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Haupt- und Realschulen

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Der Ruf nach »realbildenden« Schulen war im 18. Jahrhundert mit dem erstarkenden Bürgertum immer lauter geworden. Zunächst wurden in Wiesbaden an den Elementarschulen Abteilungen für besonders begabte Kinder eingerichtet. Daraus entwickelten sich die Realschulen, die keinen Unterricht in Latein, aber in Französisch anbot. Bis 1858 war diese Schulform in Wiesbaden noch mit dem Realgymnasium verbunden, wurde dann als sechsjährige »Mittelschule« eigenständig, die über die Elementarbildung hinausgehen und »zum Betrieb eines gewöhnlichen Geschäftes oder Gewerbes« befähigen sollte.

Die Kinder aus dem nördlichen Teil der Stadt wurden der 1844 eingeweihten »Mittelschule auf dem Berg« (auch »Neue Schule«), zugeordnet, die des südlichen Stadtteils der »Schule am Markt«, die 1831 Heimstatt für die damalige »Realschule« geworden war. Schulgeld war verpflichtend. 1879 siedelte die Mittelschule am Markt in ein neues Gebäude in der Rheinstraße über. Wegen der steigenden Anmeldezahlen kehrten 1881/82 vier »Unterklassen« in die »Schule am Markt« zurück. Sie blieben dort bis 1893/94 und bildeten das 3. selbstständige Mittelschulsystem in Wiesbaden, später zogen sie in die Luisenstraße. 1896 erhielten die Mittelschulen Anfangsklassen (ab 1. Schuljahr), wurden neunstufig und unterrichteten fortan mit Englisch eine zweite, wahlfreie Fremdsprache. 1907 besaß Wiesbaden vier Mittelschulen, deren Schülerzahlen von 2.510 (1905) auf 2.901 (1908) anstiegen. 1912 kam mit der Mittelschule an der Blumenthalstraße für 386 Jungen und Mädchen eine fünfte hinzu. 1921 fielen durch Schaffung von Volksschulen mit vier Unterklassen die Eingangsklassen weg. Ab 01.06.1925 erhielten sie sechs aufsteigende Klassen, der 10. Jahrgang wurde Abschlussklasse.

1953 zog die Mittelschule am Riederberg aus, die Mädchen siedelten in die 1916 errichtete Schule an der Lahnstraße über, in der je eine Schule für Mädchen und für Jungen untergebracht wurde. Die Mädchenabteilung erhielt 1955 den Namen »Droste-Hülshoff-», die Jungenabteilung »Albrecht-Dürer-Schule«. 1955 wurde die »Mittelschule für Mädchen« in der Rheinstraße in »Gustav-Freytag-Schule« umbenannt, während die im selben Gebäude befindliche »Mittelschule für Jungen« den Namen »Werner-von-Siemens-Schule« führte.

Steigende Schülerzahlen führten zum Schuljahresbeginn am 01.04.1955 zur Gründung einer sechsten Mittelschule mit vier Mädchenklassen am damaligen Realgymnasium für Mädchen (heute: Elly-Heuss-Schule) am Boseplatz; später kamen noch vier Jungenklassen dazu. 1956 wurde daraus die »Mittelschule am Boseplatz«, seit 1957 »Gerhart-Hauptmann-Schule«, die 1960 in die Friedrich-List-Schule umsiedelte und seit 1961 koedukativen Unterricht bot.

Der Name »Mittelschule« wurde seit 1964 durch den Begriff »Realschule« ersetzt. Ab 01.08.1972 wurde die Gustav-Freytag- mit der Werner-von-Siemens-Schule unter dem Namen der Letzteren zusammengefasst. Auch die Droste-Hülshoff- und die Albrecht-Dürer- fusionierten im gleichen Jahr zur koedukativen »Albrecht-Dürer-Schule«. Die Realschule schließt ab mit dem sogenannten Mittleren Bildungsabschluss, später »Realschulabschluss«. Seit dem Schuljahr 2004/05 werden wie in ganz Hessen mündliche und schriftliche Abschlussprüfungen durchgeführt.

Die Hauptschule entstand Ende der 1960er-Jahre durch die Trennung der alten Volksschulen in Grund- und Hauptschule, wobei die Oberstufen als allgemeinbildende weiterführende Schule im Rahmen des gegliederten Schulsystems im Bereich der Sekundarstufe I zusammengefasst wurden. In der Regel wurden dort Schülerinnen und Schüler in den Klassenstufen fünf bis neun unterrichtet. An einigen Schulen wurde ein freiwilliges 10. Hauptschuljahr eingerichtet, über das in Ausnahmefällen auch ein Realschulabschluss erreicht werden kann. Ab dem Schuljahr 2004/05 wird der Hauptschulabschluss nach einer Abschlussprüfung vergeben.

