurde, um diese Gelder „ad edificia“ zu verwenden. Man geht davon aus, dass dieser Eintrag in der Reichssteuerliste eine Umschreibung für die Errichtung oder Erneuerung der Stadtmauer ist. Nach der Zerstörung Wiesbadens im darauf folgenden Jahr wurde deren Ausbau dann erst Ende des 13. Jahrhunderts weiter vorangetrieben und unter Graf Gerlach I. von Nassau-Idstein (ca. 1283-1361) seit 1305 vollendet. Befestigt war jedoch bis 1508 nur einer der drei Wiesbadener Siedlungskerne, nämlich der Burgbezirk, die 1352 erwähnte „Feste Wiesbaden, Burg und Stadt“. An ihrer Nordseite nutzte die Befestigung die Heidenmauer oder „Hohe Mauer“, deren Abschluss von zwei Türmen, dem Stümpert und dem Teschenturm, markiert wurden. Von diesen Endpunkten aus beschrieb die mittelalterliche Mauer in ihrem weiteren Verlauf fast einen Halbkreis. In südwestlicher Richtung zog sie hinter der heutigen Marktkirche und dem Rathaus entlang dem Marktplatz zur 1363 erstmals erwähnten Niederpforte an der Ecke Marktstraße/Mauergasse. Von hier aus verlief sie über die Ellenbogengasse hinweg zur Oberpforte bzw. dem Uhrturm an der Marktstraße, um in gerader Linie an der Grabenstraße wieder auf die Heidenmauer zu stoßen.

Der viereckige Stümpert, der nicht im Verbund mit der Heidenmauer stand, wird 1489 erstmals erwähnt. Der runde Teschenturm, der 1503 genannt wird, stammte in seinen Ursprüngen noch aus der Römerzeit und wurde im Mittelalter mit einem Holzaufbau versehen. Wie der oberhalb des „Römertors“ noch erhaltene Turm, der im Halbkreis vor die Heidenmauer vorspringt, wurde der Teschenturm auch als „Kessel“ bezeichnet, ein Begriff, der von „castellum“ abzuleiten ist.

”Wegen der schweren und schwinden Läuf, derhalb sich täglich Aufruhr zu versehen”, beschloss Graf Adolf III. von Nassau-Idstein (1443-1511) im Jahre 1508 die weitere Befestigung von Stadt und „Flecken“. Der Flecken schloss sich westlich des engeren städtischen Bezirks im Bereich der Vorburg, dem 1292 genannten „oppidum“, an. Die Quellen bezeichnen ihn auch als Vorstadt. Dieser zweite Siedlungskern wurde 1508 in die Ummauerung einbezogen. Im Norden jenseits der Heidenmauer lag das nach dem Salzgehalt der Quellen benannte Sauerland. Für dieses Gebiet und seine eher ländlich geprägte Bevölkerung begnügte man sich bis ins 18. Jahrhundert hinein mit einer Befestigung aus Weihern und Wällen.

Die neue Mauer nahm ihren Ausgangspunkt an der Niederpforte (Stadttore), verlief längs der Mauergasse und deren Fortsetzung zum Mainzer Tor und diente später dem 1725 erbauten Waisenhaus als Südmauer. Dann zog sie jenseits der Kirchgasse in einem Bogen zum 1477 erstmals erwähnten Stumpfen Tor und von da weiter zur Heidenmauer. Schon 1609 war die gesamte Befestigung in sehr ruinösem Zustand. 1684 drückte der nachmalige Fürst Georg August Samuel von Nassau-Idstein sein Missfallen über den Zustand der Tore, Gräben und Mauern aus und regelte sechs Jahre später in einem Erlass die an den bestehenden Befestigungen vorzunehmenden Reparaturen.

Bei dieser Gelegenheit wurde die Mauer wegen der Anlage eines neuen Kirchhofes im Nordwesten am Schulberg hinausgeschoben bzw. durch die neue Kirchhofsmauer ersetzt. Sodann wurde das Projekt einer neuen Mauer um das Sauerland in Angriff genommen. Auch dieser Neubau sollte nicht in allen Fällen dem Zug des alten Walles folgen, sondern hinter dem Hospital am Kranzplatz für die Anlage eines Armen-Kirchhofes erweitert werden. Das Projekt zog sich über 40 Jahre lang hin; ganz vollendet wurde die Befestigung nie, wie ja die Zeiten fester Stadtmauern im 18. Jahrhundert schon längst vorbei waren.

Die Abmessungen der Wiesbadener Stadtmauer waren nicht sehr beeindruckend; sie war nur etwa 60 cm breit; in Höhe von 1,58 m befand sich ein Mauergang, der noch einmal 60 cm in der Breite maß; wie hoch die Mauer insgesamt war, ist unbekannt.

An den neuralgischen Punkten der Stadtbefestigung befanden sich drei herrschaftliche Mühlen. Es ist anzunehmen, dass die für den Betrieb dieser Mühlen benötigte, durch Wehre bewirkte Wasserstauung schon früh auch für die Verteidigung der Stadt eingesetzt wurde. Diese „nassen Gräben“ werden im 14. Jahrhundert erstmals genannt und seit 1448 als Weiher bezeichnet. Im späten Mittelalter sicherten vier Weiher die engere Stadt, um den Flecken und das Sauerland zogen sich 13 dieser Gewässer. Ihre durchschnittliche Breite betrug 14 m, das abfallende Gelände ermöglichte den Durchfluss des Wassers zum jeweils nächsten, tiefer gelegenen Weiher. Die der Begrenzung dienenden, quer geführten Deiche oder Dämme werden seit dem 16. Jahrhundert als Schütten bezeichnet. Stege oder kleine Brücken führten hinüber. Für die Instandhaltung, das Säubern der Teiche von Steinen, von Schlamm und Schilf, das Enteisen im Winter sowie das Abfischen hatten die Bürger und die Einwohner der umliegenden Dörfer zu sorgen. Die Aufsicht führten so genannte „Grabenschröder“ und Weiherknechte. Die Weiher, die zeitweise ein bedeutendes Fischreservoir darstellten, gehörten der Herrschaft. Nur das Gewässer vor der Stumpfen Pforte war städtisch.

Der größte Wiesbadener Weiher war der „Breite oder Kalte Weiher“. Er zog sich vom Stumpfen Tor zur Niederpforte und stieß ursprünglich unmittelbar an die Stadtmauer an. Ein Teil wurde bereits im 15. Jahrhundert trockengelegt, um Wiesen und Kohlgärten anzulegen. 1591 überließ ihn der Graf von Nassau seinem Amtmann, dem Besitzer des angrenzenden Koppensteiner Hofes, nach dem er ab Mitte des 17. Jahrhunderts „Koppensteiner Weiher“ genannt wurde. Nach außen abgesichert war er durch den 1524 bezeugten Breiten Damm, der quer über die heutige De-Laspée-Straße und die Karl-Glässing-Straße zur Wilhelmstraße zog. Um 1750 wurde er trockengelegt, es entstand eine Gartenanlage, das später so genannte Dernsche Gelände.

Der „Warme Weiher“, dessen Name vom Thermalwasser der Badhäuser herrührt, das ihm durch die Spiegelgasse zufloss, war das letzte Gewässer, das 1812 trockengelegt wurde. Ein Teil seines Terrains ging in der Allee- oder Wilhelmstraße auf. Die Bezeichnung Warmer Damm erinnert noch an ihn.

Literatur