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Capell, Familie

Capell, Edmund Isaak

Kantor der Jüdischen Gemeinde, Religionslehrer

geboren: 03.04.1876 in Lengsfeld bei Eisenach

gestorben: 21.09.1942 im KZ Theresienstadt

Capell, Alice Dora, geb. Joseph

Schriftführerin und Vorstandsmitglied der "Vereinigung Israelitischer Frauen Wiesbaden" (Jüdische Frauenbewegung)

geboren: 06.09.1887 in Pforzheim

gestorben: 15.04.1944 im KZ Theresienstadt

Liebrecht, Ruth, geb. Capell

Leiterin der Wiesbadener Mädchengruppe der "Kameraden"

geboren: 30.04.1911 in Wiesbaden

gestorben: 25.05.1998 in London

Dayan-Deutsch, Hannah, geb. Capell

Jugend-Chorleiterin, Mitbegründerin der Stadt Nahariya

geboren: 07.09.1914 in Wiesbaden

gestorben: 06.05.2001 in Nahariya

Artikel

Die Familie des Kantors der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden, Edmund Isaak Capell, war für ihre liberale Haltung und für ihr Engagement für ein lebendiges Judentum bekannt. Capell wirkte fast 20 Jahre lang als Kantor und als Lehrer an öffentlichen Schulen. In den 1930er-Jahren war er Vorsitzender des »Vereins israelitischer Lehrer im ehemaligen Herzogtum Nassau«. Seine Frau Alice Capell, die fließend Englisch und Französisch sprach, half den Kindern bei ihren Hausaufgaben und stand notleidenden Familien mit Rat und Tat zur Seite. Wegen ihrer Anteilnahme und ihrer Fähigkeit zu praktischem Handeln wurde sie als »Mutter der Gemeinde« bezeichnet.

Die älteste Tochter Ruth Capell engagierte sich in der jüdischen Jugendbewegung und leitete bereits mit zwölf Jahren eine Mädchengruppe des deutsch-jüdischen Wanderbundes »Die Kameraden«. 1930 ging sie nach Berlin, um an der »Hochschule für die Wissenschaft des Judentums« zu studieren. Sie lehnte den Zionismus strikt ab und sah sich in der deutschen Kultur verwurzelt.

Ihre Schwester Hannah war ebenfalls Mitglied im deutsch- jüdischen Wanderbund. So gestaltete sie Elternabende und Jugendfahrten in den Taunus mit. Beide Töchter waren sportbegeistert und kulturell interessiert; sie besuchten das Wiesbadener Theater und musizierten. Hanna Capell leitete einen Chor. Als Hannah Capell nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 als Jüdin der Zutritt zum Opelbad auf dem Neroberg verboten wurde, entschloss sie sich zur Emigration und wanderte 1934 nach Palästina aus. Dort hat sie die heutige Stadt Nahariya mitbegründet.

Ruth Capell heiratete 1935 Heinz Liebrecht, der in Mannheim eine Gruppe der »Kameraden« geleitet hatte. In der Reichspogromnacht am 09./10.11.1938 wurde er verhaftet und vorübergehend im KZ Dachau festgehalten. Nach seiner Entlassung floh das Ehepaar nach England, wo Heinz Liebrecht eine Gesellschaft zur Förderung der Musik gründete und für seine Verdienste im Bereich der klassischen Musik von Prinz Charles zum Mitglied der königlichen Ehrenlegion (Member of the British Empire) ernannt wurde. Edmund und Alice Capell besuchten ihre Tochter Ruth zweimal in Palästina und kehrten wieder nach Deutschland zurück, weil Edmund Capell sich vor seiner offiziellen Ausreise noch von seiner Gemeinde verabschieden und seine Angelegenheiten »ordnen« wollte. Das Ehepaar konnte Deutschland jedoch nicht mehr verlassen.

Das Paar saß in der Falle, die Verfolgung durch die Nationalsozialisten traf sie unerbittlich. 1940 wurden sie zwangsweise in ein »Judenhaus« umgesiedelt. Am 01.09.1942 wurde das Ehepaar in das KZ Theresienstadt deportiert. Edmund Capell starb dort nur kurze Zeit später, seine Frau Alicia Capell hielt unter den menschenunwürdigen Lebensbedingungen noch bis Juni 1944 durch. Dann starb auch sie.

Literatur

Interview von Lothar Bembenek mit Ruth und Hanna Capell 1982.

Bembenek, Lothar/Dickel, Horst: Ich bin kein deutscher Patriot mehr, jetzt bin ich Jude. Die Vertreibung jüdischer Bürger aus Wiesbaden 1933 bis 1947, Wiesbaden 1991.

Seidel, Esther: Ruth Liebrecht and her Campanions at the »Hochschule der Wissenschaft des Judentums« in Berlin 1930–1943, Berlin 2009.