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Kasernen

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Die älteste Kaserne aus der Zeit des nassauischen Militärs war die 1816–19 durch Carl Florian Goetz errichtete Alte Infanteriekaserne an der Westseite der Schwalbacher Straße Der Bau bestand aus einer weit gespannten dreigeschossigen Dreiflügelanlage mit repräsentativem Mittelrisalit und bildete einen imposanten Abschluss der Friedrichstraße. Im Laufe der kommenden Jahre wurde die Anlage stetig erweitert, bis sie 1911/12 abgebrochen wurde. Die beiden in Lebensgröße aus Sandstein gearbeiteten Löwen, die auf den beiden Torpfeilern thronten, befinden sich heute auf dem Neroberg. 1828/29 wurde für die nassauische Artillerie, die bisher in den Nebengebäuden des Schlosses untergebracht war, ebenfalls eine neue Kaserne im Bereich der späteren Rheinstraße, Luisenstraße sowie Kirchgasse und Schwalbacher Straße errichtet. Zentrum dieser Artilleriekaserne war ein schlichter klassizistischer Bau, der ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Kaserne aufgegeben und während des Bombenangriffs vom 02.02.1945 zerstört wurde. Im heutigen Europaviertel wurde die neue Infanterie- und Feldartilleriekaserne errichtet. Als erstes konnte im April 1897 das Regiment von Gersdorff die neue Kaserne beziehen. Weitere Bauabschnitte folgten in den Jahren 1907–09 und 1909–12.

Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in Wiesbaden keine deutsche Garnison mehr und die Kasernen wurden zunächst von den Franzosen (Foch-Kaserne und Pétain-Kaserne), später von den Briten (Saint-Andrew-Barracks und Ypres-Barracks) und darauf erneut von Franzosen besetzt. Nach dem Abzug der alliierten Besatzung wurde das Gelände zivil genutzt, bis im Zuge der Remilitarisierung des Rheinlandes 1936 wieder deutsche Truppen nach Wiesbaden kamen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verdichtete man die bestehenden Kasernenanlagen kontinuierlich und erweiterte sie ostwärts. Die nunmehr drei Abschnitte trugen die Namen Ochamps-Kaserne, Oranien-Kaserne und Gersdorff-Kaserne. Neben den ebenfalls durch die Nationalsozialisten errichteten Neubauten der Kohlheck-Kaserne sowie der Freudenbergkaserne in Dotzheim gehörten weitere Lazarettbauten und ab 1937 auch der neue Fliegerhorst in Erbenheim zur Wiesbadener Garnison. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage an der Schiersteiner Straße 1945–47 als Sammellager der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Vertriebene und ehemalige Zwangsarbeiter genutzt und später von den Amerikanern in Besitz genommen; sie erhielt den Namen Lindsey Air Station. Seit dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte in den 1990er-Jahren beheimatet das Gelände das Europaviertel. Die Freudenbergkaserne wurde ebenfalls von amerikanischen Truppen genutzt (Camp Pieri), 1993 freigegeben und in ein Wohngebiet umgewandelt.

Auch Biebrich hat eine lange Tradition als Garnisonsstadt, der 1857–60 errichtete Backsteinbau der Rheinkaserne in der Rheingaustraße ist bis heute erhalten geblieben. Zunächst war sie mit einem herzoglichen Jägerbataillon belegt, bis zum Ersten Weltkrieg war dort die »Königlich Preußische Unteroffiziersschule« stationiert, die 1914 nach Wetzlar verlegt wurde. In die Rheinkaserne hielt das Pionier-Bataillon 52 Einzug. Darüber hinaus wurde 1914–16 an der heutigen Äppelallee die Hindenburg-Kaserne errichtet, um einer neuen »Unteroffizier-Vorschule« Platz zu bieten. Nach 1918 bezogen auch hier alliierte Soldaten die Kaserne. Im Zuge der deutschen Wiederbewaffnung kam eine deutsche Garnison auch nach Biebrich, die nach dem Zweiten Weltkrieg von amerikanischen Soldaten abgelöst wurde. Diese verließen die Biebricher Kaserne in den 1970er-Jahren. Die vormalige Rheinkaserne beheimatet heute das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie, die ehemalige Hindenburg-Kaserne ist in den Komplex des Bundeskriminalamtes integriert worden.

Die ehemalige Reduit (-Kaserne) in Kastel diente als Bestandteil der Mainzer Bundesfestung dem rechtsrheinischen Brückenschutz, weswegen sie auch Brückenkopf-Kaserne genannt wurde. In Kastel befanden sich noch die Von-der-Goltz-Kaserne sowie die 1860 errichtete Wilhems-Kaserne, die die meiste Zeit mit Pioniertruppen belegt waren. Letztere wurde in den 1930er-Jahren abgerissen. Die Mudra-Kaserne in Kastel wurde 1908/1909 als Unterkunft für das 2. Nassauische Pionierbataillon Nr. 25 errichtet, nach 1918 durch die französische Besatzungsmacht in Beschlag genommen und in »Quartier Marceau« umbenannt. 1936 zog hier das Pionierbataillon 36 der Wehrmacht ein; die Anlage erhielt ihren heutigen Namen nach dem Pioniergeneral Bruno von Mudra. Seit 1951 nutzt die Hessische Bereitschaftspolizei das Gebäude.

Als eine der letzten Kasernen in Wiesbaden wurde im Jahr 1994 die Schiersteiner Hafenkaserne von den Soldaten der Bundeswehr geräumt. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren auch hier zunächst amerikanische Truppen stationiert, bis die Anlage 1958 an die Bundeswehr übergeben wurde. Nach der Auflösung der letzten Pioniereinheiten wurde das Kasernengelände in die zivile Nutzung überführt.

Literatur

Vom Exerzierplatz zum Wohnquartier. Die Geschichte des Europaviertels. Hrsg.: Ortsbeirat Rheingauviertel/Hollerborn in Verbindung mit Stadtentwicklungsgesellschaft und Kulturamt/Stadtarchiv Wiesbaden, Wiesbaden 2010.

Sigrid Russ, Bearb., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden I.1 – Historisches Fünfeck. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Stuttgart 2005.

Sigrid Russ, Bearb., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden I.2 – Stadterweiterungen innerhalb der Ringstraße. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Stuttgart 2005.

Sigrid Russ, Bearb., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden I.3 – Stadterweiterungen außerhalb der Ringstraße. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Stuttgart 2005.

Infanteriekaserne in der Schwalbacher Straße, um 1840 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, ST-86, Urheber: unbekannt
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