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Süßkind, Samuel

Süßkind, Samuel

Stadt- und Bezirksrabbiner

geboren: 22.12.1811 in Kirchheimbolanden

gestorben: 29.01.1894 in Frankfurt am Main


Artikel

Süßkind besuchte Gymnasien in Frankfurt am Main und Speyer, studierte in München, wurde promoviert und erhielt eine talmudische Ausbildung in Mainz. Seine erste Anstellung als Religionslehrer, Prediger und Rabbiner führte ihn 1843 nach Weilburg.

1844 erfolgte die Berufung zum Wiesbadener Bezirks- und Stadtrabbiner durch die Landesregierung – eine schwierige Aufgabe in einer Zeit des Umbruchs. In seiner langen Amtszeit veränderte sich die rechtliche und soziale Lage der Juden in Wiesbaden grundlegend. Aus den meist armen Schutzjuden wurden wirtschaftlich erfolgreiche und rechtlich gleichgestellte Bürger und Bürgerinnen jüdischen Glaubens.

Süßkind versuchte mit großem Engagement die Jüdische Gemeinde von Wiesbaden zu reformieren und auch die eher konservativen Landjuden allmählich zu Reformen zu bewegen. In den 1840er- und 1850er-Jahren hatte er zahlreiche Auseinandersetzungen mit den Landgemeinden seines Bezirks auszufechten, die sich seinen Anweisungen widersetzten. Süßkind strebte eine gemäßigte Modernisierung des Judentums an, um einerseits den jüdischen Glauben in einer säkularen Welt zu festigen und andererseits die Akzeptanz der Juden im Kampf um die rechtliche Gleichstellung zu erhöhen. Nach seinen Vorstellungen ließ sich besonders die traditionelle jüdische Wohltätigkeit zu einem wichtigen Element einer modernen jüdischen Existenz umformen – ganz im Sinne von Abraham Geiger, der zuvor in Wiesbaden als Rabbiner gewirkt hatte.

Süßkind setzte sich besonders für eine Verbesserung der Allgemeinbildung ein. 1855 gab er einen Leitfaden für den Konfirmationsunterricht heraus, 1858–60 folgte – gemeinsam mit dem Frankfurter Rabbiner Leopold Stein – die Herausgabe der Zeitschrift »Der israelitische Volkslehrer«, in der wissenschaftliche Fragestellungen und zeitgenössische Themen behandelt wurden. Die Landesregierung zeigte sich von Süßkinds Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue beeindruckt. Seine vorbildliche und tolerante Haltung wurde besonders sichtbar, als er nach dem Brand der evangelischen Mauritiuskirche als erster für den Wiederaufbau der Kirche spendete.

Höhepunkt seiner Amtszeit war die Einweihung der neuen Synagoge am Michelsberg, die er 1869 gemeinsam mit Abraham Geiger vollzog; in ihr spiegelten sich das Aufblühen der Jüdischen Gemeinde und auch ihr wirtschaftlicher Aufstieg wider. Süßkind konnte allerdings nicht verhindern, dass kurze Zeit später orthodoxe Glaubensgenossen, die sich unter anderem über die Orgel in der Synagoge empört hatten, aus der Gemeinde austraten und eine eigene »Altisraelitische Gemeinde« gründeten.

Nach seiner Pensionierung 1884 zog er nach Frankfurt am Main. Kein anderer Rabbiner hat die Geschicke der Wiesbadener Gemeinde so stark beeinflusst wie Süßkind in seiner vierzigjährigen Wirkungszeit.

Literatur

Kober, Adolf: Die Juden in Nassau seit Ende des 18. Jahrhunderts. In: Nassauische Annalen. Hrsg.: Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 66/1955, Wiesbaden 1955 [S. 220–250].

Süßkind, Samuel: Ansprache an die Männer und Frauen der israelitischen Religionsgemeinschaft, 1876.