Aus Norminstatt wird Nordenstadt
Die erste urkundliche Erwähnung von Nordenstadt stammt aus dem Jahr 950.
Frühgeschichte
In einer Urkunde schenkte König Otto I. (912-973) dem Vasallen Graf Gerung sechs Hufen Land in den Gemarkungen Wallau, Breckenheim und Nordenstadt. Tatsächlich ist Nordenstadt jedoch viel älter. Archäologische Funde, darunter ein fränkisches Gräberfeld am Ortsausgang, belegen, dass die Gegend bereits im 6. Jahrhundert besiedelt war.
Entwicklung im Mittelalter
Im Jahr 950 gehörte Nordenstadt zum Königssundergau, einem Gebiet, das den fränkischen Königen gehörte. Der Gau war nicht nur geografisch, sondern auch politisch und rechtlich bedeutend und hatte Mechthildshausen als Zentrum. Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich der Name des Ortes mehrfach: Aus "Norminstatt" wurde "Nordinstatt", später "Norstat", "Norderstadt" und schließlich Nordenstadt ab 1145. Der Name verweist auf die fränkische Herkunft der Siedler und bedeutet wohl "die Wohnstätte des Nornin oder Norin". Im Mittelalter war die Region eines der landwirtschaftlich bedeutsamsten Gebiete und war eng mit den religiösen Institutionen verbunden.
Zerstörungen und Wiederaufbau
Der 30-jährige Krieg (1618-1648) brachte verheerende Zerstörungen nach Nordenstadt. 1620 zog das erste feindliche Heer unter Marquis Spinola durch die Region. Die Truppen plünderten Bauernhöfe, trieben Vieh ab und verbrannten Höfe und Scheunen. 1635 gab es nur noch 46 Einwohner, 1637 lediglich 70. Der gesamte Viehbestand war 1641 auf 28 Ochsen und 10 Kühe gesunken, und nur 37 Häuser waren noch bewohnbar. Im frühen 18. Jahrhundert begann Nordenstadt mit dem Wiederaufbau. Die Bauern kultivierten die Felder wieder und brachten ihre Höfe zum Blühen. 1730 zählte Nordenstadt etwa 575 Einwohner, darunter vier jüdische Familien.
Die Französische Revolution
Die Französische Revolution brachte im späten 18. Jahrhundert zahlreiche Flüchtlinge und Emigranten in das "Ländchen". Im Jahr 1792 wurden kaiserlich-österreichische Truppen einquartiert, später besetzten französische Truppen die Region. Der Frieden von 1801 brachte zwar eine gewisse Stabilität zurück, jedoch mussten die Nordenstadter hohe Kriegsschulden abtragen, was die wirtschaftliche Erholung erschwerte.
Jüdische Gemeinde in Nordenstadt
Bis in die 1930-er Jahre lebten 15 jüdische Familien in Nordenstadt. Nach dem Novemberpogrom 1938 flohen viele ins Ausland. Im Jahr 1942 wurden 14 Nordenstadter Juden deportiert und ermordet. Heute gedenken 14 Edelstahl-Stelen vor dem alten Rathaus an die Opfer. In mehreren Straßen wurden Stolpersteine verlegt, um an die jüdischen Familien und ihre Geschichte zu erinnern.
Vom Bauerndorf zur modernen Gemeinde
Ab dem 19. Jahrhundert begann Nordenstadt, sich wirtschaftlich und infrastrukturell zu modernisieren. Die Industrialisierung und der Ausbau von Verkehrswegen trugen dazu bei, dass sich das Dorf von einem traditionellen Bauerndorf zu einer modernen Gemeinde mit Wohn- und Gewerbegebieten wandelte. Besonders ab der Mitte des 20. Jahrhunderts, als der Ausbau der Autobahnen und die Nähe zum Rhein-Main-Flughafen die Region wirtschaftlich verband, nahm Nordenstadt eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen Leben der Umgebung ein. Am 1. Januar 1977 wurde Nordenstadt nach Wiesbaden eingemeindet. Nordenstadt entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte von einer kleinen fränkischen Siedlung zu einem modernen Stadtteil von Wiesbaden.
Historisches Highlight
Religiöse Tradition und industrieller Fortschritt: Das Wappen von Nordenstadt kombiniert symbolisch die Bibel (dargestellt durch ein Buch) mit zwei Zahnrädern, die für das Industriegebiet stehen.