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Verfolgung im »Dritten Reich«

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Zu den Opfern der Verfolgung gehörten Oberbürgermeister Georg Krücke, der im Juni 1933 nach fortwährenden Schikanen zurücktrat, das Mitglied der KPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Paul Krüger sowie die Sozialdemokraten Konrad Arndt, Eugen Dengel, Georg Buch, Henry Schubert, Otto Witte, Eduard Höllein und Philipp Holl. Schon ab Ende Februar/Anfang März 1933 waren viele Kommunisten und Sozialdemokraten, Christen beider Konfessionen sowie die »Zeugen Jehovas« festgenommen und schikaniert worden. Die Betroffenen wurden geschlagen und gequält, im Polizeigefängnis in der Friedrichstraße oder im »Prügelkeller« der SA im »Braunen Haus« in der Lessingstraße 16 inhaftiert oder in Konzentrationslager verbracht.  Misshandlung, Folter und Tod waren an der Tagesordnung. Für Mitglieder und Anhänger der SPD oder der KPD, unter ihnen die Sozialdemokraten Heinz Ranly und Rudolf Baum (1899–1975) sowie die Kommunisten Jakob Greis und Karl Kandler, war es nahezu unmöglich und darüber hinaus lebensgefährlich, sich gegen die neuen Machthaber aufzulehnen.

Das galt auch für Menschen mit religiösen Überzeugungen, die den nationalsozialistischen Machthabern missfielen. So verurteilte das Wiesbadener Kriegsgericht z. B. 1940 zwei »Zeugen Jehovas« – damals »Ernste Bibelforscher« genannt – zum Tod durch Erschießen. Außerdem wurde die in Wiesbaden ansässige »Bibelforscherin« Wilhelmine Klees 1936 in das KZ Moringen eingeliefert. Aufgrund ihrer religiösen Ansichten gerieten auch die evangelischen Theologen Franz von Bernus, Gründungsmitglied des »Pfarrernotbundes« in Wiesbaden und Pfarrer an der Bergkirche, Hermann Romberg (1886–1977), Pfarrer aus Dotzheim, und Hans Ruhl, Vikar in Bierstadt, sowie der junge Katholik Josef Leber aus Biebrich in Schwierigkeiten. Für seine Überzeugung sterben musste auch der Rechtsanwalt Hans Buttersack. Unter den Nationalsozialisten litten des Weiteren die Bewohner des katholischen St. Augustinusheims der Salesianer Don Boscos (Mainzer Straße 14). Sie wurden am 22.11.1944 von Beamten der Gestapo festgesetzt, ihre Betreuer, die Geistlichen Dr. Matthias Oeffling und Joseph Heck, inhaftiert. Verfolgt wurden die Mitglieder der »Swing-Jugend«.

Hinzu kam die Ausgrenzung, Stigmatisierung und schließlich Ermordung angeblich »rassisch minderwertiger« Menschen. Zu diesen zählten Juden, Sinti, aber auch Behinderte sowie angeblich Erbkranke. Mit der Aufgabe, die vermeintlich erblich Belasteten möglichst vollständig zu erfassen, wurden die Gesundheitsämter und die Beratungsstellen bzw. Ämter für »Erb- und Rassenpflege« betraut.

Das Wiesbadener Amt, geleitet von dem »Vorsitzenden der erbbiologischen Kommission des Deutschen Gemeindetags«, Wilhelm Stemmler, das im Landeshaus seinen Sitz hatte, besaß Zugriff auf die Akten von Ämtern, Schulen, Nervenkliniken und anderen Organisationen. Verfolgt wurden auch männliche Homosexuelle. Bereits wenige Wochen nach der Machtübernahme, seit dem 23.02.1933, kam es zu Festnahmen, im Oktober 1934 zur Gründung eines Gestapo-Sonderkommandos. Teil dieser »Bekämpfungsmaßnahme« war die Einrichtung einer Kartei, in der reichsweit alle Personen erfasst werden sollten, die als homosexuell gelten konnten. Seit dem 26.06.1935 ermöglichte das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« die Kastration homosexueller Männer bzw. »Umerziehung« oder »Umpolung« betroffener Männer in einem Konzentrationslager.

Literatur

Bembenek, Lothar/Ulrich, Axel: Widerstand und Verfolgung in Wiesbaden 1933–1945. Eine Dokumentation. Hrsg.: Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden – Stadtarchiv, Gießen 1990 [S. 325–335].

Hamm, Margret (Hrsg.): Lebensunwert – zerstörte Leben. Zwangssterilisation und »Euthanasie«, Frankfurt am Main 2005.

Klee, Ernst: »Euthanasie« im NS-Staat, Frankfurt am Main 1983.

Sandner, Peter: Verwaltung des Krankenmordes. Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus, Gießen 2003 (Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Hochschulschriften 3).