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Todt, Adolf

Todt, Adolf

Unternehmer

geboren: 29.03.1886 in Oestrich

gestorben: 10.08.1960 in Wiesbaden


Artikel

Seit 1892 war Adolf Todt in Wiesbaden ansässig und besuchte bis 1895 die Volksschule. Von 1895 bis 1901 besuchte er das Gymnasium, das er mit der mittleren Reife verließ. Anschließend war Todt als Lehrling und Korrespondent bei der Wiesbadener Chemikalien- und Drogen-Großhandelsfirma Gottfried Glaser tätig. Ab 1906 war Todt als Handlungsgehilfe beim Wiesbadener Chemieunternehmen Kalle angestellt und stieg zum Leiter einer Exportgruppe auf.

Einen großen Einfluss auf seine Karriere nahm die Abtretung der Lizenz zur Herstellung von Cellophan der Farbwerke Hoechst an die Firma Kalle in den 1920er Jahren. Die Weiterentwicklung, Vermarktung und der Verkauf des Cellophans wurden zur Hauptaufgabe Todts bei Kalle. Er war maßgeblich für den Aufbau der Abteilungen »Cellophan« und »Kunstdärme« der Firma verantwortlich. Dank Todt wurde das von Kalle produzierte Cellophan im In- und Ausland ein wirtschaftlicher Erfolg.

Im Jahr 1923 wurde ihm Prokura erteilt. Todt war in der Weimarer Republik Mitglied der nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) und vertrat die Partei vor 1926 als Stadtverordneter im damals noch nicht zu Wiesbaden gehörenden Biebrich.
1934 wurde er kaufmännischer Direktor als Chef der Sparte »Cellophan« bei Kalle. Todt trat 1937 in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt und die Deutsche Arbeitsfront ein und beantragte zur Zeit der Lockerung des Aufnahmestopps am 29. März 1939 seine Aufnahme in die NSDAP. Er wurde nach den Angaben der NSDAP-Zentralkartei am 1. Januar 1940 in die Partei aufgenommen. Neben Todt traten auch die Direktoren Anderhub und Schmidt 1941 bzw. 1942 in die Partei ein. Jedoch waren nicht alle führenden Manager des Unternehmens Parteimitglied.

Todt besaß während der NS-Zeit mehrere Häuser in Wiesbaden. Eines davon erwarb er 1936 von dem jüdischen Kaufmann Josef Sender. Es liegen keine Hinweise vor, dass es sich dabei oder bei einem der anderen Immobilien um eine »Arisierung« handelte. Das Haus in der Wielandstraße nutzte Todt zur Vermietung. Mit dem Psychiater Erich Friedländer und dem Kaufmann Karl Daniel lebten zwei jüdische Mietparteien in diesem Haus. Nach dem Krieg sagte Todt aus, er habe diese geschützt und war mit ihnen bis zu ihrer Auswanderung 1939 freundschaftlich verbunden. Beide Familien emigrierten 1939 und wohnten bis zu diesem Zeitpunkt im Haus Wielandstraße. Eine freundschaftliche Verbindung und die Umstände der Emigration sind nicht überliefert.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde bei der Firma Kalle eine Vielzahl von Zwangsarbeitskräften eingesetzt: Neben mindestens 105 französischen Kriegsgefangenen wurden auch Arbeitskräfte aus anderen besetzten Gebieten zur Arbeit gezwungen. So lag die Anzahl der sogenannten Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter bei der Firma Kalle bei mindestens 609.

Adolf Todt war über den Einsatz dieser Zwangsarbeitskräfte genau informiert und setzte selbst Zwangsarbeitskräfte in seiner Abteilung ein. In einem Bericht aus dem Jahr 1941 betonte er die Kriegswichtigkeit von Cellophan für die qualitativ hochwertige Konservierung von Lebensmitteln an der Front.

