Sprungmarken

Tropische Papageien im Wiesbadener Stadtgebiet

Wiesbaden darf sich die Sittich-Hauptstadt des Rhein-Main-Gebietes nennen, weil hier zwei Drittel des Bestands der Region leben. Mit dem Halsbandsittich und dem Alexandersittich haben sich zwei Papageienarten dauerhaft in Wiesbaden angesiedelt.

Die Sittiche fallen aufgrund ihres bunten Gefieders insbesondere Besuchern unserer Landeshauptstadt positiv auf und wecken das Interesse, mehr über diese Vögel zu erfahren.

Kritische Fragen werden hingegen eher aus der Wiesbadener Bürgerschaft gestellt, da neben der deutlichen Geräuschkulisse auch Fressschäden an Bäumen und Verschmutzung von Flächen wahrgenommen werden.

Die untenstehenden FAQ sollen allen Interessierten Antworten auf viele der gestellten Fragen geben. Sollte darüber hinaus noch eine Frage unbeantwortet bleiben, nehmen Sie gerne Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Umweltamtes unter untenstehender Adresse auf.

Wie erkennt man diese Sittiche und welche Eigenschaften zeichnen sie aus?

Halsbandsittiche werden circa 40 Zentimeter lang, wovon der Schwanz etwa die Hälfte ausmacht. Sie sind mit bis zu 140 Gramm etwa so schwer wie eine Amsel. Ausgewachsene männliche Halsbandsittiche weisen ein "Halsband" auf, das auf der Vorderseite in Schwarz beginnt und zum Nacken hin in einen pinkfarbenen bis orangeroten Streifen übergeht. Jungvögeln und Weibchen fehlt diese Zeichnung. Das Gefieder ist bei beiden Geschlechtern überwiegend leuchtend grün gefärbt. Von unten betrachtet sind im Gefieder gelbgrüne Farbtöne vorherrschend. Der Oberschnabel kontrastiert mit einem kräftigen Rotton gegenüber dem grünen Federkleid.

Der Halsbandsittich ist ein sehr gewandter Flugkünstler und klettert gut. Seinen Schnabel setzt er als vielseitiges, kraftvolles Werkzeug ein. Sittiche ernähren sich vorwiegend von Pflanzenteilen und fressen neben Samen, Nüssen, Blüten und Knospen auch reife Früchte. Bei der Nahrungssuche können sie sich zu Gruppen zusammenschließen. Das Auftreten in der Gruppe ist insbesondere auf dem Flug zum und vom Schlafbaum zu beobachten. Auf Schlafbäumen sammeln sich mehrere hundert Exemplare, um in der Nacht vor Beutegreifern geschützt zu sein. Den Kontakt zu Artgenossen halten Halsbandsittiche durch leise und laute Rufe sowie kräftige Schreie.

Der Alexandersittich ist mit 48 bis 62 Zentimetern Länge um einiges größer als der Halsbandsittich. Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal ist der braunrote Schulterfleck, den die erwachsenen Alexandersittiche aufweisen. Er ist bei den weiblichen Vögeln etwas schwächer ausgeprägt. 

Wann kamen die Sittiche nach Wiesbaden?

Bereits 1975 wurde hier die erste Freilandbrut des Halsbandsittichs dokumentiert. Das erste Brutpaar des Alexandersittichs, der auch heute mit deutlich weniger Individuen in Wiesbaden vorkommt, folgte 1987.

Woher und auf welchen Wegen kamen die exotischen Vögel nach Mitteleuropa?

Die ursprüngliche Heimat der Halsbandsittiche ist Afrika und das südliche Asien von Indien bis Vietnam. Sie werden seit der Antike nach Mitteleuropa importiert und in Privathand, Menagerien und Zoos gehalten. Die heute wild lebenden Halsbandsittiche Europas sind Nachkommen von Gefangenschafts-Flüchtlingen, die seit dem Ende der 1960er-Jahre an mehreren Orten in Freiheit gelangten und sich dauerhaft ansiedeln konnten.

Wie viele Sittiche gibt es in Wiesbaden und nimmt ihre Zahl noch zu?

Die Halsbandsittiche werden seit 1975 durch ehrenamtliche Vogelkundler beobachtet und gezählt. Seit 2019 werden Halsbandsittiche und Alexandersittiche im Rahmen des deutschlandweiten Papageienmonitorings durch den Arbeitskreis Wiesbaden/Rheingau-Taunus-Kreis der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. (HGON) erfasst.

Die Ergebnisse der Zählungen zeigen teils starke Schwankungen und Aussagen über die Entwicklung der Population können aktuell nicht getroffen werden. So wurden im Sommer 2021 circa 4.100 Halsbandsittiche und circa 370 große Alexandersittiche gezählt. Im Sommer 2022 ergab die Zählung einen Rückgang auf circa 2.400 Halsbandsittiche und eine Zunahme des großen Alexandersittichs auf circa 660 Tiere. Die Ergebnisse der Sommerzählung 2023 werden in Kürze erwartet und hier veröffentlicht.

