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Interview Martin Michel zum Innenstadt-Gipfel

Martin Michel, Geschäftsführer der Wiesbaden Congress & Marketing GmbH, äußert sich im Interview nach dem Veranstaltungsgipfel im Februar nun zum Innenstadt-Gipfel am 1. und 2. Juli im RMCC.

Frage: Nach dem Veranstaltungsgipfel im Februar nun der Innenstadt-Gipfel im Juli. Herr Michel, welche Strategie verfolgen Sie mit diesen Impulsen aus dem Wiesbadener RheinMain CongressCenter?

Martin Michel (MM): In der Tat, wir versuchen unserer Rolle gerecht zu werden. Themen die uns selbst auf den Nägeln brennen, die aber auch ganze Wirtschaftszweige und viele Existenzen betreffen und für die ganze Gesellschaft relevant sind, übersetzen wir in Veranstaltungsformate. Da werden wir aktiv und warten nicht einfach nur ab. Immer wieder ist davon die Rede, dass die Pandemie Entwicklungen forciert hat, die ohnehin anstanden, sich abzeichneten oder in der Luft lagen. Wir sind Partner unserer Kunden. Was sie umtreibt, das lässt auch uns nicht kalt. Wir sind nicht nur Hallenvermieter sondern Gesprächspartner, Vermittler und vor allem Gastgeber und bringen Leute zusammen, die miteinander mehr erreichen können als ohne einander. 

Frage: Was meinen Sie mit 'Veranstaltungsformaten'?

MM: Wenn wir an Kongresse oder Messen oder auch die Innenstadt denken, dann haben wir genaue Bilder im Kopf. Wenn aber wie jetzt lieb gewonnene Gewohnheiten außer Kraft gesetzt werden, müssen wir unsere Verhaltensweisen und die Formen, in denen wir Begegnungen organisieren, neu denken und konzipieren. 

Mit unseren 'Gipfeltreffen' probieren wir ein hybrides Format aus. Wir organisieren ein Treffen, an dem Sprecherinnen und Expertinnen teilnehmen und sich mit einem kleinen Publikum austauschen aber zugleich eine große Zuschauerschaft via Bildschirm und Streaming die Inhalte im Schulterblick mitverfolgen kann. Wir kombinieren Präsenz und digitale Teilhabe: eine intensive Begegnung einiger weniger und zugleich die Information vieler. Künftig wird es bei Kongressen und Messen um Reichweite gehen und nicht mehr nur um Eintrittszahlen. So kann ein kleiner Kongress zugleich eine Weltöffentlichkeit erreichen. Das ist eine riesige Chance für Standorte, die das Know-how dafür haben, das Ambiente, die Services und die Verbindungen.

Auf diese Zeit bereiten wir uns, den Kongressstandort Wiesbaden, unsere Kunden und auch die Veranstaltungsbranchen vor.  Auf Streaming wird künftig kaum noch eine Veranstaltung verzichten wollen. Es ist wie mit dem Public Viewing beim Fußball. Das Erlebnis im Stadion ist einzigartig. Aber auch eine Teilnahme aus zweiter Hand kann Vorteile haben und neue Märkte eröffnen. Wir bieten künftig sozusagen Stadion und Remote Viewing aus einer Hand. 

Frage: Was war das Ergebnis des Veranstaltungsgipfels?

MM: Wir hatten viele spannende Leute dabei, die beispielsweise die Zukunft der Buchmesse oder der IAA vorgestellt haben. Wir sind gespannt, ob sie ihre Konzepte in diesem zweiten Pandemiejahr einlösen konnten. Wir planen schon das nächste Gipfeltreffen der Veranstaltungsbranchen. Der Bedarf ist groß nach einer Konferenz, die die Transformation einer ganzen Branche begleitet. Das ist vielen gar nicht klar: der Erfolg unserer Wirtschaftsunternehmen und Forschungsinstitutionen gründet auf den vielen Bühnen, die die Veranstaltungsbranche organisiert. Das beste Produkt ist nichts, wenn nicht die richtigen Leute davon erfahren. 

Kongresse werden künftig einen digitalen Zwilling im Netz bekommen. Die Serviceleistungen rund um eine Kongress- oder Messeveranstaltung werden sehr viel umfassender sein.  'Customer’s Journey' ist das Stichwort. Damit ist gemeint, dass eine Veranstaltung nicht mehr nur den Besuchstermin meint, sondern, dass die Zeit der Vor- und der Nachbereitung dazu gehört. Kongresse werden künftig mehr Familientreffen gleichen, wo man auch zwischen den Ereignissen Kontakt hält, sich austauscht, Geschäfte und Absprachen macht, die dann in der persönlichen Begegnung ihren Höhepunkt finden. Alle sind sich einig, Vertrauen und Einverständnis braucht den Augenkontakt, um abzuschätzen wer was wie ernst meint und nimmt. Und die Veranstalter müssen auf Augenhöhe mit Ihren Gästen sein. 

Frage: Wiesbaden hat eine gute Tradition, hier über Veranstaltungen zu sprechen und sich über Konzepte auszutauschen von den Treffen des legendären Messeinstituts bis hin zur ehemaligen World of Events. Aber die Innenstadt ist ein neues Thema?

MM: In der Tat ist es das erste Mal, das wir im Auftrag der Stadt Wiesbaden eine solche Veranstaltung begleiten.  Andererseits ist Stadtmarketing unser Tagesgeschäft. Denn unter dem Dach der Wiesbaden Congress & Marketing GmbH sind auch alle Aktivitäten des Stadtmarketings von der Website der Stadt über die Tourismuswerbung, die Partnerallianz, das Kurhaus und das RMCC und anderer Event-Fazilitäten zusammengeschlossen. In einer Krisensituation können wir da konzertant auftreten und hoffentlich viel erreichen. Ein gemeinsames Verständnis der Problemlagen ist da sehr hilfreich. Und dazu dient das Gipfeltreffen, das Experten mit Vor-Ort-Praktikern zusammenbringt.

Frage: Der Innenstadt-Gipfel ist als nationale Konferenz geplant. Warum das?

MM: Wir sind sicher, dass unsere Probleme und Lösungsideen auch andere Städte interessieren, beziehungsweise wir von anderen Städten lernen können. In der Pandemie war die Diskussion ganz auf die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten ausgerichtet. Dass aber die Probleme alle konkret und vor Ort gelöst werden müssen, ist in der medialen Wahrnehmung ein wenig zu kurz gekommen. Das müssen wir ändern, weil es vor Ort viele gute Ideen und Initiativen gibt. Dazu wollen wir beitragen, indem wir den Stadtakteuren in einer solchen Veranstaltung eine Plattform verschaffen. Wiesbaden liegt mitten in Deutschland und ist hervorragend erreichbar, sodass wir ein effizienter Standort für einen solchen Austausch sind. 

Natürlich will ich nicht verhehlen, dass wir die brandaktuellen Themen aufgreifen, um auf uns und die Leistungsfähigkeit unseres Standortes aufmerksam zu machen. Wir wollen lieber Teil der Lösung sein als Teil des Problems. Die Pandemie hat leider auch gezeigt, dass unsere Gesellschaft zu erfolgsverwöhnt und entsprechend langsam geworden ist. Wir als junges Team am Standort Wiesbaden möchten gern dabei sein, das zu ändern.