In Wiesbaden sind seit Ende der 1960er-Jahre die Wolfram-von-Eschenbach-, die Heinrich-von-Kleist- und die Kastellstraßenschule selbstständige Hauptschulen. An einigen Standorten wie der Ludwig-Beck-Schule am Gräselberg und der Adalbert-Stifter-Schule waren die Hauptschule mit einer Grundschule verbunden. 1926 wurden an der Hebbelstraße im Dichterviertel zwei gegenüberliegende Volksschulen für Knaben und Mädchen als Ersatz für die 1905 erbaute »Volksschule am Gutenbergplatz« errichtet, die im Ersten Weltkrieg geräumt werden musste und danach von Besatzungstruppen belegt war. Die neue Schule erhielt 1963 den Namen Wolfram-von-Eschenbach-Schule und wurde 1967–69 in eine Hauptschule mit den Klassen 5–9 und koedukativem Unterricht und im Schuljahr 1989/90 mit freiwilligem 10. Schuljahr umgewandelt. Die 1913 bezogene Heinrich-von-Kleist-Schule wurde nach Nutzung als Kaserne und anschließender Belegung durch Besatzungstruppen 1931 wieder ihrer eigentlichen Bestimmung übergeben, doch diente sie 1936–38 noch einmal als Behelfskaserne. Ab Ostern 1965 begann auch hier die Koedukation. Die Schule wandelte sich ab 1969 in eine reine Hauptschule und begann 2004/05 mit einem Modellversuch einer integrierten Hauptschule und Realschule. Die Käthe-Kollwitz- wurde 1884 als Kastellstraßenschule eröffnet. 1960 entwickelte sie sich zu einer Volksschule für Knaben und Mädchen und erhielt 1963 ihren heutigen Namen, war danach eine reine Hauptschule und ist nach einem Umbau seit September 1988 eine Integrierte Gesamtschule. Eine Grund- und Hauptschule ist die 1949 gebaute, 1955 und 1963 erweiterte Adalbert-Stifter-Schule, ursprünglich Siegfriedstraßenschule, die im März 1956 ihren heutigen Namen erhielt und ebenfalls ein freiwilliges 10. Hauptschuljahr anbietet. Dieselbe Schulform galt auch für die am 12.10.1964 eröffnete Ludwig-Beck-Schule auf dem Gräselberg. Seit dem Schuljahr 2009/10 ist sie eine reine Grundschule.

Auch in den Vororten Wiesbadens hatten sich Realschulen – oft als Haupt- und Realschulen – entwickelt. In Wiesbaden-Biebrich war 1847 eine vierklassige Realschule gegründet worden, die 1905 zu einem Reformrealgymnasium und 1871 zu einem Realprogymnasium an der Ecke Rathausstraße/Schulstraße weiterentwickelt wurde. 1910 bezog sie das Gebäude der heutigen Wilhelm-Heinrich-von-Riehl-Schule an der Dyckerhoffstraße. 1937 wurde die Riehlschule aufgelöst, das Gebäude diente der Freiherr-vom-Stein-Schule als Unterkunft. Im April 1938 wurde hier die Biebricher Mittelschule eröffnet und erhielt 1961 auch wieder den Namen Riehlschule. Seit dem Schuljahr 1974/75 wurde sie zu einer Additiven und seit 2006/07 zu einer Integrierten Gesamtschule umgewandelt.

In Schierstein wurde 1963 das als Hafenschule bezeichnete Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Zehntenhofes eingeweiht. 1970 wurden zusätzlich eine Haupt- und Realschule in der Zehntenhofstraße 20 errichtet, die Erich-Kästner-Schule. In Wiesbaden-Naurod wurde 1973 die ehemalige Volksschule mit einem Neubau in die nach Rudolf Dietz benannte Grundschule sowie eine Haupt- und Realschule geteilt, die am 21.07.1983 den Namen Kellerskopfschule erhielt und im Schuljahr 2008/09 wegen der stark abnehmenden Schülerzahlen im Hauptschulbereich auf eine reine Realschule zurückgeführt wurde.

Die Ludwig-Erhard-Schule in Dotzheim, bis zum Schuljahr 2008/09 eine Haupt- und Realschule mit Förderstufe, ging aus der einstigen Landgrabenschule hervor, die 1909 im Nordosten Dotzheims errichtet worden war. 1983 erhielt sie den Namen Ludwig-Erhard-Schule. 2001 wurde ein freiwilliges 10. Hauptschuljahr angeschlossen. 2009/2010 wurde die Schule baulich umgestaltet und unter dem Namen Alexej-von-Jawlensky-Schule in eine Integrierte Gesamtschule umgewandelt. In Wiesbaden-Erbenheim konnten am 01.01.1966 die ersten Klassen in die neue Schule am Hochfeld einziehen, die den Namen Hermann-Ehlers-Schule erhielt. Der Grund- und Hauptschule wurde 1966 eine Förderstufe angeschlossen und im Schuljahr 1969/70 ein Realschulzweig hinzugefügt. Die Grundschule wurde 1975 unter dem Namen Justus-von-Liebig-Schule abgetrennt. Ab Schuljahr 1989/90 entwickelte sich dann die Hermann-Ehlers-Schule zu einer Ganztagsschule weiter. 1992 erfolgte der Organisationsumbau zu einer Integrierten Gesamtschule.

Literatur

Dietz, Friedrich Wilhelm: Oeffentliche Mitteilung über die gegenwärtige Einrichtung der Elementar- und Mittelschulen der Stadt Wiesbaden, Wiesbaden 1866.