Was macht den Standort Wiesbaden für die Sittiche so attraktiv?

Dass Wiesbaden die Sittich-Hauptstadt des Rhein-Main-Gebiets geworden ist, ist zum Teil dem Zufall zu verdanken, dass sie hier in den 70er-Jahren in Freiheit gelangten und standorttreu sind. Wiesbaden bietet mit seinem milden Klima und dem vielfältigen, teils alten und auch exotischen Baumbestand der Parkanlagen und Friedhöfe eine gute Verfügbarkeit von Nahrung, Schlafplätzen und Bruthöhlen. Deutsche Parkanlagen sehen von der Verteilung der Bäume und dem Wechsel von offenen Flächen und Bäumen den von den Sittichen in Indien bevorzugten urbanen Habitaten sehr ähnlich. Auch dort leben sie im Siedlungsbereich und innerstädtisch.

In welchen Stadtteilen findet man die Sittiche?

Die Sittiche nutzen alle Stadtteile, die geeignete Parkanlagen mit altem Baumbestand, Friedhöfe oder passende Gärten aufweisen. Die besten Beobachtungsmöglichkeiten findet man im Biebricher Schlosspark und im Kurpark sowie den hinteren Kuranlagen. Seit einigen Jahrzehnten fliegen die Sittiche auch über die Stadt- und Landesgrenze hinweg und folgen dabei täglich Flugrouten vom Schlafbaum zum Brutrevier etwa bis Eltville, Ingelheim oder Gustavsburg und zurück.

Beeinträchtigt die Population der Halsbandsittiche heimische Tierarten?

Manche Vogel- und Naturschützer sehen die Verbreitung dieser gebietsfremden Arten kritisch, da ihre Etablierung auf den ersten Blick zur Verdrängung einheimischer höhlenbrütender Vögel wie Spechten, Kleibern, Dohlen, Hohltauben oder Staren oder von in Baumhöhlen lebenden Fledermäusen führen könnte. Die bisher vorliegende Datenlage belegt jedoch keine Schädigung einheimischer Tierbestände.

Gegen eine Konkurrenz mit Spechten spricht beispielsweise, dass die infrage kommenden Spechtarten mit Ausnahme des Grünspechts ihre Höhlen in der Regel jedes Jahr neu anlegen und Sittiche ihre Bruthöhlen zu diesem Zeitpunkt bereits besetzt haben. Die Sittichmännchen müssen den Weibchen mehrere Höhlen präsentieren, von denen sie am Ende eine akzeptieren. In der Praxis bleibt so etwa ein Drittel der für Sittiche geeigneten Höhlen frei.

Da die Sittiche sich vorwiegend pflanzlich ernähren, besteht keine Konkurrenz um die stark dezimierten Insektenpopulationen, die bei vielen heimischen Vogelarten den Bruterfolg maßgeblich eingeschränkt haben. Das Bundesamt für Naturschutz bewertet den Halsbandsittich und den Alexandersittich naturschutzfachlich als gebietsfremde, potenziell invasive Arten und führt sie auf der Beobachtungsliste, das heißt sie werden gezielt beobachtet, um das Wissen über die Auswirkungen ihrer Verbreitung zu verbessern.

Somit gehören sie nach heutigem Kenntnisstand nicht zu den invasiven Arten und Maßnahmen zur Eindämmung beider Arten sind derzeit nicht zu treffen.

Wodurch wird die Verbreitung der Sittich-Populationen begrenzt?

Die Sittiche erreichen in Deutschland eine klimatische Grenze. Vorkommen sind nur dort möglich, wo die Vegetationsperiode früh beginnt. In zu kalten Regionen fehlt ein ausreichendes Nahrungsangebot in der Brutzeit. Entsprechend gelang es den Sittichen nur in den warmen Flusstälern von Rhein, Main und Neckar sich dauerhaft anzusiedeln. Diese klimatischen Einschränkungen ihres Verbreitungsgebietes werden jedoch bei voranschreitender Erderwärmung von immer geringerer Bedeutung sein.

Ansiedlungen liegen fast ausschließlich in hochgradig von Menschen gestalteten Lebensräumen wie Stadtparks, alten Friedhöfen oder alten baumreichen Gärten, in denen Baumarten überwiegen, die bei uns ursprünglich nicht vorkommen. Etwa die Hälfte der Nahrungspflanzen der Halsbandsittiche ist gebietsfremd.

Die Buchen- und Buchenmischwälder um Wiesbaden sind für die Sittiche beispielsweise ungeeignet, da ein ganzjähriges Nahrungsangebot fehlt. Dies gilt auch für die Auwaldreste entlang des Rheins, die ohne nahe Kulturlandschaften für die Sittiche unbrauchbar wären.

Wodurch wird die Populationsdichte der Sittich-Bestände begrenzt?

