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Pariser Hof

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Das Gebäude Spiegelgasse 9 von 1832 ist der einzige bis heute erhaltene klassizistische Badhausbau. Ein Badhaus an dieser Stelle lässt sich seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. Es wurde mehrfach zerstört und wieder aufgebaut und erhielt den Namen Zum Rebhuhn. 1724 wurde der Jude Jekof Inhaber des Rebhuhns, das damit die Funktion eines jüdischen Badhauses bekam und zur Aufnahme armer, kranker Juden verpflichtet wurde. 1732–90 wurde das Rebhuhn auch Sitz der Synagoge.

Das heutige Gebäude Spiegelgasse 11 wurde 1735 vom Inhaber der benachbarten Firnselmühle, Valentin Krug, errichtet. Der systematische Ausbau Wiesbadens zur Kurstadt nach 1800 zwang die alteingesessenen Badewirte, ihre Häuser den modernen Standards anzupassen. So ließ der neue Inhaber Isaak Jakob Hiffelsheimer das Rebhuhn und das links benachbarte Eckhaus 1831 abreißen und einen dreistöckigen Neubau errichten. Er gab ihm den zeitgemäßen Namen »Pariser Hof«. Die Fassade hat sich fast unverändert erhalten, nur die Stuckornamente und Putten außen über den Fenstern wurden erst um 1900 hinzugefügt. Der jüdische Bauherr Hiffelsheimer musste das Haus aus finanziellen Gründen dem christlichen Pächter Freinsheim verpachten, 1837 kaufte es der Hofrat Friedrich von Wagner. Der Pariser Hof war danach kein Judenbad mehr, seine Badekabinen wurden aber nach einigen Berichten noch zeitweise als Mikwe genutzt, auch nach 1945.

1844 erwarb Wagner das Gebäude von 1735 hinzu, bei einem weiteren Verkauf 1852 gingen die (heutigen) Häuser Spiegelgasse 9 und 11 an unterschiedliche Besitzer, seit 1929 sind sie wieder in einer Hand. 1860/61 diente der Saal des Pariser Hofs als Gottesdienstlokal der deutschkatholischen Gemeinde, der die damalige Inhaberin Anna Maria Bücher angehörte. Galt der Pariser Hof im Kurführer von 1842 noch als konkurrenzfähig mit den ersten Häusern, wurde er um 1900 einer niedrigeren Kategorie zugeordnet. Das Hotel Pariser Hof wurde bis in die 1930er-Jahre genutzt, bis sich die Wehrmacht dort einquartierte. Die amerikanischen Besatzer brachten hier 1945 die Verlage unter, die sie aus Leipzig nach Wiesbaden überführt hatten. Auch der neu gegründete Limes-Verlag (Leiter Max Niedermayer) fand hier sein Quartier. Er blieb der Spiegelgasse am längsten treu und wurde 1973 nach München verlegt.

Der Badebetrieb blieb in der Nachkriegszeit bestehen und wurde von den Verlagsvertretern und ihren Gästen dankbar genutzt, als Badegast kam auch Walter Kempowski, der 1947 in einem US-Laden im Opelhaus arbeitete. Bis in die 1990er-Jahre befand sich im Erdgeschoss ein Thermalbad. Nach dem Auszug der Verlage wurde der Hotelbetrieb bis 1982 wieder aufgenommen. 1986–2014 wurde die kulturelle Tradition des Hauses vom Pariser Hoftheater fortgeführt.

Die Stadt Wiesbaden erwarb den Gebäudekomplex wegen seiner historischen Bedeutung. 1999 wurde das Haus Spiegelgasse 11 saniert. 2008/09 wurde das Gebäude Spiegelgasse 9 renoviert und neu gestaltet, dabei wurden die Badeeinrichtungen ausgebaut. Der Verein Aktives Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden nutzt Nr. 11 für Ausstellungen und hat seit Herbst 2009 seine Geschäftsstelle in Nr. 9.

Literatur

Czysz, Walter: Vom Römerbad zur Weltkurstadt, Geschichte der Wiesbadener heißen Quellen und Bäder, Wiesbaden 2000 (Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden 7) [S. 335 ff.].

Jung, Wolfgang: Vom jüdischen Badehaus zur Kleinkunstbühne. Der »Pariser Hof«. In: Alltag zwischen Mächtigen und Müßiggängern [S. 41–46].

Fritzsche, Wolfgang: Vom Badehaus »Zum Rebhuhn« zum Domizil der Paul Lazarus Stiftung. Zur Geschichte eines ehemaligen jüdischen Badehauses. In: Faber/ Fritzsche, Jüdische Bauten.

Fritzsche, Wolfgang: 300 Jahre jüdisches Badewesen in Wiesbaden. Ein Beitrag zur jüdischen Geschichte Wiesbadens. Hrsg.: Schneider, Karlheinz, Wiesbaden 2014 (Paul Lazarus Schriftenreihe IV).