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Die gerettete Nonne

Ob es die Heilige Klara war, die zu Hilfe kam? - Kurier-Serie Folge 4, vom 14. August 2004 - Von Kurier-Mitarbeiterin Eva Wodarz-Eichner

Man schrieb das Jahr 1318. Krieg lag über dem Land und der Stadt, und bis hinter die starken Mauern des Klosters Klarenthal hörten die Nonnen das Klirren der Schwerter, das Geschrei der Ritter, das erschrockene Wiehern der Pferde, das Stöhnen der Verwundeten und das Brüllen der Bauern, die mit Dreschflegeln und Klarenthal Hacken den Rittern folgten.

Das war zu viel für die Schwestern - ein Kloster war ein Ort der Stille, und hier gab es keine Stille mehr. Sie rafften die Kostbarkeiten aus der Kirche zusammen und flohen über den Rhein nach Mainz, wo sie Aufnahme finden sollten, bis die Kämpfe rund um das Kloster vorbei waren.

Eine Nonne aber blieb. Die junge Schwester vertraute auf den Schutz der Heiligen Klara, der das Kloster geweiht war, und lebte ihr frommes Leben inmitten der Kämpfe, die um das Kloster tobten. Doch plötzlich holte auch sie die grausame Realität des Krieges ein: Die junge Nonne war gerade in der Kirche, als polternde Schläge gegen das Portal dröhnten und grölendes Volk Einlass forderte - die Nonne floh und erreichte gerade das schützende Dunkel der Krypta, als die Kirchentür aufflog.

In ihrer Angst schrie die Nonne zur Patronin ihres Klosters - und just, als sie schon dumpfe Schritte durch die Kirche hallen hörte, war die Krypta plötzlich in sanftes, helles Licht getaucht. Vor der jungen Nonne stand eine Frauengestalt von überirdischer Schönheit, und das Licht, das den dunklen Kirchenkeller füllte, ging von einer goldenen Krone aus, die die engelhafte Gestalt auf dem Kopf trug. Sie winkte der erschrockenen Nonne, ihr zu folgen - bis an das Ende des langen Ganges, der unter der Kirche entlangführte. Dort berührte die fremde Frau leicht die Wand, und mühelos taten sich die dicken Mauern auf, so dass die Nonne und ihre Führerin weiter und immer weiter gehen konnten.

Ist das die Heilige Klara selbst?, schoss es der Nonne durch den Kopf, aber sie konnte den Gedanken nicht weiter verfolgen, so wundersame Dinge sah sie auf ihrem Weg, der unter den Felsen, unter den Wäldern und unter den Quellen der Stadt hindurch führte: Gold und Silber glitzerte an den Felsenwänden, und Edelsteine blinkten und blitzten in allen Farben des Regenbogens. Zwerge waren dabei, die edlen Metalle zu schürfen - doch als sie der engelsgleichen Gestalt gewahr wurden, ließen sie die Werkzeuge sinken, zogen die Mützen und verneigten sich tief vor ihr.

Der Weg war lang, aber der jungen Nonne war er leicht, so staunte sie über ihre wundersame Rettung und alles, was sie sah. Doch plötzlich verschwanden die Zwerge, verschwanden die Edelsteine, verschwand das Gold und das Silber, und Tageslicht schimmerte erst matt, dann immer kräftiger in den unterirdischen Gang. Die Frauengestalt wandte sich noch einmal nach ihrer Begleiterin um - und plötzlich war sie fort.

Verwirrt blinzelte die junge Nonne ins helle Sonnenlicht. Sie stand im Hof einer Burg, und vor ihr lag die Krone der seltsamen Erscheinung, die sie hierher gebracht hatte. Gedankenverloren hob die Nonne die Krone auf und blickte sich nach dem Gang um - aber da, wo sie hergekommen war, stand jetzt eine raue Felswand ohne die geringste Öffnung.

Es war die Burg Sonnenberg, die der Nonne Asyl bot, bis der Krieg vorbei war. Sie kehrte ins Kloster Klarenthal just an dem Tage zurück, als auch die Schwestern, die in Mainz Schutz gesucht hatten, wieder kamen. Die goldene Krone aber wurde dem Standbild der Heiligen Klara in der Klosterkirche aufgesetzt, und da erinnerte sie noch lange an die wundersame Rettung der jungen Nonne vor dem tobenden Heer.

Das Kloster Klarenthal wurde von Kaiser Adolf von Nassau in seinem Todesjahr 1228 gegründet. Die Sage von der Nonne knüpft an die Belagerung Wiesbadens durch Truppen des deutschen Königs Ludwig des Bayern an - der Landesherr Gerlach von Nassau hatte die Partei des habsburgischen Gegenkönigs Friedrich des Schönen ergriffen, und der streitbare Bayer versuchte vergeblich, Gerlachs Stadt Wiesbaden auszuhungern. Dennoch richteten seine Truppen viel Unheil an: Die Gegend um Wiesbaden wurde verwüstet; und auch das Klarenthaler Kloster fiel den Plünderungen der bayerischen Truppen zum Opfer.

Das Kloster wurde anno 1559 aufgelöst. Und von einem geheimem Gang zwischen dem ehemaligen Klarissenkloster und der Burg Sonnenberg weiß heute niemand mehr ...

Quelle: Wiesbadener Kurier

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