Das Nahrungsangebot zur Brutzeit und das Angebot an Nisthöhlen sind die wahrscheinlichsten Faktoren, die die Populationsdichte von Sittichen in mitteleuropäischen Städten begrenzen. Natürliche Jäger der Sittiche sind Sperber, Habichte, Wanderfalken, Baumfalken, große Eulen, Marder und Hauskatzen. In Beuteresten der auf der Marktkirche brütenden Wanderfalken finden sich regelmäßig Sittiche. Als weitere Todesursachen kommen beispielsweise Krankheitserreger und Unfälle vor. Der Verlust an Jungtieren nach dem Ausfliegen, beispielsweise durch Entkräftung, Scheitern des Wiederauffliegens nach Landungen am Boden oder Flügelbrüche, ist auch bei Halsbandsittichen hoch.

Geht von frei fliegenden Sittichen eine Gesundheitsgefahr für Menschen aus?

Bislang sind keine Gesundheitsgefahren bekannt, die von Sittichen auf den Menschen übertragen werden können. So kann bspw. das Risiko, dass sich freilebende Halsbandsittiche mit der Vogelgrippe (Aviäre Influenza) infizieren und das Virus auf den Menschen übertragen, nach derzeitigem Kenntnisstand als gering eingestuft werden. Bisher ist kein Fall eines mit Vogelgrippe infizierten Halsbandsittichs bekannt.

Welche Konflikte treten zwischen Menschen und Sittichen auf?

Es kommt vor, dass Halsbandsittiche außer in Baumhöhlen auch in gedämmten Hauswänden brüten. Dabei nutzen sie typischerweise die zuvor von Buntspechten in die Dämmung gehackten Löcher. In Wiesbaden kann beobachtet werden, dass an einzelnen Bäume durch eine Gruppe von Sittichen die Belaubung weitestgehend "abgeknipst" wurde. Vitale Bäume, die keine anderweitigen Mangelzustände aufweisen, kompensieren den Blattverlust in der Regel innerhalb derselben Vegetationsperiode durch einen Neuaustrieb.

An den Schlafbäumen der Sittiche kann es zu Beschwerden über die Rufe und die Verschmutzungen durch den Kot der Vögel kommen. Störungen durch die Rufe der Sittiche beschränken sich in der Regel auf die Zeit des abendlichen Eintreffens am Schlafplatz und des morgendlichen Abflugs der Vögel. Der Kot wird hauptsächlich morgens vor dem Abflug vom Schlafplatz abgesetzt. In Wiesbaden hat sich ein großer Hauptschlafplatz der Sittiche an der Wilhelmstraße etabliert. Eine Verteilung auf mehrere Schlafplätze würde bedeuten, dass weit mehr Personen durch die Rufe und den Kot der Sittiche beeinträchtigt würden. Entsprechend ist es sinnvoll, die Nutzung dieses Schlafbaums nicht einzuschränken.

Welche Maßnahmen können die Konflikte beilegen oder mildern?

Den Sittichen gegenüber sind grundsätzlich die gesetzlichen Regelungen des Tier-, Natur- und Artenschutzes einzuhalten. Gemäß § 39 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) ist es verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen, sie ohne vernünftigen Grund zu töten oder ihre Lebensstätten zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Für den Alexandersittich als besonders geschützte wild lebende Vogelart gilt zusätzlich der § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, der beinhaltet, dass es verboten ist, Tieren dieser Art nachzustellen, zu fangen, zu verletzen oder zu töten [...].

Als naturschutzfachlicher Leitsatz gilt, dass gegen etablierte Neozoen (gebietsfremde Arten) nur bei ernsten Schäden am Ökosystem vorgegangen werden soll. Sollten negative Einflüsse auf heimische Arten beobachtet werden, wird geprüft, ob und welche Maßnahmen zum Populationsmanagement ergriffen werden müssen, um dem gegenzusteuern. Dafür ist das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) zuständig.

Um der Gefahr des Nestbaus in der Wärmedämmung von Hauswänden vorzubeugen, hat sich in mehreren deutschen Städten die Anbringung geeigneter Nistkästen bewährt. Starken Verschmutzungen von Flächen wird mit einem erhöhten Reinigungsintervall entgegengewirkt.

Sollte die Absicht bestehen, eine Bruthöhle zu verschließen oder zu entfernen, nehmen Sie unbedingt frühzeitig Kontakt mit dem Umweltamt, Untere Naturschutzbehörde auf, um Verstöße gegen geltende Rechtsnormen auszuschließen.

Resumée

In Wiesbaden werden Sittiche sowohl bewundert als auch abgelehnt oder einfach als Teil des Stadtbilds akzeptiert, da sie sich in der Stadt etabliert haben.

An wen wende ich mich mit weiteren Fragen oder Anliegen?

Fragen zum Natur- und Landschaftsschutz sowie Artenschutz (siehe auch Kontakt unten):
Umweltamt, Untere Naturschutzbehörde
E-Mail: Natur-Landschaftsschutzwiesbadende
Telefon: 0611 / 31-37 33

Dieser Text ist entstanden unter freundlicher Mitwirkung von Lars Wichmann, Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, Dezernat N3 – Staatliche Vogelschutzwarte Hessen sowie den ornithologischen Fachleuten Detlev Franz, Mainz und Oliver Weirich, Wiesbaden.

Anzeigen