Er führte zudem aus, dass während einer sogenannten Auskammkommission Todts Verantwortungsbereich überprüft und Cellophan als »kriegsentscheidend wichtig« eingestuft worden sei, woraufhin ihm entsprechende Arbeitskräfte zur Unterstützung zugesagt worden wären.

Todt nutzte die ihm unterstellten Zwangsarbeitskräfte allerdings nicht nur betrieblich, sondern auch privat. So gab er gegenüber der Wiesbadener Spruchkammer nach dem Krieg an, dass französische Kriegsgefangene, die ihm nach einem Bombenschaden für Aufräumarbeiten durch Kalle zur Verfügung gestellt wurden, in seinem Haus tätig waren. Weiter gab er an, die Zwangsarbeitskräfte seien gut behandelt worden. Man habe sie gut versorgt und gemeinsam mit ihnen gegessen.

Für seine Tätigkeit bei der Firma Kalle erhielt Todt 1941 das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Besetzung Wiesbadens wurde Todt auf Anweisung der amerikanischen Besatzungstruppen aufgrund seiner Parteimitgliedschaft bei Kalle entlassen. In den folgenden Monaten bereitete er sich auf sein Spruchkammerverfahren vor und legte zahlreiche eidesstattliche Versicherungen vor, die seine integre Haltung während des »Dritten Reiches« bestätigen sollten. Seine Parteimitgliedschaft erklärte er beispielweise mit dem geschlossenen Beitritt der gesamten Direktion, in der Absicht, Gefahr vom Unternehmen abwenden zu wollen.

Die Spruchkammer folgte den Argumenten Todts und dessen Anwalts und ordnete Todt in Gruppe 5 (»Entlasteter«) ein. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Bereits seit 1946 war Todt wieder Mitarbeiter bei Kalle und Mitglied der Geschäftsführung.

1952 stieg er in den Vorstand des Unternehmens auf und war später Mitglied des Aufsichtsrates. Neben seiner Tätigkeit bei Kalle war Todt Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Chemie und verwandter Industrien für das Land Hessen e. V. und Mitglied des erweiterten Vorstandes der Vereinigung der Chemischen Industrie Hessen e. V. 1953 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die Universität Mainz verlieh Todt 1956 eine Ehrenpromotion. Sechs Jahre lang wirkte er im Kuratorium der Wiesbadener Augenheilanstalt.

Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 25. Mai 1972 wurde eine Straße im Stadtteil Biebrich nach dem kaufmännischen Direktor der Firma Kalle benannt. Diese wurde 1974 durch Einbezug des Adolfsplatzes erweitert. Zum Andenken an ihren Ehemann errichtete Helene Todt 1973 an der Universität Mainz die Adolf-Todt-Stiftung, die an Doktorandinnen und Doktoranden der Chemie und Pharmazie Stipendien für hervorragende wissenschaftliche Leistungen vergibt

Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Umbenennung der Adolf-Todt-Straße wegen Todts Mitgliedschaften in verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen (NSDAP, NSV, DAF, RKB). Als Leiter der kriegswichtigen Cellophan-Abteilung innerhalb der Firma Kalle war Adolf Todt außerdem am Einsatz von Zwangsarbeitskräften beteiligt. Insgesamt beschäftigte die Firma mindestens 105 französische Kriegsgefangene und 609 sogenannte Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter. Adolf Todt setzte zudem eine unbekannte Zahl französischer Kriegsgefangener für Aufräumarbeiten an seinem privaten Haus ein. Dadurch war er an der bewussten Schädigung von Personen zwischen 1933 und 1945 beteiligt.

[Der vorliegende Text wurde 2012 für die gedruckte Version des Wiesbadener Stadtlexikons von Dr. Rolf Faber erstellt und 2024 von Dr. Katherine Lukat ergänzt.]

Literatur

Zeitungsausschnittsammlung Stadtarchiv Wiesbaden, "Todt, Adolf".